Unter
dem Motto "Europa erwache!" luden die "Jungen Nationaldemokraten" am
22. März 2014 zu einem "Europakongress" in das thüringische Kirchheim
ein. Obwohl etwa 130 (ca.150 mit Redner_innen usw.) Faschist_innen aus
ganz Europa anwesend waren, war die Veranstaltung im geräumigen Hotel
"Romantischer Fachwerkhof" nicht ausverkauft. Ein weiterer Misserfolg
für die Veranstalter_innen war die Abwesenheit einiger eingeladener
europäischer Gäste. So hatten eingeladene Mitglieder des ukrainischen
"Rechten Sektors" angeblich keine Einreisevisa bekommen.
In Wahrheit
hat sich ohnehin das Interesse an den faschistischen Revoluzzern vom
Maidan verringert. Grund hierfür ist die nach Meinung vieler hiesiger
Faschist_innen zu positive Haltung zur EU in der Ukraine. Auch Vertreter
der griechischen Nazipartei "Goldene Morgenröte" blieben dem Treffen
fern, mutmaßlich aufgrund des ihnen bevorstehenden Verbotsverfahrens und
der Repression im eigenen Land. So blieb die Teilnehmer_innenzahl weit
unter dem erwarteten Ziel der Veranstalter der Kongress musste bis
zuletzt eifrig beworben werden.
Seit
1994 haben die "Jungen Nationaldemokraten" wiederholt und zeitweise
jährlich "Europäische Kongresse der Jugend" veranstaltet, deren Ziel die
Schaffung einer "Nationalistischen Einheitsfront" war, was jedoch
scheiterte. Zuletzt fand ein ähnlicher Kongress im Februar 2007 in den
trostlosen Räumen des "Deutsche Stimme Verlags" in Riesa statt.
Zu Gast waren am Samstag Nazis von Parteien und Organisationen aus ganz Europa, darunter Frederik Hagberg von "Nordisk Ungdom", Eric Lamprecht von der tschechischen Nazipartei DSSS und Fabio Di Martino, "Casa Pound"-Aktivist und Vertreter der italienischen, faschistischen Student_innenorganisation "Blocco Studentesco".
Darüber hinaus waren Redner_innen von der "Danskernes Parti" (Redner: Daniel Carlsen), der belgischen "Nationalistischen Studentenvereinigung" NSV, der "Partei der Schweden" (Svenskarnas Parti) (Redner: Dan Eriksson) und der verschwörungstheoretischen "Europäischen Aktion" anwesend.
Die "Identitäre Bewegung Deutschland" nahm trotz zwischenzeitlicher Distanzierung ebenfalls teil. Als Redner für die "IBD" trat Markus Willinger aus Freiburg im Breisgau auf.
Stargäste der Veranstaltung waren Nick Griffin von der "British National Party" sowie Dr. Olaf Rose und Udo Voigt,
die Spitzenkandidaten der NPD zur diesjährigen Europawahl. Als Redner
für die dänische "Danskernes Parti" trat Daniel
Carlsen auf. Für die Splitterpartei "Svenskarnas
parti" ("Partei der Schweden") erschien Dan
Eriksson. Aus den Reihen der "Partei der Schweden" stammt
auch Andreas Carlsson, der zusammen mit anderen Parteikameraden auf dem
Maidan war und nach einem Messerangriff
auf Antifas in Malmö derzeit in Schweden wegen Mordversuchs
per Haftbefehl gesucht wird. "Revolutionserfahrung" auf dem Kiewer
Maidan-Platz hat auch Fredrik Hagberg,
anwesender Vertreter der schwedische Nazipartei "Nordisk Ungdom". Was einigen dieser Organisationen an Wahlstimmen im jeweiligen Land fehlt, machen diese durch ihre Gewaltbereitschaft wett.
Der "Europakongress" gilt außerdem als Auftakt für den NPD-Europawahlkampf, denn durch den Wegfall der Drei-Prozent-Hürde kann die NPD erstmals auf Mandate im Europaparlament hoffen. Gegenstand der meisten Vorträge war die Schaffung eines gemeinsamen Bündisses verschiedener Nazis aus ganz Europa, das rechts der etablierten nationalistischen Parteien im Europaparlament stehen soll. Musikalisch umrahmt wurde der Abend u.a. vom "Liedermacher" "Piattmar" alias Jan Häntzschel, JN-Aktivist aus Mittelsachsen und Sänger der Leipziger Naziband "Thematik 25". Gesponsort wurde die Veranstaltung unter anderem von den neonazistischen Musiklabels "OPOS Records" (Dresden) und "PC Records" (Chemnitz).
Aus Leipzig waren die Neonazis Alexander Kurth und David Dschietzig anwesend. Weiterhin ließen sich Karsten Promnitz (Neukieritzsch), Manuel Tripp und Sebastian Oehme
(beide Geithain) aus dem Landkreis Leipzig blicken. Den JN-Kongress
besuchten zudem die nordsächsischen Neonazis Kai Rzehaczek, Paul Rzehaczek, der aus dem Westerwald zugezogene Alexander Kerper sowie die Nachwuchsnazis Alexander Spogat und John-Maurice Stiebing.
Als Ordner fungierte neben dem sächsischen JN-Vorsitzenden Paul
Rzehaczek u.a. der auch als Fotograf tätige Rick Ischner aus Mittelsachsen.
Ungefähr
200 Menschen protestierten fast unmittelbar vor dem Hotel gegen die
Naziveranstaltung, darunter das "Bündnis gegen Rechtsextremismus in
Arnstadt", MOBIT und Redner_innen verschiedener Vereine, Parteien und
Gewerkschaften (Vernetzung thüringischer Demokraten mit Courage, Linke,
SPD, Ver.di). Weiterhin waren neben autonomen Antifaschist_innen aus
Thüringen auch Antifas aus Sachsen angereist, unter anderem aus Leipzig,
wo der JN-Kongress anfänglich vermutet worden war.
Das
Hotel "Romantischer Fachwerkhof" war mit einer Reihe Hamburger Gittern
und Erfurter BFE-Cops gesichert. Zudem hatten die Cops auf der Straße
neben der Gegenkundgebung eine weiße Trennlinie gezogen, an die sich
alle Protestierenden zu halten hätten, worauf auch von den Ordner_innen
hingewiesen wurde. Das Übertreten der Linie könne "nämlich Stress mit
der Polizei nach sich ziehen". Die Unsinnigkeit und Willkür dieser Linie
begriffen schließlich auch die Anwohner_innen, mit denen wir somit ins Gespräch kamen.
Sie beklagten sich über den Gasthof und seinen Nazi-Besitzer, der
bereits in der Vergangenheit mehrere Dorfbewohner_innen bedroht habe.
Die Zivillgesellschaftliche Kundgebung wurde von 9:00 Uhr bis 14:00 Uhr von den Kirchheimer_innen angemeldet.
Rund
30 Antifaschist_innen entfernten sich kurzzeitig von der
zivilgesellschaftlichen Kundgebung, um die von den Nazis genutzte
Zufahrtsstraße zu blockieren. Diese war zu dem Zeitpunkt noch nicht
durch die Cops gesichert. Dank überforderter Cops gelang dies anfangs
relativ gut, jedoch versuchten ankommende Nazis Antifaschist_innen
anzufahren, was ihnen allerdings nicht gelang. Im Gegenzug wurden die
Autos der Faschos verschönert. Die Blockade der Zufahrt musste jedoch
nach wenigen Minuten beendet werden, da die Cops und Nazis in Überzahl
versuchten Antifaschist_innen anzugreifen.Gegen 11:00 Uhr verbreitete
sich die Nachricht, dass im 1 km weit entfernten Eichsleben ein DGB Bus
mit Steinen von Nazis angegriffen wurde.
Daraufhin
meldeten später Antifaschist_innen eine Spontandemonstration durchs
Dorf an, an der sich die Zivillgesellschaft mit großer Freude
beteiligte. Von den Erfurter BFE-Cops begleitet, startete der Aufzug
gegen 12:00 Uhr auf dem Dorfplatz, wo er auch um ca 12:30 endete. Selbst
ältere Kirchheimer_innen beteiligten sich und riefen Parolen à la
"Alerta, Alerta Antifascista" und "Siamo tutti Antifascisti". Viele der
Anwohner_innen freuten sich über die Unterstützung von den angereisten
Antifaschist_innen und erhoffen sich auch in Zukunft mit unserer Präsenz
und weiteren Aktionen rechnen zu können.
Das
Hotel "Romantischer Fachwerkhof" konnte sich seit Februar 2009 zu einem
bundesweiten Dreh- und Angelpunkt der hiesigen Naziszene etablieren.
Zuvor hatte dort am 15. März ein Landesparteitag der NPD Thüringen
stattgefunden und es wurden regelmäßig Nazikonzerte abgehalten. Vom
Hotelinhaber gern gesehen, fühlen sich die Nazis in dem Dorf nahe Erfurt
offenbar besonders sicher. Davon zeugt nicht zuletzt ein am Gasthof
angebrachtes spöttisches NPD-Transparent: "Wir bedanken uns für die
Gastfreundschaft in Kirchheim - NPD".
Die
Konsequenz dessen muss sein, diese Sicherheit zu zerstören - in
Kirchheim und anderswo. Wir werden Kirchheim auch in Zukunft im Blick
behalten und gegebenenfalls antifaschistisch intervenieren, um
Antifaschist_innen in der Provinz zu unterstützen und den Nazis
entschlossen entgegenzutreten.
Bilder der Nazis
Hier finden sich zahlreiche Schnappschüsse der Nazis:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/109404