Am Freitagmorgen wurde eine Wohnung in der Wissmannstraße 10 unter Polizeischutz zwangsgeräumt. Etwa 100 Aktivisten protestierten gegen die Räumung und zogen in einer Spontandemonstration zum Hermannplatz – dort gab es Auseinandersetzungen mit der Polizei.
13:23 Uhr
von Timo Kather
Seit 2006 lebte Waldemar Dombrowski in der Wohnung im Seitenflügel des Miethauses Wissmannstraße 10, seit dem Freitagmorgen ist der Hartz-IV-Empfänger obdachlos. Dombrowski hatte nach eigenem Bekunden Stress mit dem Jobcenter Neukölln, mehrfach sei das Geld für die Miete nicht pünktlich überwiesen worden - und so reichte Dombrowksi das Geld erst verspätet an seine Vermieterin weiter. Die Vermieterin hätte wohl noch ein Auge zudrücken können - das tat sie aber nicht, sondern klagte auf Zwangsräumung. Zu recht, befand das Gericht.
Schon am frühen Morgen hatten sich etwa 100 Aktivisten vor dem Mietshaus versammelt. Das "Bündnis Zwangsräumung verhindern" sprach von 250 Teilnehmern.
Ihr Schlachtruf: "Hohe Miete, Zwangsumzug - davon haben wir genug". Gegen 7.00 Uhr war auch die Polizei mit 80 Beamten vor Ort und sperrte den Bereich um das Mietshaus mit Fahrzeugen ab. Im Innenhof hielten sich nach Berichten von Anwohnern etwa 20 Personen auf, um den Zugang zum Seitenflügel zu versperren. Sie wurden weggetragen.
Anwohner solidarisierten sich mit ihrem Nachbarn, auf einem Balkon wurde ein Transparent mit der Aufschrift "Wohnen ist keine Ware" aufgespannt. Die Räumung war für 8.30 Uhr angesetzt, laut dem "Bündnis Zwangsräumung verhindern" wurde der Wagen mit der Gerichtsvollzieherin aber zunächst von Aktivisten blockiert. Gegen 9.30 Uhr konnte die Gerichtsvollzieherin dann doch noch zur Tat schreiten, gegen 10 Uhr war die Zwangsräumung vollzogen.
Dombrowski selbst hatte einige wenige Habseligkeiten in einen Rucksack und mehrere Tragetaschen verpackt, nach der Zwangsräumung stand er damit zunächst auf dem Gehweg. Er sei bereit, in die Obdachlosigkeit zu gehen, erklärte er. Nach Aussage einiger Aktivisten wird Dombrowski aber wohl zunächst bei einem Bekannten unterkommen.
Nach der Räumung formierte sich ein spontaner Protestzug mit laut Polizei etwa 120 Teilnehmern und zog von der Wissmannstraße zum Hermannplatz. Dabei soll es auch zum Einsatz von Pfefferspray gegen Aktivisten und mehreren Festnahmen gekommen sein. Die Polizei konnte dies jedoch am Freitagmittag noch nicht bestätigen: "Ganz im Gegenteil, es war eine sehr ruhige Demonstration", sagte ein Polizeisprecher. Das "Bündnis Zwangsräumung verhindern" erklärte hingegen, dass der Demonstrationszug am Hermannplatz von Polizisten attackiert worden sei und es mehrere Festnahmen gegeben habe. Gegen 12 Uhr wurde die Demonstration beendet.