Prozess um versuchte Tötung
Das Urteil im Riegeler Neonazi-Prozess ist rechtskräftig. Staatsanwaltschaft und Nebenklage haben ihre Revision zurückgezogen – damit bleibt es beim Freispruch für den 31-jährigen Neonazi.
"Ich habe nicht damit gerechnet und weiß auch nicht, welche Hintergründe
da ausschlaggebend waren", sagt Klaus-Dieter Stark. Er ist
Pressesprecher am Freiburger Landgericht – und war einer der Richter,
die den aus der Ortenau stammenden Angeklagten im Januar vom Vorwurf des
versuchten Totschlags freigesprochen hatten.
Dieser hatte im Oktober 2011 auf dem Pendlerparkplatz in Riegel einen
Angehörigen der linken Szene mit seinem Auto angefahren und schwer
verletzt. Das Freiburger Landgericht sprach ihn im Jahr 2012 vom Vorwurf
der versuchten Tötung frei. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil jedoch auf – Ende des Jahres 2013 begann dann der zweite Prozess vor dem Freiburger Landgericht.
Der Angeklagte berief sich auf Notwehr. Pikantes Detail: Er soll, so die
Ankläger, wenige Tage vor dem Vorfall in Riegel im Facebook-Chat davon
fantasiert haben, Linke "die Klinge fressen" zu lassen.
"Die Kammer hat sich intensiv mit der Motivationslage des Angeklagten
und seiner rechtsradikalen Vorgeschichte auseinandergesetzt", erklärte
Richter Arne Wiemann im Januar. "Wenn Zweifel oder Unsicherheiten
bleiben, stellt es ein ehernes Prinzip des Rechtsstaates dar, in dubio
pro reo freizusprechen."
Das stieß auf Kritik. Einige Mitglieder der linken Szene skandierten
"Recht und Nazis Hand in Hand, organisiert den Widerstand" nach der
Urteilsverkündung – und warfen Papierschnipsel in die Luft. Aufschrift:
"Auf dem rechten Auge blind".
Nebenklage und Staatsanwaltschaft legten ein zweites Mal Revision ein.
Die ist gegen Landgerichts-Urteile das einzige Rechtsmittel – im
Unterschied zur Berufung geht es dabei nicht um neue Tatsachen oder
Beweise, sondern ausschließlich um mögliche Rechtsfehler.
Schließlich zogen beide Parteien die Revision aber wieder zurück. "Die
Prüfung des Urteils ergab, dass die Revision keine Erfolgsaussichten
hat", erklärt Ralf Langenbach für die Freiburger Staatsanwaltschaft.
Nebenkläger-Anwalt Jens Janssen hatte während des Prozesses mehrfach
Kritik an den Ermittlungsbehörden geäußert – die Beamten des Emmendinger
Staatsschutzes hatten versäumt, den Rechner des Angeklagten zu
beschlagnahmen. Er hält seine Kritik aufrecht: "Die Nebenkläger haben
die Erfahrung gemacht , dass Verfahren gegen Neonazis bei der Justiz
nicht immer in guten Händen sind, solange die Ermittlungsbehörden nicht
richtig aufklären", sagt Janssen.
Dann verweist der Freiburger Anwalt auf das Geld. Nach dem Rückzieher
der Staatsanwälte hätten seine Mandanten das volle Kostenrisiko getragen
– möglicherweise hätten sie sogar den Anwalt des Angeklagten bezahlen
müssen. "Wenn die Staatsanwaltschaft nicht mitgeht, steht man alleine im
Regen", sagt er.