Die NPD bietet wieder Mal ein desolates Erscheinungsbild. Das Führungspersonal hat sich selbst oder wurde von der Partei demontiert – lediglich der frühere Vorsitzende Udo Voigt steht unlädiert im Ring.
Von Tomas Sager
Fast hätte man den Neonazis vom „Freien Netz Süd“ recht geben müssen. Die fühlten sich dieser Tage beim Anblick der NPD an einen „stark gezeichneten Boxer“ erinnert, der „im politischen Ring von einem Seil zum anderen“ taumele. In der Tat bietet die Partei ein desolates Bild. Ihr Vorsitzender Holger Apfel wurde erst demontiert und zog schließlich von dannen, weil er sich zwei „Kameraden“ sexuell genähert haben soll. Sein Stellvertreter Karl Richter demontierte sich erst selbst durch katastrophale Wahlergebnisse in seiner bayerischen Heimat, fiel dann durch vorlaute Kritik an anderen auf und fand sich endlich in der Parteispitze reichlich isoliert und kaltgestellt wieder. Nicht besser erging es seiner „Kameradin“ Sigrid Schüßler, die versuchte, den völkisch-vorgestrigen „Ring Nationaler Frauen“ auf modern zu trimmen, damit aber NPD-Frauen – und die Partei-Männer – hoffnungslos überforderte und schließlich gar nicht erst zur Wiederwahl als Vorsitzende antrat.
Da ist der Ex-NPD-Generalsekretär Peter Marx – in der Partei ohnehin wenig beliebt wegen des ihm nachgesagten Intrigantentums und der ausgeprägten Neigung, den eigenen Vorteil nie aus dem Blick zu verlieren -, der über einen „Pornoskandal“ stolperte. Da ist der amtsenthobene Hamburger Landesvorsitzende Thomas Wulff, der immer wieder gegen die Partei-Granden pöbelte, mit Christian Worchs Konkurrenzpartei „Die Rechte“ liebäugelte und dessen allzu offenherziges und in Zeiten eines Verbotsverfahrens unpassendes Bekenntnis, er sei Nationalsozialist, das Fass zum Überlaufen brachte.
„Hoffnungsträger“ ist längst zum Problemfall geworden
Der „Boxer“ NPD ist schwer angeschlagen. Aber er hat das Kunststück fertig gebracht, sich alle Blessuren selbst zuzufügen. Kein übermächtiger Gegner musste der NPD die Wirkungstreffer verpassen, die sie orientierungslos zwischen den Seilen herumstolpern lässt. Das hat sie selbst erledigt.
Auch ihr neuer Frontmann Udo Pastörs hat das nicht verhindert. Vollmundig hatte er die Nachfolge von Apfel angetreten, eine „harte Hand“ versprochen und angekündigt, er stehe „für eine klare und harte Linie sowie Disziplin“. Doch der Demagoge Pastörs, der im Bedarfsfall das Parteivolk mit Tiraden gegen die „Judenrepublik“ und türkische „Krummnasen“ hinter sich zu bringen weiß, muss sich zurücknehmen, da das Damoklesschwert des Verbots über der Partei schwebt.
Es bleibt der Parteiverwalter Pastörs. Statt Linie und Strategie vorzugeben, muss er wie in den Fällen Marx und Wulff notdürftig die Feuer löschen, die das Gebälk zum Einsturz bringen könnten. Dabei ist der „Hoffnungsträger“ von einst selbst längst zum Problemfall geworden. Kaum war er als Apfel-Nachfolger im Amt, hatten ihn die Delegierten eines Parteitags im Januar NPD-intern auf Normalmaß zurechtgestutzt: Nicht ihn, sondern den Ex-Vorsitzenden Udo Voigt machten sie zum Spitzenkandidaten für die Europawahl.
Chancen für Voigt als Abgeordneter in Straßburg
Voigt ist derzeit einer der wenigen aus den Reihen der NPD, die unlädiert im Ring stehen. Aus den internen Streitereien hält er sich – jedenfalls soweit öffentlich bekannt - vornehm heraus. Auch die nach ihm benannten „Freundeskreise“, die im vorigen Jahr noch vehement Stimmung gegen die Parteispitze machten, sind handzahm geworden. Dieser Tage war er zum Photoshooting in Berlin unterwegs. Voigt im Zweireiher und unter strahlend blauem Himmel vor dem Brandenburger Tor und am Reichstag. „Wie immer photogen ...“, freute sich ein Facebook-Fan.
Zumindest eine Runde will die NPD in ihrem Boxfight für sich entscheiden. Die Chancen stehen nicht schlecht. Weniger als ein Prozent der Stimmen reicht am 25. Mai aus, um Voigt nach Straßburg zu befördern. Dort wird er zwar parlamentarisch nichts bewirken können. Doch ein paar kernige Reden – als Videos im Kameradenkreis verbreitet - und an die 20 000 Euro, mit denen er als Abgeordneter eine kleine Hausmacht in der Partei alimentieren kann, sind die Wahlkampfmühen wert. Voigt wäre der erste bei einer deutschlandweiten Abstimmung gewählte NPD-Kandidat überhaupt. Es wäre keine Überraschung, wenn er daraus den Anspruch ableiten würde, nun auch wieder die Geschicke der NPD direkt oder indirekt lenken zu können.
„Der III. Weg“ bremst „Die Rechte“
Dabei muss er sich auf absehbare Zeit kaum Sorgen wegen der Konkurrenz im eigenen Lager machen. Knapp zwei Jahre nach ihrer Gründung steckt Christian Worchs Partei „Die Rechte“ in ihrer ersten echten Krise. Bei der Unterschriftensammlung zur Europawahl scheiterte sie kläglich. In weiten Teilen der Republik ist die Formation gar nicht existent. Anderswo wirkt sie wie ein Papiertiger. In Niedersachsen etwa, wo zuletzt nur sechs Mitglieder an einem Landesparteitag teilgenommen haben sollen, oder Brandenburg, wo der Verfassungsschutz die Zahl der Mitglieder aktuell auf gerade einmal 20 schätzt. In Hessen stellte der Landesverband seine Arbeit ein, im benachbarten Rheinland-Pfalz ging der Landesvorsitzende von der Fahne.
Im Süden und Südwesten bremst die neue Neonazi-Formation „Der III. Weg“, die vor wenigen Tagen neue „Stützpunkte“ in der Pfalz und in Nürnberg/Fürth gründete, Worchs Expansionsdrang. Auf Querschüsse reagiert der DR-Chef dünnhäutig. Erst unlängst machte er in einer Mail an einen Landesfunktionär deutlich, für wie unwichtig er Formalien wie etwa eine Satzung („zweitrangig“) hält, wenn er seinen eigenen Machtanspruch in Gefahr sieht. Auch der Boxer Worch ist angeschlagen. Und um beim Bild des Boxsports zu bleiben: Über die Gewichtsklasse des Fliegengewichts ist seine Partei noch nicht hinausgekommen.