Nationalsozalistischer Tötungsvorsatz und Vollgas-Fahrt endet zum 2. Mal im (Notwehr-) Freispruch - Vollgas für Nazitäter nicht nur in Südbaden?

Erstveröffentlicht: 
31.01.2014

Für die 1. Schwurgerichtskammer des Freiburger Landgerichtes war es die nicht von ihr ausschliessende „Angst“ und „Panik“ , die der Ortenauer Nazi Florian Stech 12 Tage nach seiner Vollgasfahrt reklamierte, die zu einem entschuldigenden Notwehrexzess führte. So der Freispruch im Sommer 2012

 

Für die 3. Strafkammer des Freiburger Landgericht war es sowohl eine adäquate, alternativlose Verteidigungshandlung des Nazi Stechs als er mit 27-28 km/h auf einer sechs Meter breiten Strasse am 1.10.11 in eine anlaufende 5-köpfige Gruppe politischer Gegner fuhr und dabei maximal 1,5 Sekunden Reaktionszeit für die hügelaufwärts Laufenden zu lassen. Von denen gelang nur vieren teilweise in der letzten Sekundenbruchteilen zur Seite zu springen, dem Schwerverletzten Alexander K. aber nicht.

Während die vorsitzende Richterin der 1. Schwurgerichts-Kammer, Dr. Eva Kleine-Cosak, den Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ auf der Ebene der schuldausschliessenden Panik anwendete, war in der mündlichen Urteilsbegründung des vorsitzenden Richters der 3. Strafkammer, Arne Wiemann der Zweifel – in Folge der Rechtssprechung des BGH – auf der Ebene des von der 3. Kammer nicht gänzlich ausschliessbaren „Verteidigungswillens“ angesiedelt.
Dieser subjektive Wille , da liess die Kammer keinen Zweifel, war zwar einerseits durch die nachweisliche nationalsozialistischer Gesinnung des Stech, die gerade auch die Tötung der Antifaschistinnen in Kauf nahm, auch am Abend dieses 1. Oktober geprägt. Dies bekundete auch für das Gericht Stech unbestreitbar mit den Worten deren Verletzungen oder gar Tod seien „sei ihm letztlich egal“ gegenüber einem beherzten Zeugen, der ihn auch zwang sich gegenüber dem polizeilichen Notrufbeamten zu rechtfertigen.
Allerdings überrascht doch sehr, wie das Gericht seine Restzweifel am möglicherweise doch vorhanden „Verteidigungswillen“ begründet sieht.

Ausgehend von der banalen Feststellung des Pflichtverteidiger Ulf Köpcke „Es ist ein Unterschied im Computersessel mit Nazikumpeln Mordfantasien in Notwehrlagen vorwegzunehmen und einer realen Situation wie auf dem Pendlerplatz zu Riegel“

  • bekundet das Gericht zum einen seine Überzeugung, dass Stech nur die durchfahrenden Staatsschützer bemerkt habe. Nur diese hätten Ihn zum umparken veranlasst, obwohl er sie bereits schon beim Herunterfahren vom Bahlinger Sauseplatz der Brüder Adler – Zweck war ja Geldbeschaffung für die von Stech organisierte Demo zur Feier der Deportation der badischen Juden - bemerkt, gemeldet und als unbedeutend betrachtet hatte. Für das Gericht ist zugleich aber nahezu ausgeschlossen, daß die doppelte, langsame Durchfahrt der Antifa, mit möglicher wechselseitiger Erkennung der Grund war, den Umparkvorganges seines Mitsubishis an der Ausfahrt vom P+R Platz in Richtung der Brücke von der die Antifas zu erwarten waren, vorzunehmen,

  • der von den Nazikumpels, die Stech unverzüglich nach seinem Umparkvorgang informierte und mit denen er erkennbar wohl bis zum zu seinem Kontakt mit den Staatsschutzbeamten Schnaiter/Hochstein nach (!) der Verletzung per Vollgasfahrt in Kontakt blieb, gehörte Ausspruchsversion „da kommen die Zecken, ich muss weg“ als Beleg für seine vermeintliche Überraschung über deren Auftauchen

  • eigenartig auch, dass ein von niemanden sonst bemerkter, nur im Protokoll der Stechschen Vernehmung 11 Tage nach seiner Tat auftauchender Schlagstock neben dem von Stech tatnah gesehenen Pfefferspraybehälter nun als für Stech tauglicher Angst- wie Verteidigungswillen-Auslöser in der mündlichen Begründung auftaucht, aber sonst gar nicht in der 2. Hauptverhandlung in Erscheinung getreten war!


So sehr also einerseits nach der Überzeugung der 3. Kammer – im Gegensatz zu der der 1. Kammer – die nationalsozialistische Überzeugung des Stechs und der bedingte Tötungsvorsatzes beeindrucken mag, so wenig überzeugt die logische Kohärenz in der Argumentation in konkreter Auseinandersetzung - s.o. - mit den die nicht ausräumbaren Zweifel an Resten eines bei Stech angeblich vorhandenen „Verteidigungswillen“ indizieren sollen. Eher könnten diese „Strohhalme“ auch zu einer umgekehrten Überzeugung führen – nämlich der agressiven Ausnutzung der dann eintretenden Notwehrlage, der von Ihm bereits zuvor bemerkten Antifas.

Diese logische Inkohärenz des Gerichtes macht sich auch in der mündlichen Bewertung des Tatgeschehens als geeignete Verteidigungsverhandlung bemerkbar:

  • dem bekennenden Nazi Stech wird für den nicht aufgeklärten(!) Fall des offenen Fensters des Autos die 4,5 Sekunden Betätigung des elektrischen Schliessers im Start- und Anfahrvorgang des Mitsubishis als unzumutbar zugebilligt

  • dem Schwerverletzten aber werden die festgestellten maximal 1,5 Sekunden oder maximal 9 m Entfernung des mit 28 km/h in der Linkskurve von Stech gesteuerten Mitsubishi ab dem er erkennen konnte, dass in dieser in Gruppe fahren würde, zugerechnet. Trotz gegenteiliger Sachverständigenäusserung (Reaktion bis zu 2 Sekunden möglich). Folglich eine nicht adäquate Reaktion des Verletzten für das Gericht, die Stech auch nicht vorhersehen brauchte!
    Obwohl mindestens drei weitere aus der Gruppe wie auch unbeteiligte Zeugen plausibel schilderten, sich nur Sprünge nach recht und links im letzten Moment („spritzten“) konnten. Nur so konnten Sie sich selbst von der Erfassung durch den von Stech gesteuerten Wagen verschonen.
    Bei der Strassenneigung – bergauf – in Laufrichtung, der vom Gericht gesehenen (links)mittigen (!)Position des Schwerverletzten (die anderen 3 links 1 rechts), ist die Annahme des Gerichtes es hätte für den Verletzten nur eines „energischen Schrittes nach rechts zur Seite“ bedurft , eine Annahme bar jeder tatsächlichen Überzeugungskraft.

  • Diese Annahme einer adäquaten Verteidigungshandlung wird dabei um so unüberzeugender als nach den tatsächlichen Annahmen des Gerichtes, die die für Stech so dramatisch den gefährlichen Angriff konkretisierenden Antifaschistinnen – bergauf laufend -maximal 3-5 m bzw. ein Viertel der ursprünglichen Distanz (19m) zurückgelegt hatten. Stech demgegenüber fuhr mit seinem von ihm auf 27-28 km/h beschleunigter Mitsubishi aber bereits dreiviertel der Distanz. Nach der wechselseitigen Kenntnisnahme ab dem Steg über die Alte Elz . Abgesehen von einer Vielzahl von anderen Fahrmöglichkeiten wie -arten (Licht und Hupen z.B.) ist dies kaum als eine für unbefangene Beobachter nachvollziehbare adäquate , weil geeignet scheinende Verteidigungshandlung.

Nach dem offenbar erwarteten Freispruch wurde die Urteilsbegründungen mit von einem Teil des Publikums skandierten Parolen „ Justiz und Faschisten – Hand in Hand“ und dem Wurf von Konfettei bedruckt mit der Losung „AUF DEM RECHTEN AUGE BLIND“ im Gerichtssaal kurzfristig unterbrochen.
Für den Beobachter beider Hauptverhandlungen erscheint es eher so, daß die von der 3. Kammer reklamierten Grenzen in der Erforschung subjektiven Willens des Nazi Florian Stech und deshalb die ihm vom Gericht zu billig baren Zweifel vielmehr eher als willkommene Folie für künftige von nationalsozialistischen Motiven getragenen Tötungsdelikte vorzüglichst zu taugen scheinen. Stechs zufriedenes Grinsen bei der Bestätigung gerade seiner Notwehrkonstruktion unterstreicht dies.

Es verbleibt die Erkenntnis, daß sich das bundesdeutsche Normalniveau im Umgang mit nazimotivierten (Tötungs-)Tätern - trotz NSU - wie bei den 137 von Amnesty untersuchten Tötungen von Obdachlosen durch nationalsozialistisch beeinflusste Täter - nun auch in Freiburg voll durchgesett hat. Auch und gerade bei vermeintlich von Polizei und Gesellschaft angeblich voll kontrollierten Nazi-Tätern wie sie  ausgerechnet das Emmendinger Staatsschutzdezernat betreut.
(kmm 31.1.2014)