Die Bewohner der Hauptmann-Schule geben sich ab sofort Regeln. Der Müll soll weg. Wie es mit dem besetzten Gebäude weitergehen soll, weiß aber noch niemand. von Fatina Keilani.
Ein offener Reisekoffer liegt im Hof, leer. Drum herum weiterer Müll, leere Flaschen, Stühle, Schuhe. Wir sind an der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg, die von Roma-Familien (erster Stock), Frauen verschiedener Herkunft (zweiter Stock), Flüchtlingen aus Afrika und deutschen Obdachlosen bewohnt wird. Der weggeworfene Koffer ist ein gutes, wenn auch kein schönes Symbol für die Situation: Eine Rückreise ist wohl nicht geplant.
Das Problem muss also hier gelöst werden. Derzeit hat sich die Lage verschärft. Es stehen an drei Stellen im Hof Baugerüste, die als Fußgängertunnel gedacht sind. Denn die Bewohner des Hauses werfen ihren Müll einfach aus dem Fenster – auch Sperrgut, volle Windeln, Plastikflaschen voll Urin, Essensreste, Mobiliar.
„Wenn wir montags kamen, lag der Hof voller Müll, das war unangenehm, aber wir haben es hingenommen“, berichtet Astrid Leicht von der Beratungsstelle Fixpunkt, die in dem Komplex ihre Geschäftsstelle und zwei Projekte der Suchthilfe unterhält. „Als dann eine Mitarbeiterin um ein Haar einen spitzen Holzgegenstand an den Kopf bekommen hätte, war für uns die Grenze erreicht.“ Fixpunkt stellte die Mietzahlungen an den Bezirk ein und bestellte die Gerüste.
„Die Bewohner sehen ein, dass Regeln und eine Form von Kontrolle nötig sind“
Jetzt soll Besserung eintreten. „Die Bewohner sehen ein, dass Regeln und eine Form von Kontrolle nötig sind“, berichtet Sascha Langenbach, Sprecher des Bezirksamts. Seit Mittwoch gebe es fünf Ansprechpartner unter den Bewohnern des Hauses – einen für jede Gruppe, das heißt je einen für die Roma, für die Frauen und für die Nord-, West- und Ostafrikaner. Gemeinsam mit einem privaten Sicherheitsdienst sollen sie für Ordnung sorgen und auch die Müllentsorgung aus dem Fenster unterbinden. „Weitere 25 Bewohner haben sich gemeldet, weil sie ebenfalls Verantwortung übernehmen wollen“, sagt Langenbach. Die Ansprechpartner seien in der Regel drei- bis viersprachig und hätten eine gute Schulbildung.
Langenbach wies darauf hin, dass es auf den Etagen der Frauen und der Roma keinerlei Hygienemängel gebe: „Es ist ein reines Männerproblem.“ Aber eines, das schon angesichts der über 200 Bewohner des Hauses nicht länger ignoriert werden kann.
Was wird aus den Flüchtlingen und dem Haus?
Die grüne Abgeordnete Canan Bayram hält wöchentlich Sprechstunden in der Hauptmann-Schule ab und kümmert sich um die Probleme der Bewohner. Sie nimmt sie gegen Vorwürfe in Schutz. Vergangenen Freitag habe sie einfach mal angefangen aufzuräumen, und schnell halfen 30 Leute mit, berichtet Bayram. Was wird nun aus den Leuten und dem Haus? Dazu kann niemand etwas Gültiges sagen. Es gibt offenbar ständig Gesprächsrunden und runde Tische. Die Senatsverwaltung für Integration verweist an die Integrationsbeauftragte, die wiederum sieht den Bezirk als zuständig an.
Für die Immobilie mag das stimmen, aber was ist mit den Flüchtlingen? Über ihren weiteren Aufenthalt entscheidet – wer? „Wenn man in Deutschland bleiben will, beantragt man eine Aufenthaltserlaubnis“, sagt die Integrationsbeauftragte Monika Lüke. Das trifft auf die wenigsten Hausbewohner zu. Einige von ihnen sind EU-Bürger und haben bestimmte Rechte, die meisten Schwarzafrikaner sind entweder Lampedusa-Flüchtlinge, die sich frei bewegen können und als Asylbewerber anerkannt sind, oder sie sind bereits gültig abgelehnt und müssten ausreisen, oder ihr Verfahren läuft noch. „Ich weiß nicht, wer in welchem Verfahren ist“, sagt Lüke. Da ist sie nicht die Einzige. Um die Hausbewohner zu beraten, sollen demnächst Projekte freier Träger in das Haus einziehen. Dafür müssen aber erst Räume frei werden; einen Zeitrahmen gibt es noch nicht.