Religion gewinnt, Bildung verliert - in den USA wird das naturwissenschaftliche Weltbild zurückgedrängt. Eine aktuelle Studie lässt den Hauptgrund erahnen: Die politische Rechte driftet in eine vormoderne Gedankenwelt ab. Von Frank Patalong.
Dass der bibeltreue Kreationismus in den USA auf dem Vormarsch sei, wird seit Jahren immer wieder behauptet. Jetzt legte das renommierte, unabhängige Sozialforschungsinstitut Pew Research Center mit der Wiederholung einer Studie von 2005 und 2009 erstmals Zahlen vor, die diese Annahme bestätigen. Gefragt hatten die Forscher nach der Welterklärung, der die Befragten anhingen: War es Gott, der den Menschen genau so schuf, wie er jetzt ist, oder ist der Mensch Produkt eines langen Evolutionsprozesses?
Im März und April 2013 gab Pew 1983 repräsentativ ausgewählten Amerikanern aller Schichten und Ethnien einen Fragenkatalog, der dem der 2009 durchgeführten Studie entsprach. 2023 weitere repräsentativ ausgewählte US-Bürger bekamen einen noch entwickelteren Fragenkatalog vorgelegt, der weitere Nuancen erfassen sollte: Trennten die Befragten beim Thema Evolution womöglich zwischen Mensch und Tier? Akzeptierten sie das Prinzip der Evolution, glaubten aber an eine göttliche Lenkung dahinter?
Die nun vorliegende Auswertung erlaubt zum einen erstmals einen Vergleich von unter identischen Bedingungen erhobenen Zahlen, zum anderen eine Vertiefung und Hinterfragung der so erhobenen Statistiken.
Die Evolutionsstudie bestätigt die Annahme, dass für westliche Verhältnisse ungewöhnlich viele US-Bürger einem religiösen Weltbild anhängen und wissenschaftliche Erkenntnisse ablehnen. Hier einige der Resultate im Überblick:
- Immerhin 60 Prozent aller Amerikaner glauben an eine graduelle Entwicklung hin zum heutigen Menschen.
- 33 Prozent aber glauben das nicht: Für sie ist der Mensch eine göttliche Schöpfung - und war vom ersten Tag an so, wie er heute ist.
- Die Welten der Demokraten und Republikaner klaffen immer weiter auseinander. 2009 unterschieden sich die Anhänger der Parteien bei der Frage, ob sie das Prinzip der Evolution akzeptieren, nur um zehn Prozent. 2013 ist dieser Unterschied auf 24 Prozentpunkte angewachsen.
- 57 Prozent und damit die Mehrheit der Amerikaner sind generell schöpfungsgläubig: Zu dem Drittel der Bevölkerung, das der Schöpfungsgeschichte der Bibel wörtlich anhängt, kommen noch einmal 24 Prozent, die glauben, Gott persönlich habe die Evolution eingeleitet und zu dem Zweck gelenkt, den Menschen zu schaffen.
- Religiöser Fundamentalismus ist unter weißen Amerikanern am stärksten verbreitet, und hier besonders unter den sogenannten Evangelikalen: 64 Prozent aller weißen Anhänger dieser protestantischen Kirchen glauben der Bibel aufs Wort. Für die Farbigen unter ihnen gilt das nur für jeden Zweiten.
In den USA ist all das mehr als ein klassisches Bildungsthema. Natürlich ist auch dort der Schöpfungsglaube vom Bildungsstand abhängig: 72 Prozent der Befragten mit Universitätsbildung folgen der Naturwissenschaft. Wichtiger als Schulabschluss und Qualifikation scheint in diesem Zusammenhang aber die politische Orientierung zu sein.
Denn die Studie belegt auch, dass sich die politischen Lager in den Vereinigten Staaten immer stärker entlang der Linie "Wissenschaft versus Religion" orientieren. Insbesondere Republikaner definieren sich selbst zunehmend durch eine Negierung wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Die Statistik dokumentiert zunehmende Radikalisierung
Entsprechend erschrocken wird die Pew-Studie von Teilen der US-Presse aufgenommen. Die Republikanische Partei wird offenbar immer stärker durch religiöse Gruppen geprägt. Manche Autoren beobachten ein Abwandern moderater Republikaner und einen Zuwachs an Evangelikalen, die sich vor allem durch die Aktivitäten der sogenannten Tea-Party-Fraktion der Partei angezogen fühlen.
Dass sich 2013 satte elf Prozent mehr Republikaner zur biblischen Schöpfungsgeschichte bekannten als 2009, habe nichts mit Umdenken zu tun, meint auch Dana Milbank, Kommentator der "Washington Post". Vielmehr würden die Republikaner zum Sammelbecken erzkonservativer, bibeltreuer und vor allem weißer Christen. Daraus ergäbe sich die Gefahr der zunehmenden Radikalisierung einer religiös geprägten, fortschrittsfeindlichen Weißen-Partei, die einer zunehmend multiethnischen und säkulären Gesellschaft gegenüberstehe.
Immerhin haben zumindest Teile der Partei diese Gefahr erkannt. Nach der verlorenen Präsidentschaftswahl 2012 rief Bobby Jindal, der republikanische Gouverneur von Louisiana, die Partei dazu auf, "die Intelligenz der Wähler" nicht weiter zu beleidigen: "Wir müssen aufhören, die dumme Partei zu sein."