In den deutschen Medien wird viel Verständnis für rechte ukrainische Organisationen gezeigt, selbst wenn sie äußert gewalttätig auftreten. Von Peter Nowak.
Es ist erst ein paar Wochen her, da war in Deutschlands Medienlandschaft die Aufregung groß: Weil eine Demonstration der außerparlamentarischen Linken unfriedlich endete, sah man schon die Demokratie in Gefahr. Von Chaoten und Straftätern war die Rede, die kein Recht haben, sich auf das Demonstrationsrecht zu berufen.
Wenn dann gar einige parlamentarische Linke und Liberale fragten, ob denn die Polizei mit ihrem wenig deeskalierenden Verhalten nicht auch eine Mitverantwortung an der Gewalt trage, gerieten diese schnell in Verdacht, womöglich Sympathisanten der Gewalttäter zu sein. Vor einigen Tagen nun flimmerten Bilder über Straßenschlachten in Kiew über die Bildschirme, gegen welche die Hamburger Auseinandersetzungen kleine Scharmützel waren. All das, was manche Politiker und Boulevardmedien in die Hamburger Ereignisse hineininterpretierten, in Kiew konnte man es sehen.
Die Bilder zeigen, dass es nicht übertrieben ist, von bürgerkriegsähnlichen Zuständen zu reden. Demonstranten waren am Sonntag mit Holzknüppeln, Brandsätzen und Feuerwerkskörpern gegen die Miliz vorgegangen. Sie warfen auch mit Steinen. Zahlreiche Einsatzfahrzeuge der Sicherheitskräfte gerieten in Brand.
"Regierung holt Schläger nach Kiew"
Doch viele der Medien, die nach dem unfriedlichen Ende einer Demo in Hamburg eine harte Reaktion des Staates forderten, zeigten sich im Fall Ukraine sehr viel verständiger für den als gemäßigt konservativ geltenden Oppositionspolitiker Klitschko, dem gute Beziehungen zur CDU/CSU nachgesagt werden. Er machte im Wesentlichen die ukrainische Regierung für die Auseinandersetzung verantwortlich.
Klitschko beschuldigte die Regierung, Schläger nach Kiew mit der Anweisung zu randalieren gebracht zu haben; er lieferte allerdings dafür keinerlei Belege. Dafür haben Regierungsmitglieder zumindest in der Öffentlichkeit eher auf Deeskalation gesetzt und versucht, mit Teilen der Opposition ins Gespräch zu kommen. Die Taktik scheint aufzugehen.
Am gestrigen Dienstag blieb die Lage in Kiew gespannt, aber ruhig. Doch Klitschko beschuldigte die Regierung nicht nur, die Auseinandersetzungen angezettelt zu haben. Er warf ihr auch vor, durch ihre Politik eine Situation erzeugt zu haben, in der sich junge Ukrainer zur Gewalt provoziert gefühlt hätten - eine Distanzierung sieht anders aus.
Toleranz für militante Nationalisten
In deutschen Medien wird selten auf den politischen Kontext aufmerksam gemacht, in dem die Randalierer von Kiew stehen. Bei den jungen Männern, "die sich zur Gewalt provoziert fühlen", handelt es sich überwiegend um Angehörige der extremen ukrainischen Rechten. Manche bewegen sich im Umfeld der Swoboda-Bewegung, die sich offen in die Tradition der NS-Kollaborateure und Antisemiten stellen, die sich gemeinsam mit der deutschen Wehrmacht am Überfall auf die Sowjetunion beteiligten.
Mittlerweile wird die Swoboda-Bewegung auch als Teil einer neuen, extrem rechten Fraktion für das EU-Parlament umworben. Gespräche mit den belgischen Vlaams Belang und dem Front National hat es schon gegeben. Dabei muss die Partei ihre Propaganda etwas vom allzu offenen Nazismus reinigen. Das geht manchen Rechten zu weit; sie organisieren sich in Konkurrenz zu Swoboda in offenen Neonazigruppen.
Sie sind in den letzten Wochen öffentlich in Erscheinung getreten, in dem sie Lenin-Statuen umgestürzt oder Linke und Gewerkschaftler bei Demonstrationen angegriffen haben. So wurde der Gewerkschaftler Denis Lewin beim Verteilen von Flugblättern im Dezember in Kiew von Rechten attackiert.
Lange Zeit wurde in der deutschen Öffentlichkeit die massive rechte Präsenz in der ukrainischen Oppositionsbewegung weitgehend ignoriert. Als sich in den letzten Wochen deutsche Politiker wie der vormalige Bundesaußenminister Westerwelle in Kiew medienwirksam mit der ukrainischen Opposition solidarisierten, wurde nicht erwähnt, dass mindestens ein Drittel der extremen Rechten angehört, die natürlich auf die altbewährte deutsch-ukrainische Zusammenarbeit anstoßen können (Hass auf Moskauer, Juden und "andere Unreine").