Chemnitzer Modelabel „Tacheles Clothing“ weiter in rechter Hand

Kevin Vietz (l.) und Chris Junghänel

Der Ex-​CFC-​Spie­ler Kevin Vietz hat am 14. Mai einen Text ver­fasst, in dem er be­haup­tet, er, sein Kol­le­ge Nico Tetz­ner und deren Be­klei­dungs­mar­ke „Ta­che­les Clot­hing“ hät­ten nichts mehr mit der rech­ten Szene zu tun. Er be­zieht sich damit auf einen Ar­ti­kel von uns aus dem Jahr 2012. Dass die Be­haup­tun­gen von Vietz falsch sind, lässt sich leicht be­le­gen.

 

Der Text Vietz‘, der eineinhalb Jahre nach dem ARC-Artikel erschien, bezieht kaum Stellung zu den Fakten aus dem Artikel. Zu denen gehörte u.a., dass Tetzner Führungsmitglied in der verbotenen Kameradschaft „Sturm 34“ war und zu der Zeit des Erscheinens noch aktiv an öffentlichen neonazistischen Veranstaltungen teilnahm. Kevin Vietz pflegte dem Artikel zufolge außerdem gute Kontakte in die Naziszene der Stadt Chemnitz und seine eigenen Ansichten schienen nicht weit davon entfernt zu liegen.

Dass Vietz nun einen Text dazu auf die Facebook-Seite von „Tacheles Clothing“ stellte, beruht anscheinend vor allem auf wirtschaftlichen Gründen. So drückt der 22-Jährige mehrmals auf die Tränendrüse und beklagt, dass es der Marke mit beschädigtem Ruf schwer falle, junge Sporttalente fürs Sponsoring zu gewinnen. Das ist auch gut so – solange die Hinweise darauf, dass die Betreiber Kevin Vietz und Nico Tetzner weiterhin eng mit der rechten Szene verbunden sind, Bestand haben. Vietz sieht sogar „die Existenz [ihrer] Mitarbeiter gefährdet“ und möchte mit Tacheles „soziale Projekte und Vereine aufblühen [...] lassen“

Er beschreibt den Text nicht etwa als Distanzierung, sondern als Richtigstellung. Damit suggeriert er, der Artikel über ihn und seine Marke sei demnach falsch, gleichzeitig distanziert er sich eben nicht von den darin genannten Fakten.

Die Fakten wiegen dabei heute sogar noch schwerer. Tetzner, der nicht nur als Webdesigner, sondern zusammen mit Vietz als Macher der Marke auftritt, gehörte einem Verbotsbescheid des Sächsischen Innenministeriums zufolge zu den 14 Kernmitgliedern der Kameradschaft „Nationale Sozialisten Chemnitz“ (NSC), die auch nachgewiesene Kontakte zum Unterstützerumfeld des NSU pflegte. Das Verbot der NSC trat vor nicht einmal zwei Monaten in Kraft. Da die Kameradschaft über 30 Mitglieder zählte, von denen einige nach außen hin erheblich aktiver wirkten als Tetzner, werden die Behörden stichhaltige Gründe dafür gehabt haben, gerade Tetzner zum Kern zu zählen. Diese Mitglieder zahlten einen monatlichen Beitrag von 15€ und mussten regelmäßigen Pflichtveranstaltungen beiwohnen. Daraus einen „seit Jahren abgebrochenen Kontakt zur rechten Szene“ zu konstruieren ist dermaßen abwegig, dass man sich wirklich wundern muss, wie Vietz mit derlei „Argumenten“ die Vorwürfe ausräumen will. Vietz krönt das Ganze aber noch mit der Behauptung, der ARC-Artikel von 2012 habe „unbegründete Durchsuchungen und Kontrollen durch die Polizei“ verursacht. Gemeint ist damit vermutlich die Razzia, die bei Tetzner im Zuge des NSC-Verbotes notwendigerweise durchgeführt wurde. Die Erkenntnisse der Behörden beruhen im Übrigen höchstwahrscheinlich nicht auf diesem Blog, sondern dem Verbotsbescheid zufolge auf einer Telekommunikationsüberwachung der Mitglieder.

Doch nicht nur Tetzners aktive Mitgliedschaft bei den NSC beweist, dass von einer Distanz zur rechten Szene keine Rede sein kann. Chris Junghänel, bislang aktives Mitglied bei der rechten CFC-Ultra-Gruppe „NS-Boys“ (wenn er das nicht mehr ist, kann er ja mal seinen Facebook-Like dazu löschen), arbeitet augenscheinlich als Verkäufer im „Brandhunters Store“ am Markt 4 in Chemnitz. Der „Brandhunters Store“ hieß früher „Dresscode“ und wird heute genauso wie die Marke „Tacheles“ von Kevin Vietz geführt. Unseren Erkenntnissen nach ist es bislang der einzige Laden, der „Tacheles“ verkauft. Junghänel nahm zuletzt am 12. Oktober 2013 an einer Demonstration gegen die Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in Chemnitz-Ebersdorf teil. Auch hier also keine Spur von „seit Jahren abgebrochene[m] Kontakt zur rechten Szene“.

Weiteren Aufschluss bietet Facebook. In den Freundeslisten sowohl von Kevin Vietz („Kevin van Tacheles“) als auch von Nico Tetzner („Nico Winter“) und Chris Junghänel ist weiterhin das Who is Who der Naziszene von Chemnitz und dem Erzgebirge vertreten. Auch auf den zahlreichen Fotos von „Tacheles“ tragenden Menschen auf der Facebook-Seite und der „Tacheles Clothing Familie“ auf der Website finden sich zahlreiche Neonazis aus dem Umfeld von NS-Boys und NSC, u.a. Nino Hänselmann, Eric Lademacher, Anton Erhardt und Martin Pfeil. Vietz gefällt auf Facebook zwar mittlerweile – möglicherweise aus Alibigründen – „Kein Bock auf Nazis“, ist aber gleichzeitig Mitglied in der Gruppe „Schneeberg wehrt sich“. Unter diesem Label formierte sich im vergangenen Herbst und Winter ein Bündnis um den NPD-Funktionär Stefan Hartung und führte rassistische Aufmärsche gegen Asylsuchende in Schneeberg durch.

All die genannten Fakten bekommen zusätzliche Bedeutung vor dem Hintergrund, dass ein Ausstieg aus der Naziszene immer auch einen Bruch mit dem alten Freundeskreis bedeuten muss, da dieser in der Regel untrennbar mit der früheren Ideologie und häufig mit den begangenen Straftaten verbunden ist. Besonders Tetzner ist ein Ausstieg unter den genannten Voraussetzungen nicht abzunehmen. Er war nicht irgendein Mitläufer, sondern bereits zweimal Kern- bzw. Führungsmitglied militanter und nicht ohne Grund verbotener Nazikameradschaften.

Dabei möchten wir klarstellen, dass wir vor echten, glaubhaften Aussteigern höchsten Respekt haben. Wer sich von dieser geschlossenen Ideologie löst, beweist enormen Mut und ein großes Maß an Selbstreflexion. Die halbherzigen Behauptungen der Tacheles-Betreiber sind lediglich ein Hohn auf alle, die sich teilweise unter Lebensgefahr von dieser gefährlichen und immer auch Gewalt befürwortenden Ideologie gelöst haben.

Vietz bietet uns als Autoren des Artikels „CFC-Spieler Kevin Vietz und seine Verstrickungen in die Naziszene“ an, „bei einem gemeinsamen Bier ein konstruktives Gespräch zu führen“. Bier und konstruktive Gespräche sind eine feine Sache, leider können wir dem Angebot dennoch nicht nachkommen. Der einfache Grund dafür ist, dass die Hinweise darauf, dass Vietz und Tetzner weiterhin Teil der rechten Szene sind, zu schwerwiegend sind. Um uns nicht selbst zu gefährden, wählen wir daher wieder diesen anonymen Weg und bleiben solange destruktiv, bis eine glaubhafte Distanzierung von der rechten Szene erfolgt.

Ihre Glaubwürdigkeit haben die Macher der Marke „Tacheles“ mit ihrer „Richtigstellung“ unterdessen noch weiter beschädigt. Wie soll man einem Neonazi einen Ausstieg abnehmen, wenn er diesen zuvor schon (mindestens) einmal erfolglos vorzuspielen versucht hat?

Der Vollständigkeit halber dokumentieren wir nun im Folgenden den Text, den Kevin Vietz am 14. Mai 2014 auf der Facebook-Seite „Tacheles Clothing“ veröffentlichte.

„Tacheles, das heißt einfach mal das tun, das uns am Ende glücklich macht...“
Mit diesem Grundsatz begannen wir im Sommer 2012 das Modelabel Tacheles Clothing zu gründen. Schon vor der ersten Kollektion stellten wir fest, dass viele Jugendliche aber auch Erwachsene dieses Lebensgefühl mit uns teilen. Ein Lebensgefühl in dem der Faktor Geld völlig in den Hintergrund gerückt werden sollte, denn was was viele nicht glauben wollen: Geld macht nicht glücklich! Aber sollte nicht jeder Mensch glücklich sein? Doch, jeder sollte dies! Also begannen ich, Kevin Vietz und Nico Tetzner unseren Traum zum Beruf zu machen. Nico begann sofort und mit völliger Vorfreude die ersten Motive zu gestalten. Währenddessen kümmerte ich mich um eine geeignete Produktionsstätte für unsere Kleidung.
Gesagt getan, verkauften wir unsere 1.Kollektion im „Dresscode Chemnitz“. Innerhalb von nur 4 Wochen waren 250 T-Shirt verkauft, was bedeutete: AUSVERKAUFT!
Das sich die Nachfrage längst nicht nur auf Chemnitz konzentrierte, dachten wir uns: Warum das Projekt so klein lassen? Wieso nicht den Leute in und außerhalb von Chemnitz zeigen, wie viel Potential in unserer Stadt steckt, die bekanntlich vorgibt „Stadt der Moderne“ zu sein.
Ende 2012 holten wir unser Model Michél Eckert mit ins Boot, um gesteckte Ziele professionell und nachhaltig umzusetzen. Als erstes förderten wir die jungen Breakdancer aus dem Verein „Kraftwerk“ in Chemnitz. Junge und talentierte Jugendliche, welche sich innerhalb der deutschen Breakdance-Szene einen Namen gemacht hatten, aber von der Öffentlichkeit kaum beachtet wurden. Leider wurde unsere Zusammenarbeit viel zu früh beendet, wieso, weshalb und warum erläutern wir noch.
Chemnitz hat viele Talente, ob im Sport, Musik oder andere Branchen, doch kaum einer nimmt sie wahr, meist erst dann, wenn sie unserer Stadt den Rücken gekehrt haben. Das hieß für uns, trotz geringer finanzieller Mittel Talente zu fördern. Es stieß der Rapper John Readen zu uns, der gleich einen Track über Tacheles Clothing und unsere Wünsche aufnahm (Raise your Voice). Gelungener Song, gelungenes Video, viele neue sympathische Menschen kennengelernt und alle merkten: Hey, in Chemnitz ist viel möglich, wenn man mal untereinander kommuniziert und zusammenarbeitet.
Als nächstes kamen Rapper Zeus, DJ Snax und DJ Mathew hinzu. Alles engagierte Künstler, die wir bis heute so gut wie möglich unterstützen. Denn sind wir mal ehrlich, ohne diese vier Jungs wäre es in der Stadt noch viel lebloser. Beide DJ´s produzierten für die neuste Sommerkollektion ein offizielles Mixtape, welches 150mal auf CD gepresst wurde und kostenlos in unserem eigenen Store „Brand-Hunters“ erhältlich war. Aus „Dresscode“ wurde „Brand-Hunters“: Neue Besitzer, neuer Name, neues Sortiment. Und nun war noch mehr möglich: Für uns, für euch, für alle!
Wir nahmen den BMX-Flatland Profi Dustyn mit in unser Sponsoring auf, um seine Leistungen anzuerkennen, aber ihn auch bei seinen Zielen zu unterstützen.
Leider gibt es Menschen, die in unserer Arbeit einen politisch-motivierten Hintergrund sehen. Schon schlimm genug, dass diese Personen über Nico und mich (Kevin) schreiben, obwohl sie bisher kein persönlichen Kontakt zu uns hatten. Abartig wird es unserer Meinung dann, wenn ein Projekt boykottiert werden soll, welches nicht nur Leute in Chemnitz verbinden und voranbringen soll, sondern unschuldige Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz und der damit einhergehenden Existenzangst bangen müssen.
Jeder nutzt ständig solche Phrasen: „Keine Vorteile gegenüber Fremden“ oder „Eine zweite Chance hat jeder verdient“. Wir, als Tacheles Clothing versuchen dies umzusetzen. Nun soll aber genau diese tolerante, offene und erwachsene Verhaltensweise uns zum Verhängnis werden? Sicherlich nicht! Natürlich hat jeder von uns in seiner Vergangenheit kleinere und größere Fehler begangen. Aber das Wichtigste ist doch, dass man aus seinen Fehlern lernt, die richtigen Schlüsse daraus zieht und auf sein Leben anwendet. Diese Eigendynamik hat sich in unserem Team entwickelt. So konnten wir uns mit Tacheles Clothing eine eigene zweite Chance erarbeiten, durch die wir anderen Menschen bei der Verwirklichung ihrer Träume unter die Arme greifen können.
Geschützt in der Anonymität des Internets wird gezielt versucht, mit schlecht recherchierten Fakten oder gar Lügen, ein seit Jahren abgebrochenen Kontakt zur rechten Szene weiterhin aktiv scheinen zu lassen. Solche Unterstellungen sind nicht nur rufschädigten in der Öffentlichkeit, sondern verursachen unbegründete Durchsuchungen und Kontrollen durch die Polizei.
Aber warum anonym? Wenn sich der Verfasser des extra angelegten Blogs seiner Sache so sicher ist, die Fakten wahrheitsgemäß dargestellt zu haben, könnte er/sie sich öffentlich dazu bekennen.
Diese hat nicht nur zur Folge, dass der Ruf von mir (Kevin), Nico und des Unternehmens leidet, sondern die Existenz unserer Mitarbeiter gefährdet ist, viele junge Talente nicht weiter unterstützt werden können und konnten (siehe Breakdancer) und generell soziales Engagement nicht mehr möglich ist. Personen, die diese Lügen verbreiten und damit eine Unterstützung jeglicher Form unmöglich machen, haben wahrscheinlich noch nie Freude in den Augen von Jugendlichen gesehen, wenn ihre Leistung honoriert und gewürdigt wird. Wir haben diese Freude gesehen und finden es erbärmlich, dass weitere strahlende Kinderaugen verhindert werden, weil man uns den Stempel „Nazis“ verpassen möchte. Schämt euch!
Wir würden gern viele weitere Projekte unterstützen, ob es auf dem Brühl ist, um diesen kulturellen Stadtteil wieder durch soziale Projekte und Vereine aufblühen zu lassen oder eine eine stimmungsvolle Party mit den genannten DJ´s und Rappern.
Wir sind motivierte, kreative und zielstrebige Jugendliche, die in und um Chemnitz etwas bewegen möchten: Gemeinsam mit euch und nicht gegeneinander! Dies funktioniert aber nur mit gegenseitigen Respekt, offener und konstruktiver Kommunikation untereinander, frei von Vorurteilen.
Deshalb verschließen wir uns der ganzen Thematik nicht, denn nach unserer Auffassung ist ein miteinander reden respektvoller und zielführender statt ein übereinander reden.
Den anonymen Verfasser bieten wir an, den Kontakt mit uns aufzunehmen, und eventuell bei einem gemeinsamen Bier ein konstruktives Gespräch zu führen. Wir versprechen hiermit auch in ganzer Öffentlichkeit, sollte sich der Blogger bei uns melden, dass keine rechtlichen Konsequenzen folgen werden.
Bezüglich des von dem TU-Studenten S. Gruner gestrig verbreiteten Beitrages möchten wir auch ihm anbieten, sich in einem persönlichen Gespräch einen eigenen Eindruck zu verschaffen.
Mit dieser Richtigstellung betonen wir, dass unser Handeln und Denken unabhängig jeder politischen Richtung ist und bleiben wird!
Wir bedanken uns bei all denen, die an uns glauben und den Weg mit uns weitergehen!
TACHELES CLOTHING
Markt 4
09111 Chemnitz