[LE]: „Polskaweb“-Betreiber Herbert Porsch wegen Volksverhetzung vor Gericht

Herbert Porsch, Betreiber und Chefredakteur von "polskaweb".

Seit Jahren verbreitet die “Nachrichten”-Webseite polskaweb.eu Verschwörungsideologien und antisemitische Hetze. Für zwei Artikel aus dem Jahr 2011 – “Welt Sensation: Holocaust Ikone Anne Frank überlebte” und “Anne Frank war keine Jüdin” – musste sich der Seitenbetreiber und Chefredakteur Herbert Erwin Porsch nun wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener vor Leipziger Gerichten verantworten.

 

Lange Zeit war unklar, ob “Herbert Porsch” eine reale Person oder ein Pseudonym ist. Nachdem die Staatsanwaltschaft Leipzig seinen polnischen Wohnort ausfindig gemacht hatte, erwirkte sie Anfang 2013 im Rahmen eines Amtshilfeersuchens eine Hausdurchsuchung bei ihm, im Zuge derer die für das Strafverfahren relevanten Artikel sichergestellt werden konnten – samt eines Copyright-Vermerks unter Herbert Porschs Namen.

 

Gerichtsbekannter Antisemit


Daraufhin zog der in Krefeld geborene Porsch, der zuvor acht Jahre in Polen gelebt hatte, mit seiner Partnerin, der “polskaweb”-Redakteurin Marta Galecka, zurück nach Leipzig. Porsch ist mehrfach vorbestraft, in jungen Jahren wegen Körperverletzung, Diebstahls, Einbruchs und Hehlerei; später wegen Betrugs, Urkundenfälschung, Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts.

Die letzten beiden Punkte stehen möglicherweise im Zusammenhang mit dem Bankrott der “Gartenstadt Gohlis Beteiligungs-GmbH”, bei der Porsch als Geschätsführer tätig war und eigenen Angaben zufolge sein Vermögen von 63 Millionen Euro verloren und sich hoch verschuldet habe.

 

In der oben genannten Strafsache hatte Porsch zunächst einen Strafbefehl über 130 Tagessätze à 10 Euro erhalten und dagegen Einspruch eingelegt, weshalb der Fall am 13. November 2013 vor dem Leipziger Amtsgericht verhandelt wurde. Dort behauptete Porsch, zu Unrecht vor Gericht zu stehen und die in der Anklage erwähnten Artikel nicht verfasst, wohl aber gelesen und bebildert zu haben und außerdem die letzte redaktionelle Instanz des Portals gewesen zu sein. Für dieses hätten jedoch mehrere Menschen geschrieben, die er teils nur unter Pseudonymen kenne. Mitverantwortlich für die Webseite seien Iwona Schmidt und ein gewisser Herr Werner.

 

Porsch sieht doppelt


Der Verlauf dieser Verhandlung ließ weitere Zweifel an der Vernunft des sich selbst verteidigenden Angeklagten aufkommen. Gleich zu Beginn warnte Porsch, er müsse “weiter ausholen”, wobei die Anwesenden ihn dann wegen Volksverhetzung anzeigen könnten: Seine persönliche Meinung sei, dass Anne Frank doch eine Jüdin sei, aber nicht ermordet wurde, sondern identisch ist mit der Schauspielerin Audrey Hepburn, von der er wiederum glaubt, dass sie noch lebe (verstorben 1993). Das alles habe ein Dentallabor anhand von Vergleichsfotos der Beiden mit offenen Mündern “belegt”.

 

Porsch meint, der Holocaust sei “aufgebauscht” worden, um gegen Rassismus und Nazis vorzugehen, und Anne Frank sei dafür gewissermaßen zu einer Galionsfigur gemacht worden.

Immer wieder stellte Porsch völlig absurde Fotovergleiche an, um beispielsweise zu zeigen, dass es sich bei dem Rabbiner Daniel Alter in Wahrheit um den Fernsehkoch Christian Rach handle. Dann behauptete er, dass Bergen-Belsen kein Vernichtungslager, sondern “ein Austauschlager für Amerika” gewesen sei. Porschs Verteidigung gipfelte in der erfolglosen Forderung, Anne Franks Cousin, Bernhard “Buddy” Elias, als Zeugen vorladen zu lassen. Schon zum Zeitpunkt dieser Verhandlung hatte er einige der inkriminierten Artikel, darunter die beiden oben genannten, mittels einer hochpreisigen Bezahlschranke praktisch gesperrt.

 

Mengele = Guttenberg?


Das Amtsgericht folgte schließlich dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und verurteilte Porsch wegen Volksverhetzung zu 130 Tagessätzen à 10 Euro plus Zahlung der Verfahrenskosten. Der Staatsanwalt hatte argumentiert, dass Porschs Urheberschaft an den Artikeln wahrscheinlich sei – etwa aufgrund von über den Artikeln platzierter Werbung für Bücher ähnlichen Inhalts, die Porsch und Iwona Schmidt verfasst haben. Weiterhin entsprechen die belastenden Artikel auch Porschs persönlicher Meinung, und ohnehin sei die Autorenschaft unwesentlich, weil Porsch der Chefredakteur von “polskaweb” sei.

 

Nachdem Porsch gegen das erstinstanzliche Urteil in Berufung gegangen war, verhandelte nun am 28. März 2014 das Leipziger Landgericht den Fall. Porschs Bitte um eine nicht-öffentliche Sitzung wurde abgelehnt. Der Angeklagte, abermals ohne Anwalt, folgte seiner alten Verteidigungsstrategie: Um weitere “Wahrheiten” aufzudecken, zeigte er einige Bilder von Personen mit angeblich mehrfacher Identität und verlas aus einem ganzen Papierstapel zahlreiche seiner Theorien zu Personen, die nach der Zeit des Nationalsozialismus unter anderer Identität weitergelebt hätten.

 

So sei beispielsweise Guido Knopp identisch mit John Irving, Hannelore Kohl sei Charlotte Knobloch, Adolf Eichmann und Martin Heidegger gehörten angeblich zur Roosevelt-Familie und bei Josef Mengele sei in Wirklichkeit Karl-Theodor zu Guttenberg.

 

Holocaustleugnung “übersehen”


Wieder sprach Porsch von einer “Holocaust-Industrie” und behauptete, dass die meisten Juden “in bester Laune überlebt” hätten und es viele “falsche Juden” gebe. Ausgehend von der Familie Frank konstruierte er willkürliche Verwandschaftsbeziehungen zu diversen europäischen Adelsfamilien. Bergen-Belsen sei eine “große Inszenierung” gewesen, Schauspieler_innen hätten die Fotos gestellt, teils in Doppelrollen. Beispielsweise habe Grace Kellys Mutter eine KZ-Aufseherin “gespielt”.

 

Die ihm zu Last gelegte Urheberschaft des volksverhetzenden Satzes “Einzig die Gaskammern von Auschwitz [...] kann man als Lüge aus den Geschichtsbüchern streichen” bestritt Porsch erneut, diesen Satz habe er lediglich beim Korrekturlesen übersehen. Mittlerweile habe er “das jüdische Thema komplett gelöscht von der Seite”, die 20 zahlende Mitglieder haben soll. Leugnen wolle er den Holocaust nicht, dennoch verwendete er Formulierungen wie “was passiert sein soll”, “keine Industrie in dem Sinne” und dass “die Inszenierung [...] den wahren Opfern” schade.

 

Wirre Verschwörungstheorien sponn Porsch auch über NSA und die CIA. Ebenso diffus blieb seine These, dass einige von ihm namentlich genannte Jüd_innen an seinem Kapitalverlust von 77 Millonen Euro (!) schuld seien und ihm irgendwo das “Geld abgezogen” hätten. Der anfangs amüsiert wirkende Richter bewies einen sehr langen Atem bei seinen erfolglosen Versuchen, Porsch zu erklären, worum es in dem Prozess überhaupt geht – nämlich nicht um Porschs persönliche Meinung, sondern um konkrete strafbewehrte Äußerungen. Dem Angeklagten bot er etliche Chancen, Einsicht zu zeigen zu zeigen.

 

Bitte nicht “Volksverhetzung” sagen


Aber stattdessen kam Porsch immer wieder auf seine Vergleichsfotos zurück und monierte, man wolle ihm irgendeine Gesinnung andichten und ihn in eine rechtsradikale Ecke stellen, er sei aber gar kein Rassist, aber… und so weiter. Überhaupt störe ihn der Begriff Volksverhetzung (“Maulkorbparagraph”), und da ein entsprechendes Urteil sich schlecht auf die berufliche Existenz und sein familiäres Ansehen auswirke, gab er bereits zu verstehen, es anzufechten.

 

Seine Bitte an das Gericht, wenigstens den Straftatbestand im Urteil anders zu nennen, blieb aber erfolglos. Die Berufung wurde verworfen, das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts bleibt also bestehen. Porsch kündigte an, in die nächste Instanz zu gehen, dann wieder ohne Anwalt. Seine “Arbeit” wolle er zwar nicht weiterbetreiben. Aber begriffen hat er nicht viel. Auf das Plädoyer des Staatsanwaltes erwiderte er: “Dass Sie mir hier Betrug anhängen wollen, das finde ich absolut nicht in Ordnung, das macht man nicht.” Betrug war nicht der Vorwurf.

 

Die Webseite polskaweb.eu ist nach wie vor online, wird allerdings seit Mitte 2013 kaum noch aktualisiert. In den öffentlich zugänglichen Artikeln finden sich bis heute nicht nur zahllose haarsträubende Verschwörungstheorien, sondern auch Verweise auf die gesperrten Artikel, die Gegenstand des laufenden Verfahrens sind. Mit der von Porsch eingelegten Revision wird sich das Oberlandesgericht Dresden befassen.