Der Streit um das Flüchtlingscamp am Oranienplatz spitzt sich zu. Bezirksbürgermeister Herrmann befürchtet bei einer Räumung Krawalle wie in Hamburg. Innensenator Henkel hält dies für unverantwortlich. von Sandra Dassler und Ulrich Zawatka-Gerlach.
„Natürlich hab’ ich Angst, dass es in Kreuzberg zu Hamburger Verhältnissen kommen kann“, sagt Monika Herrmann. Die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg hatte die Krawalle in der Hansestadt am Samstagabend vor allem über das soziale Netzwerk Twitter verfolgt. Hunderte Polizisten und Demonstranten wurden bei einer Demonstration im Stadtteil St. Pauli für das besetzte alternative Kulturzentrum „Rote Flora“ verletzt, einige sehr schwer.
„Ich hatte zwar befürchtet, dass es zu Auseinandersetzungen kommt, war aber doch über die große Härte auf beiden Seiten überrascht“, sagt Herrmann. Auch deshalb beschwöre sie eine gewaltfreie Lösung beim Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz in Berlin.
„Ein paar Schlafzelte sind es doch nicht wert, dass Menschen verletzt werden“, sagt sie. „Egal, ob es Polizeibeamte sind, die ihre Pflicht tun, oder Demonstranten.“
Dass es in Kreuzberg zu einer ähnlichen Situation wie in Hamburg kommen kann, haben nach Herrmanns Ansicht die Konflikte am 24. November gezeigt, als es beim Umzug der Flüchtlinge vom Oranienplatz nach Wedding zur Randale kam. Weil Anhänger der linken Szene und sogenannte Unterstützer der Flüchtlinge glaubten, das Camp werde geräumt, demonstrierten mehr als 500 Menschen. Obwohl die Polizei sich zurückhielt, flogen Flaschen; Vermummte zündeten Pyrotechnik.
„Das waren nur 500 Demonstranten, und wir hatten schon 31 verletzte Polizisten“, sagte Herrmann. „Man stelle sich mal vor, es kommen wie in Hamburg 8000 Protestierer.“ Dass die Szenen in Hamburg und Berlin miteinander vernetzt sind, weiß Herrmann. „Der Aufruf, nach Hamburg zu kommen, lief deutschlandweit“, sagt sie. „Wenn es einen solchen Aufruf für den Oranienplatz geben würde, bin ich sicher, dass Tausende nach Berlin kommen würden.“ Auch deshalb setze sie weiter auf Gespräche. „Ich will ja auch die Räumung der Schlafzelte, so wie der Innensenator“, sagt Herrmann. „Aber ich warne davor, es mit Gewalt zu tun, weil es dann zur totalen Eskalation kommen könnte.“
Innensenator Frank Henkel (CDU) hält es dagegen für „unverantwortlich, jetzt Krawalle wie in Hamburg herbeizureden und sich dahinter zu verstecken“. Natürlich könne es Gegenreaktionen geben. Aber wenn das die letzte Argumentation der Bezirksbürgermeisterin sei, um ihre Linie zu verteidigen, dann sage dies alles. „Frau Herrmann spielt eine unrühmliche Rolle in dieser ganzen Auseinandersetzung“, sagte Henkel am Sonntag dem Tagesspiegel.
Herrmanns Parteifreundin Canan Bayram, Mitglied im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses, sprang der Bezirksbürgermeisterin bei: „Es dient ganz einfach dem Schutz und der körperlichen Unversehrtheit von Polizisten und Demonstranten, wenn alle miteinander reden.“ Ähnlich äußert sich der Berliner Landeschef der Grünen, Daniel Wesener. Er ist in Hamburg geboren und aufgewachsen. Die „Rote Flora“ sei schon zu seinen Jugendzeiten ein großes Thema gewesen. Dort werde die Auseinandersetzung um das Kulturzentrum jetzt mit der Flüchtlingsproblematik verquickt. Leider habe sich der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) für eine harte Linie entschieden, bedauert Wesener. Auch deshalb eskaliere der Konflikt.
Zudem gebe es bei den Demonstranten einen harten Kern Unbelehrbarer, der auf Krawall aus sei. „Ich hoffe sehr, dass der Streit um den Oranienplatz im Januar besser ausgeht“, sagt der Grünen-Politiker. Wesener rechnet in Berlin mit einem „sehr schwierigen Polizeieinsatz“, der sich gewiss nicht auf „einen Tag der Räumung mit ein paar unschönen Szenen“ begrenzen lasse. „Und der 1. Mai kommt ja auch.“ Henkel müsse „die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren und die Folgen eines Polizeieinsatzes genau bedenken“.