Die Polizei in Plauen kesselt über Stunden hinweg Demonstranten ein, die friedlich gegen einen Neonazi-Aufmarsch protestierten, und stürmt gar eine Kirche.
"Das ist typisch sächsische Polizei“, sagt Juliane Pfeil. „Wie die mit Demos umgehen, jedes Mal einen Katastrophe.“ Die Empörung der 26-jährigen SPD-Stadträtin aus Plauen im Vogtland ist riesig: Am Donnerstag war sie auf einer Mai-Kundgebung ihrer Heimatstadt. Ein Aufmarsch von Neonazis sollte blockiert und verhindert werden. „Das ist uns auch gelungen, es ist sehr friedlich dabei zugegangen“, sagt die Plauenerin. Aber dann sei die Angelegenheit dank der Polizei aus dem Ruder gelaufen. „Unbegreiflich. Niemand in der Blockade wollte Krawall. Und dann so etwas.“
So etwas, das sind 200 Demonstranten, die über Stunden eingekesselt wurden, heulende Jugendliche und eine Kirche, die von Polizisten gestürmt und geräumt wurde. „Völlig unverhältnismäßig“, so die Stadträtin. Jährlich zum 10. April, dem Gedenktag der Bombardierung durch die alliierte Luftwaffe am Ende des Zeiten Weltkrieges, kommen Neonazis zum „Trauermarsch“ nach Plauen – ganz so, wie es in Dresden jahrelang vorgemacht worden war. Weil man in Plauen also Ärger mit Neonazis gewohnt ist, wollte man an diesem 1. Mai ein deutliches Zeichen dagegensetzen. Viele Plauener stellten sich dem Umzug von 700 Rechtsextremisten in den Weg.
Ungefähr 2000 Gegendemonstranten waren auf der Straße, ein Teil kam den Neonazis in die Quere. „Erstmals haben wir so etwas hinbekommen“, darauf ist Stadträtin Pfeil stolz. Ein Bündnis aus Bürgern, Politik, Gewerkschaften, Kirche. „Jedes Jahr dieser elende Nazi-Trauermarsch und an diesem 1. Mai erstmals eine richtige Blockade. Eigentlich war es ein rundum gelungener Demo-Tag.“ Über das, was dann am frühen Nachmittag passierte, gehen die Schilderungen auseinander: Laut Pressemitteilung der Polizei haben 200 meist vermummte Autonome aus den Reihen der 2000 Demonstranten mit Steinen und Flaschen auf Polizisten geworfen, sie hätten eine Barrikade aus Bauzäunen gebaut und Mülltonnen angezündet.
Verfahren gegen 393 Blockadeteilnehmer eingeleitet
Die Beamten hätten mutmaßliche Straftäter zur Identitätsfeststellung aus der Kirche holen müssen. Inzwischen leitete die Staatsanwaltschaft Zwickau gegen 393 Blockadeteilnehmer Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. Beim Pfarrer habe sich die Polizei für die „Irritationen“ entschuldigt.
Zwei Stunden lang soll die Polizei Demonstranten eingekesselt haben. „Ich habe selbst gehört, wie Polizisten junge Mädchen beschimpften, jetzt beginne deren kriminelle Karriere“, sagt Stadträtin Pfeil. „Wenn aus dieser friedlichen Demonstration eine teilweise gewaltsame geworden ist, ist das einzig und allein der sächsischen Polizei und dem Innenministerium anzulasten.“
Nun soll sich der Landtag mit den Vorfällen befassen. Grünen-Landeschef Volkmar Zschocke verlangte Aufklärung, „wie es zu dazu kommen konnte. Insbesondere der brutale Einsatz von Polizisten in der Pauluskirche.“ Sachsens Landesbischof Jochen Bohl übergab laut epd am Freitag in Dresden einen Protestbrief an Innenminister Markus Ulbig (CDU).
Auf Anfrage der FR teilte das Innenministerium mit, man äußere sich nicht zu operativen Maßnahmen der Polizei.