Erst Mitte vergangener Woche war kurzfristig bekannt geworden, dass die örtliche NPD durch Lindenau marschieren will. Der “Marsch” folgte am Sonntag, wenn auch anders, als gedacht. Denn trotz kurzer Vorbereitungszeit war es möglich, den Nazis die Tour zu vermiesen.
Und die von ihnen erbettelte “nationale Solidarität” gegen “linke Extremisten”, Polizei, Medien und vieles mehr blieb sowieso weitgehend aus: Dass lediglich 100 Nazis nach Lindenau kamen, zeigt den eher geringen Stellenwert Leipzigs für die extreme Rechte an, ganz egal, ob hier Christian Worch, Maik Scheffler, Tommy Naumann oder Alexander Kurth den Führer spielen und die Marschrichtung vorgeben wollen.
Leipzig ist rot… auch im Westen!
Nach vielen Jahren der Erfahrung mit kleineren und größeren Naziaufmärschen ist es AntifaschistInnen gelungen, kurzfristig im Leipziger Westen zu intervenieren. Dem Vernehmen nach gab es eine umfangreiche lokale Mobilisierung, Blockadepunkte und auch einen Aufruf zur Sperrmüllsammlung, dem vielerorts im Viertel nachgekommen wurde. Noch während des Aufmarsches war die Stadtreinigung bemüht, den angehäuften Sperrmüll wieder zu beseitigen.
Trotz Dauerregens hatten sich bereits ab 11 Uhr mehrere hundert AntifaschistInnen im Stadtteil gesammelt und entlang der vorgesehenen Aufmarschroute positioniert. Zunächst kam es zu einer Blockade des Startpunktes, wofür ähnlich wie am 1. Mai in Rostock aneinander gekettete Fahrräder verwendet wurden. Das wiederholte sich sodann in der Lützner Straße. Zu dem Zeitpunkt war die Polizei bemerkenswert schlecht aufgestellt, der sonst übliche “Raumschutz” fand praktisch nicht statt.
Allerdings machte die Polizei ihre offensichtliche Fehleinschätzung später wett durch größtmöglichen Gewalteinsatz gegen BlockiererInnen und Protestierende.
Lange nicht gesehen
Die Nazis ließen zunächst lange auf sich warten. Zum Treffpunkt wurden sie vom Hauptbahnhof aus mit Hilfe der Leipziger Verkehrsbertriebe chauffiert. Die geplante Route stand dank effektiver Blockade aber nicht mehr zur Verfügung, so dass sie in umgekehrter Richtung angetreten wurde. Hier gelang ad hoc nur eine kleine Blockade, die von der Polizei rasch abgeräumt wurde. Dennoch kam es zu weiteren Blockadeversuchen.
Zudem wurden bereits am Vormittag an vielen Stellen Barrikaden in einem in Leipzig lange nicht mehr gesehenen Umfang errichtet.
Der Polizei blieb nichts anderes übrig, als immer wieder Kräfte zum Abbauen von Barrikaden abzuziehen. Damit waren auch mögliche Alternativrouten verbaut und ein schnelles Verlegen von Polizeikräften behindert worden. Angriffe gegen die Polizei gab es jedoch nicht. Es bleibt unerfindlich, warum sie zu Beginn des Aufmarsches plötzlich aufdrehte und unterschiedslos auf alle Menschen losging, die sich auch nur in der Nähe der Route befanden.
Märchenstunde bei der Polizei
Die Polizei berichtete hinterher, dass fünf Beamte verletzt worden seien. Das soll nach einer Rechtfertigung des überzogenen Einsatzes klingen. Tatsache ist aber, dass beispielsweise ein Beamter durch eigene Kollegen verletzt wurde – er wurde von ihnen angefahren. Eine Polizistin wurde verletzt, als einer ihrer Kollegen eine Blockade dadurch räumte, indem er herumliegende Steine warf – er traf damit die Polizistin am Bein.
Aber auch die neue Märchenstunde der Polizei konnte nicht dafür sorgen, dass die Nazis ihre erwünschte Route bekommen. Angesichts der Umstände bleibt das ein beachtlicher Erfolg.
Dass in der Vergangenheit mehrere antifaschistische Mobilisierungen erfolgreich waren – seien es 800 Menschen gegen eine rassistische Kundgebung in Schönefeld oder 1000 Menschen auf der roten Erste-Mai-Demo – scheint dem Staat zwar weiter Anlass zur Repression zu geben. Aber der Trend bleibt klar…
Siehe auch den ausführlichen Bericht beim Störungsmelder der ZEIT
Bilder: https://www.flickr.com/photos/mf-art/sets/72157644331813537/