Die Wartburg wirft die Burschen raus

Burschenschafter im Mai 2013 auf der Wartburg
Erstveröffentlicht: 
11.06.2014

Rechtsextremismus

 

Für ihren Fackelzug muss sich die Deutsche Burschenschaft in Eisenach einen Ausweichort suchen. Die Wartburg steht dem gespaltenen Verband nicht mehr zur Verfügung. von Tilman Steffen

 

Im Fackelschein wollten die Burschenschafter in Eisenach vom Burghof der Wartburg zum Burschenschaftsdenkmal ziehen – vorbei an tausendjährigen Burgmauern, Felsgestein und idyllischen Thüringer Fachwerkhäusern. Doch aus dem jährlichen Festakt der Farbenträger wird diesmal nichts: Die Wartburg-Stiftung verweigert der Deutschen Burschenschaft erstmals seit Jahrzehnten die Nutzung des Burghofes. Nun muss der umstrittene Dachverband die Brauchtumspflege an seinem am Donnerstag beginnenden Jahrestreffen auf das Gelände des burschenschaftseigenen Berghotels Eisenach nahe des Denkmals verlegen.

 

Zunehmend gehen Burschenschaften und Öffentlichkeit zu dem Verband der österreichischen und deutschen Burschenschaften auf Distanz. Im Streit um rechte Umtriebe schrumpfte er binnen zwei Jahren von einst 120 Mitgliedsbünden auf 76. Die ersten liberalen Verbände ergriffen die Flucht, als der Dachverband zum Jahrestreffen 2011 die deutsche Abstammung zum Aufnahmekriterium machen wollte. 2012 kam es zum Eklat, als der Chefredakteur der Verbandszeitschrift den Theologen und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter bezeichnete. Medien berichteten bundesweit, Hunderte protestierten in Eisenach.

 

Derart alarmiert, kündigte die Stadt der Burschenschaft den Mietvertrag für die städtische Aßmann-Halle – zum Ärger der Kritiker läuft der Kontrakt aber noch bis 2017. Die Wartburg-Stiftung setzt die Burschenschaft dagegen kurzfristig vor die Tür des Geländes, das alter Privatbesitz des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach ist. Vor wenigen Wochen entschied sich der zehn Mitglieder zählende Stiftungsrat einstimmig gegen eine Vermietung des Burghofes. "Infolge der Entwicklung in der Burschenschaft und einiger Abspaltungen" seien die Veranstaltungen der Burschenschaft "nicht mehr repräsentativ und somit nicht mehr akzeptabel", lautet die Begründung. Zudem seien politische Gruppen nicht zugelassen, sagt Stiftungssprecher Andreas Volkert. 

 

Damit muss die Burschenschaft erstmals seit der Wende auf den historischen Ort verzichten. Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf, die selbst im Stiftungsrat sitzt, begrüßt die Absage der Wartburg. "Die Stadt Eisenach steht mit ihrer Haltung nicht allein", sagte sie ZEIT ONLINE. "Nationalistisches Gedankengut hat hier keinen Platz."

 

Die Burschenschaft selbst gibt sich gelassen. Der Festakt sei schon längere Zeit am Burschenschaftsdenkmal geplant – "unserer Heimstätte", sagt Verbandssprecher Walter Tributsch. Die Wartburg sei als Versammlungsort somit kein Verlust. Tributsch gehört zur Teutonia Wien und ist Leid gewohnt: Im November hatte bereits die Messegesellschaft Innsbruck der Burschenschaft kurzfristig den Nutzungsvertrag für eine Halle gekündigt. Die Absage der Wartburg werde die Eisenacher Tagung nicht beeinträchtigen, sagt Tributsch. Der schrumpfende Verband werde sogar eine Dresdner Burschenschaft als neues Mitglied begrüßen können. 

 

Gründungstagung eines neuen Dachverbands

 

Während in Thüringen die Ultrakonservativen sich mit Fackeln um das Burschenschaftsdenkmal versammeln und das Deutschlandlied singen, treffen sich die Liberalen 170 Kilometer nördlich. In Braunschweig hält ein neuer Dachverband seine dritte vorbereitende Gründungstagung ab. Knapp 200 Mitglieder von etwa 45 Burschenschaften diskutieren, was von den burschenschaftlichen Ur-Werten Ehre, Freiheit, Vaterland noch zeitgemäß ist. Die Konstruktionsfehler der Deutschen Burschenschaft wollen sie vermeiden, Verletzungen der künftigen Grundwerte strikt ahnden.

 

"Glaubwürdigkeit braucht Grenzen, die eingehalten werden", sagt Michael Schmidt. In dem Eklat von 2012 war er als Pressesprecher der Deutschen Burschenschaft zurückgetreten, heute vertritt er die neue Initiative "Wir sind Burschenschaft" nach außen. Die mehr als 300 Mitglieder zählende Burschenschaft Bavaria München ist hier vertreten – zu der auch der frühere Bundesminister Peter Ramsauer gehört oder Schmidts Burschenschaft Hillaritas Stuttgart mit ihren 200 Angehörigen.  

Den Liberalen geht dabei Sorgfalt vor Eile: Zur vierten Gründungstagung haben sie für Oktober nach München geladen. Anfang 2015 soll die Satzung fertig sein. Die eigentliche Gründung des Dachverbands ist für den Herbst kommenden Jahres geplant.