Von Christina Hebel, Kirchheim
Noch vor zwei Jahren putschten die eigenen Leute Udo Voigt von der NPD-Spitze, jetzt gelingt ihm die Rückkehr, als Spitzenkandidat für die Europawahl. Für Parteichef Udo Pastörs ist die Abstimmung ein herber Rückschlag.
Am Ende sind es 22 Stimmen, die für Udo Voigt die Wahl entscheiden. Er ist neuer NPD-Spitzenkandidat für die Europawahl - für den Ex-Vorsitzenden kommt das Ergebnis, das für viele in der Führung der rechtsextremen Partei überraschend ist, einer Genugtuung gleich. Ist es doch aus Voigts Sicht eine Entschädigung für die Demontage im November 2011, als er von der NPD-Spitze geputscht wurde und Holger Apfel Platz machen musste. Eine Niederlage, die Voigt nicht verwunden hat.
"Ich bin wieder da", sagt der 61-Jährige, der zuletzt nur Bezirksverordneter in Berlin und Vizevorsitzender des dortigen Landesverbands war. Durchaus geschickt hat der rechtsextreme Hardliner in den vergangenen Monaten sein Comeback vorbereitet. Voigt gründete sogenannte Freundeskreise, in denen er seine Anhänger versammelt. In den vergangenen Wochen tingelte der Funktionär mit seinem Buch durch die Republik. Vordergründig, um es vorzustellen, aber natürlich trommelte er für seine Europa-Kandidatur.
Genutzt hat Voigt sicher auch der Abgang seines Nachfolgers und Rivalen Apfel, dessen Umstände nach wie vor nicht geklärt sind - auch wenn die NPD-Führung die Affäre für beendet erklärt hat. Apfel hatte sich offiziell aus gesundheitlichen Gründen im Dezember zurückgezogen. Doch es stehen Vorwürfe im Raum, er solle zwei junge Männer, Anfang 20 Jahre, belästigt haben.
Voigt spricht von einer "großen Belastung" für die NPD, aber Apfel sei nun Geschichte. Was er nicht sagt, aber durchaus durchblicken lässt, wen er für die Zukunft hält, nämlich sich. Er betont zwar, dass er sich auf die Europawahl konzentrieren wolle, aber eine Kandidatur als künftiger Vorsitzender schließt er nicht aus. Im Gegenteil, er hatte die Frage vor der Abstimmung am Samstag auf dem Parteitag in Kirchheim mit dem Ergebnis bei der Europaliste verknüpft: "Ich muss erst einmal sehen, was ich der Partei noch wert bin."
Allerdings müsste er sich im Fall einer Kandidatur um den Vorsitz daran messen lassen, was er gegen den unterlegenen Udo Pastörs vorgebracht hat: Es sei nicht gut, dass einer alle Positionen in einer Hand habe - gerade auch während eines Verbotsverfahrens. Pastörs, Fraktionschef in Schwerin, hatte nach Apfels Rückzug den Parteivorsitz übernommen, im Präsidium wollte das Amt sonst keiner machen. Kaum lösbar scheint die Aufgabe, die angeschlagene Partei erfolgreich zu führen.
Trotz der beiden Funktionen bewarb sich Pastörs auf Platz eins der Europaliste - und erlitt in Kirchheim eine herbe Niederlage. Drei Ämter waren der Mehrheit des Parteitags dann zu viel, er zog seine Kandidatur daraufhin ganz zurück. Sollte Voigt nun ins Europaparlament kommen und den Parteivorsitz anstreben, würde er sicher genau mit diesem Argument der Ämterhäufung konfrontiert werden.
Kontakte zur "Goldenen Morgenröte"
In der NPD ist zu hören, dass die Wahl eines neuen Parteichefs Ende des Jahres, eher Anfang 2015 stattfinden könnte. Für Pastörs bliebe somit mehr Zeit, sich an der Spitze zu bewähren. Pastörs spricht von einer "harten Hand", welche die NPD brauche, in der "jede illegale Aktivität und Verfehlungen kompromisslos" geahndet würden. Nach außen gibt der vorbestrafte Rechtsextremist den starken Vorsitzenden, allerdings muss er erst einmal Wahlerfolge vorweisen - und da ist er ausgerechnet auf Voigt angewiesen, an dessen Sturz er damals maßgeblich mitwirkte.
1,8 Prozent will der Europa-Spitzenkandidat Voigt am 25. Mai erreichen - 0,5 Prozent mehr als bei der Bundestagswahl. Ein, zwei Vertreter könnte die rechtsextreme Partei nach Brüssel schicken, sofern sie die Dreiprozenthürde vor dem Bundesverfassungsgericht noch kippen kann. Die NPD will vor allem auf das Thema Zuwanderung setzen: Sie versucht mit Parolen über eine "Asylflut" Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen.
Hardliner Voigt wird wieder zu provozieren versuchen. Schon kündigt er an, Kontakt zu anderen rechtsextremen Parteien aufnehmen zu wollen - etwa der "Goldenen Morgenröte" in Griechenland, jener Partei, die zuletzt Schlagzeilen durch kriminelle Aktivitäten ihrer Mitglieder gemacht hat. Voigt scheint das wenig zu stören, obwohl ein Verbotsverfahren gegen die NPD läuft.
Wettern gegen Straßburg
Kurios wirkt in diesem Zusammenhang, dass die rechtsextreme Partei in ihrem Wahlprogramm auch gegen den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wettert. Dieser beteilige sich an einer "organisierten Meinungslenkung, Zensur und Gesinnungskontrolle", heißt es auf Seite zehn. Und weiter: Das Gericht stärke "insbesondere die Rechte Zugewanderter systematisch gegenüber den Rechten der angestammten europäischen Völker". Noch im Herbst hatte die NPD eine Beschwerde gegen die Bundesrepublik "wegen ständiger Diskriminierung" eingereicht und will Straßburg auch bemühen, sollte Karlsruhe die Partei verbieten.
Voigt sagt, er kenne den Passus nicht, da das Programm nicht von ihm stamme. Er wolle sich nun mit Pastörs zusammensetzen. Auch wenn die beiden ideologisch für radikalere Töne stehen und für die Zusammenarbeit mit Freien Kameradschaften plädieren, gut können die beiden nicht miteinander. Voigt sagt dazu: "Wir sind Kameraden, wir müssen uns nicht lieben." Pastörs spricht von einer "geschäftsmäßigen" Beziehung.
Es wird wohl eine Allianz auf Zeit.