Die Gegner von Luxus-Bauprojekten gehen in Berlin immer skrupelloser vor. Mit "Fahndungsplakaten" und gar Morddrohungen versuchen sie, Stimmung gegen die Investoren zu machen.
Seit 30 Jahren arbeitet Klaus-Peter Hoer als Makler, aber das hat er noch nie erlebt: Vor einer Woche haben Unbekannte im Berliner Stadtteil Friedrichshain Flugblätter mit einem Foto von ihm an Ampelmasten aufgehängt. "Warnung" steht über dem Bild, das die Verfasser aus dem Internet gezogen haben. Darunter in Rot und Schwarz: "Dieser Mann will Ihren Lebensraum zerstören." Er sei für ein Luxusbauprojekt verantwortlich, das Anwohner verdränge, Freiräume vernichte und den Kiez "zerstöre". Es folgen Hoers Name und seine Handynummer. "Ich bin fassungslos", sagt der Makler. Er will Strafanzeige erstatten.
Hoers "Vergehen" besteht darin, dass er für den Vertrieb eines neuen Bauprojekts zuständig ist. In einem Friedrichshainer Wohngebiet sollen auf einem Brachgelände 47 Eigentumswohnungen entstehen. Der Kaufpreis: zwischen 3500 und 4100 Euro pro Quadratmeter. Für einige Aktivisten aus dem linken Spektrum ist das Anlass genug, um dem Projekt den Krieg zu erklären.
Es ist nicht der erste Fall. 2009 wurde auf ein Loftgebäude in Kreuzberg ein Brandanschlag verübt. Anwohner bemerkten das Feuer an der Fassade gerade noch rechtzeitig, es entstand nur Sachschaden.
Die Täter hatten auf die Fassade des sanierten Fabrikgebäudes zudem den Spruch "Yuppi-Schweine – Schüsse in die Beine" geschmiert. Insgesamt registrierte die Polizei damals rund 50 Straftaten, die sich gegen hochwertige Wohnobjekte und Bauvorhaben wandten. Wie viele es inzwischen sind, lässt sich nicht feststellen: Die Attacken werden in der Statistik nicht mehr gesondert ausgewiesen.
Immer häufiger Hass auf konkrete Personen
Das ebenfalls in Berlin-Kreuzberg befindliche Luxuswohnprojekt CarLoft, in dem ein Auto auf der Ebene des Appartements geparkt werden kann, ist regelmäßig Zielscheibe von Stein- und Farbattacken. Dort haben die Eigentümer inzwischen einen Wachschutz vor dem Haus organisiert. Vergangenen Sommer wurde ein noch unfertiger Neubau im Ortsteil Friedrichshain angezündet. Auch hier konnten Anwohner die Polizei verständigen, bevor das Feuer übergriff. Die Initiative "Medienspree versenken" richtet sich gegen Vorhaben, das Spreeufer mit Büro- und Hochhauskomplexen zu bebauen.
In linksautonomen Internetforen werden regelmäßig Erfolgsmeldungen über Vandalismus und Attacken gegen angebliche Luxusobjekte gefeiert. Im Visier sind dabei nicht nur Bauprojekte, sondern auch Restaurants, Bars und Läden, die angeblich auf "Yuppies" ausgerichtet sind.
Die "BerlinerListe – Mieter*innen stressen zurück" ruft unter dem Stichwort "Eigentum ist Diebstahl" zu "kreativen Aktionen gegen Verdrängung" auf. Wie die aussehen können, ist im Logo erkennbar. Dort sind unter anderem eine Sprayflasche, ein Farbpinsel und ein brennender Mülleimer abgebildet. Für den 22. März wird ein "Aktionstag gegen Repression" mit einer unangemeldeten Demo angekündigt ("Ort wird noch angegeben"). Als Kontakt gibt es nur eine anonymisierte E-Mail-Adresse.
Immer häufiger richtet sich der Hass auch gegen konkrete Personen, insbesondere Makler und Investoren. Der Unternehmer Maik Uwe Hinkel, Bauherr eines umstrittenen Luxuswohnprojekts an der East Side Gallery, erhielt nach Angaben seines Sprechers Morddrohungen. In einem anderen Fall musste ein Investor um Polizeischutz bitten.
Rechtliches interessiert die Militanten nicht
"Das sind kriminelle Methoden", sagt der Unternehmer Gerhard Köhne, der seit 20 Jahren Bauprojekte in Berlin betreut. Auch das Friedrichshainer Projekt, dessen Makler Hoer per Flugblatt attackiert wurde, gehört dazu. Köhne kennt sich mit Diskussionen mit aufgebrachten Anwohnern und zähen Verhandlungen über ein Projekt aus. Aber das, was sich in jüngerer Zeit in einigen Teilen Berlins abspielt, hat auch für ihn eine neue Dimension.
Er selbst realisiere nur Projekte, für die er auch "volle politische Unterstützung" erhalte, betont Köhne. "Wenn es Widerstand gibt, kaufe ich das Grundstück gar nicht erst." Im Fall der Friedrichshainer Eigentumswohnungen hatte er die Baugenehmigung innerhalb von fünf Wochen, nachdem er alle Unterlagen eingereicht hatte.
Doch die rechtliche Lage interessiert die militanten Baugegner nicht. Während in Bürgerinitiativen viele betroffene Anwohner ihren Protest gegen solche Projekte mit friedlichen Demonstrationen und Petitionen zum Ausdruck bringen, wird im Schutz der Anonymität des Internets ungezügelt Hass propagiert.
Gentrifizierung lautet das Schlagwort. Der aus der Stadtentwicklung stammende Begriff beschreibt die Veränderung von boomenden Großstadtvierteln, in deren Folge es weitgehend zum Austausch der Bevölkerung kommt. Besserverdienende Zuzügler ersetzen die weniger gut verdienenden Altbewohner, die aufgrund steigender Mieten und Lebenshaltungskosten umziehen müssen.
Preise in der Hauptstadt steigen enorm
Dass die Auseinandersetzung in Berlin erbitterter als in anderen Großstädten geführt wird, führt der Berliner Stadtplaner Ares Kalandides auf verschiedene Gründe zurück: "Wir erleben hier gerade eine Immobilienblase", sagt der in Athen geborene Metropolenforscher, der seit 1990 als Planer in Berlin arbeitet: "Obwohl das Einkommen der Berliner seit Jahren stagniert, gehen die Preise so hoch, dass sie sich durch die reinen Marktkräfte nicht mehr erklären lassen."
Das liege zum einen an der Immobilienflaute Ende der 90er-Jahre, die Berlin wegen der hohen Renditemöglichkeit für Investoren besonders attraktiv gemacht habe. Zum andern sei die Hauptstadt in den vergangenen fünf Jahren besonders interessant für das internationale Kapital geworden: "Menschen aus Krisenländern wie Griechenland leeren ihre Sparkonten, um ihr Geld in Form einer oft überteuert eingekauften Immobilie in Berlin zu retten", sagt Kalandides. "Damit heizen sie den Markt auf."
Die Folge: Ganze Stadtviertel verändern ihren Charakter. Oft siedeln sich mit finanzkräftigeren Käufern und Bewohnern auch teurere Läden an. Kalandides kann die Wut und Verunsicherung derjenigen, die sich verdrängt fühlen, verstehen.
Aber nicht, dass sich der Hass gegen die Investoren, Makler und Neubewohner richtet. "Es ist Aufgabe des Senates, ein Gleichgewicht zwischen Investitionsmöglichkeiten und einem kontrollierten Wohnungsmarkt zu schaffen." Dies sei durch eine massive Privatisierungspolitik zerstört worden: "Eigentlich müsste der Senat Adressat der Wut sein."
"Was für ein perverser Blick"
In diesem Punkt sind sich Kalandides und der Investor Köhne einig. "Das Land kann mit landeseigenen Instrumenten den Wohnungsbau steuern", sagt auch Köhne. "Man kann nicht von einem Privatinvestor verlangen, dass er sozialen Wohnungsbau auf eigene Kosten betreibt." Für ihn seien ständig neue Bauauflagen und Mietpreisbremsen eine "politische Gentrifizierung, die viel gravierender ist als private Bauprojekte". Sinnvoller sei es, Mieter zum Beispiel durch eine Erhöhung des Wohngelds "konkurrenzfähiger" zu machen. Wenn hier nichts geschehe, würden sich die Probleme weiter zuspitzen, ist Köhne überzeugt.
Wie aufgeheizt die Stimmung ist, hat der Stadtplaner Kalandides kürzlich selbst zu spüren bekommen. Da führte er eine deutsch-israelische Besuchergruppe durch seinen Wohnbezirk Prenzlauer Berg, um dieser die Stadtentwicklung vor Ort zu erläutern. Einer Horde angetrunkener Halbstarker passte das nicht. Die pöbelte die Besucher so lange an, bis diese weiterzogen.
Noch heute ärgert sich Kalandides über den Vorfall. "Für die ist jeder, der von außen kommt, der Böse", sagt er über die Jugendlichen. "Was für ein perverser Blick." Und der, fürchtet der Stadtplaner, wird noch eine Weile anhalten. "Die Immobilienblase wird platzen, aber niemand weiß, ob in fünf oder in zehn Jahren", sagt der Stadtplaner und prognostiziert: "Bis dahin werden sich die Kämpfe zuspitzen."