Beim Wahlkampfauftritt von AfD-Chef Bernd Lucke in Neu-Isenburg bleibt es überraschend friedlich. Gegendemonstranten müssen ohnehin draußenbleiben.
In Neu-Isenburg wartet ein Preis auf Bernd Lucke. Dem Parteivorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD) soll ein „Goldener Gartenzwerg für Deutschtümelei“ verliehen werden. Etwa 60 junge Menschen aus Neu-Isenburg und Umgebung, die vor der Hugenottenhalle gegen die Wahlkampfveranstaltung im Innern demonstrieren, haben Lucke diese Auszeichnung zugedacht. Lucke aber möchte den Preis nicht entgegennehmen – auch wenn einige Parteimitglieder ihm gut zureden. „Das würde aber souveräner wirken“, flüstert ihm ein Anhänger zu. „Ja“, sagt Lucke, „aber das kann auch eine Falle sein.“
Es ist der einzige Moment an diesem Montagnachmittag, an dem der Spitzenkandidat der AfD ein wenig unsouverän wirkt. Wenig später wird er im großen Saal vor etwa 300 Sympathisanten und Parteimitgliedern das Europawahlprogramm seiner Partei beinahe aus dem Stegreif rekapitulieren. Für ein Europa souveräner Nationalstaaten, gegen bürokratische Gängelung aus Brüssel, gegen Einwanderung in die Sozialsysteme. „Die europäische Union muss eine dienende Funktion haben“, sagt Lucke „nicht ein herrschende“.
Ortsverband geplant
Andere würden derartige Parolen brüllen. Lucke trägt sie in einem Duktus der Selbstverständlichkeit vor, als wären seine Thesen unumstritten. Im Saal trifft das auch zu. 5,7 Prozent hat die AfD bei den Bundestagswahlen 2013 in Neu-Isenburg geholt – ein überdurchschnittliches Ergebnis. Im Kreis Offenbach hat die Partei nach eigenen Angaben 136 Mitglieder und in Neu-Isenburg nach Ansicht von Arno Groß inzwischen genug Sympathisanten, um einen Ortsverband zu gründen. „300 bis 400 schätze ich“, sagt Groß, Kandidat der AfD bei der Landtagswahl und in zwei Jahren vermutlich auch ihr Kandidat bei der Neu-Isenburger Bürgermeisterwahl. Die Gründung von Ortsvereinen wertet Bernd Lucke als Anzeichen dafür, dass seine Partei „in der Breite“ angekommen sei.
Begegnungen vor der Halle
Diejenigen, die sich mit Lucke, seiner Partei und ihren Positionen nicht anfreunden können, stehen draußen vor dem Eingang der Halle, abgeschirmt durch eine lebende Wand aus Polizisten. „Rassismus, Sexismus, AfD!“, skandieren die Gegendemonstranten. Ob es denn nicht zur Demokratie dazugehöre, andere Meinungen zu akzeptieren, wird Alice Blum, Sprecherin des Bündnisses gegen Rechtspopulismus, das zur Demo aufgerufen hat, von einer AfD-Anhängerin gefragt. „Klar“, sagt Blum, „aber in dem Moment, in dem Rassismus, Nationalismus und Sexismus propagiert werden, haben wir das Recht, das kritisch zu begleiten.“
Ein Hauch von Generationenkonflikt
Lucke wird später den Gegendemonstranten vorhalten, über die Anliegen seiner Partei „fehlinformiert“ zu sein. Die AfD-Anhänger, die vor der Halle das Gespräch suchen, machen den Demonstranten etwas ganz anderes zum Vorwurf: Ihr jugendliches Alter. „Das sind die Steuerzahler von morgen“, meint einer verächtlich. „Wie man die jungen Leute doch manipulieren kann“, wirft ein zweiter ein. Tatsächlich versprüht das Aufeinandertreffen der beiden Gruppen einen Hauch von Generationenkonflikt. Die Anhängerschaft der AfD ist im Schnitt über 50, die der Gegendemonstranten um die 20.
„Für was sind Sie eigentlich? Etwa für Schwule und Lesben“, fragt ein AfD-Anhänger eine Demonstrantin und ist ganz verdutzt, als diese das nicht als Angriff wertet. Als Bernd Lucke seine Rede beendet, ist das Gros der Demonstranten bereits abgezogen. Vielleicht kommen sie wieder. Mitte Mai will der zweite AfD-Spitzenkandidat, Hans-Olaf Henkel, in Neu-Isenburg sprechen.