Erobert euren öffentlichen Raum zurück: Gerichtsverfahren zur öffentlichen Versammlungsfreiheit von Flüchtlingsaktivisten in Erfurt, Berlin und Offenburg
Ankündigung der Anhörung im 1. Verfahren wegen Auflagen bei öffentlichen Versammlungen gegen Osaren Igbinoba von The VOICE Refugee Forum (Jena). Die Anhörung wird am 27. November 2013 um 13:00 Uhr in Erfurt stattfinden, Rudolfstraße 46, 99092 Erfurt
Ich habe das Privileg, euch alle im öffentlichen Interesse darüber zu informieren, dass wir als Aktivisten von The VOICE Refugee Forum es erreicht haben, unsere Selbstbestimmung zu stärken in Solidarität mit den MigrantInnencommunitys und mit anderen entschlossenen AktivistInnen, die
den staatlichen Menschenrechtsmissbrauch hier beenden und unsere fundamentalen Rechte auf Bewegungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Redefreiheit zugunsten unserer Freiheit zur öffentlichen Zusammenkunft verteidigen wollen.
Am 18. September 2012, organisierten wir, die AktivistInnen der Flüchtlingscommunity in Thüringen und die AktivistInnen des Flüchtlingsprotestmarsches, zusammen das Treffen der Pressekonferenz des Protestmarsches mit ca.40 Personen einschließlich der JournalistInnen. Der primäre Fokus unseres Protestes war die Abschaffung der Residenzpflicht – des deutschen Apartheidgesetzes der Aufenthaltsbeschränkung, das die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen auf den Landkreis ihre Wohnsitzes beschränkt, sie kriminalisiert und mit Gefängnis bestraft, wenn sie dieses Gebiet verlassen. Auch ohne von der Polizei kontrolliert worden zu sein, können sie von den Ausländerbehörden zur Strafverfolgung registriert werden. Weitere Schwerpunkte waren die Abschaffung von Abschiebungen, Isolationslagern und das bedingungslose Bleiberecht. Wir riefen auch dazu auf, den Kampf der Flüchtlinge gegen die Verfolgung von Flüchtlingen hier und gegen die koloniale Ungerechtigkeit und das Frontex-System von Deutschland und Europa zu stärken.
Nach der Demonstration am 18. September wurde der offizielle Organisator,
Osaren Igbinoba, strafrechtlich wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz
belangt – weil angeblich keine Ordner gestellt worden seien und die offiziellen
Versammlungsauflagen nicht öffentlich verlesen worden seien.
Zum ersten Mal in unserer vieljährigen Erfahrung mit Demonstrationen und
öffentlichen Versammlungen – unter anderem auch in Zusammenarbeit mit dem
Ordnungsamt in Erfurt – ist es passiert, dass diese Behörde einen offiziellen
Veranstalter von The VOICE Refugee Forum wegen der Missachtung von Auflagen
belangt. Diese Auflagen beinhalten unter anderem den Verweis auf die Gültigkeit der Residenzpflicht, die
Hauptangriffspunkt der Veranstaltung war. Insofern bedeutet die Vorwürfe: Vom
Organisator wurde erwartet, dass er die teilnehmenden Flüchtlinge an die vorgebliche Illegalität ihrer Anwesenheit
erinnert und sie somit öffentlich dafür denunziert, dass sie ohne Erlaubnis,
die Stadt Erfurt zu betreten, zu der Veranstaltung gekommen sind. In anderen
Worten: Es wurde erwartet, dass er stellvertretend für die Behörden die
rassistische Unterdrückung gegen die Flüchtlinge ausführt.
Bezüglich der „Residenzpflicht – Law and Order“, die im übrigen sieben Monate nach der Protestaktion in Erfurt und nach Jahren des Flüchtlingsprotests in Deutschland teilweise abgeschafft wurde, werden wir niemals einen Kompromiss machen.
Wir werden die deutsche Polizei und die Angestellten der öffentlichen Behörden in ihrer Kollaboration mit den Neonazis, die sie während des Protestes unter Beweis stellten, unter Kontrolle halten. Denn während der Pressekonferenz wurde eine Gegendemonstration von Neonazis unter Polizeieskorte zu unserer Demo geführt. Die Polizei hat uns zu keinem Zeitpunkt darüber informiert oder mit uns wegen der Gegendemonstration der NPD verhandelt. Diese skandalöse Konfrontation mit den rassistischen Neonazi-Propagandisten und ihr von der Polizei unterstützter Einschüchterungsversuch der Prostestversammlung der Flüchtlinge wird während des Prozess genau betrachtet und geklärt werden müssen.
Die Ignoranz der Behörden und der Polizei, die Weigerung, unsere physische Anwesenheit zu respektieren, hat genau diesen Einschüchterungsversuch provoziert, indem sie sich gegenüber sich selbst und gegenüber ihrer Verantwortung als Beteiligte nachlässig zeigten. So versäumten sie es, wirksame Kommunikationsinstrumente zu nutzen, um mit den Organisatoren unserer Protestveranstaltung zu verhandeln.
Sie verweigerten es, uns direkt über ihre Anforderungen mir gegenüber zu informieren, ebenso über die Auswirkungen der behördlichen Auflagen während der Versammlung.
Gegen diese Verschwörung zwischen den Zuständigen des Ordnungsamts und der Polizei, die sich in der skandalösen Ignoranz gegenüber der menschlichen Würde meiner physischen Anwesenheit als sogenannter offizieller Organisator zeigte, nachdem der Versuch, unsere Versammlung mit der Konfrontation mit zehn polizeilich eskortierten Neonazi-Gegendemonstranten ohne weitere Konsequenzen einzuschüchtern, gescheitert ist, wird protestiert werden.
Die rechtliche Verfolgung des Organisators des Protests, Osaren Igbinoba, ist
Zeichen einer neuen Qualität und eines neuen Niveaus in der Kriminalisierung
und Einschüchterung des öffentlichen Protests von The VOICE Refugee Forum.
Seitdem können wir eine Höchstzahl an Fällen absichtlicher polizeilicher
Anstachelung zu Gewalt und Brutalität oder der Einschüchterung von
Flüchtlingsversammlungen seit den 20 Jahren meines Aktivismus in The VOICE
Refugee Forum und als Gründungsaktivist der Protestbewegung von Flüchtlingen für unsere Menschenwürde und
Integrität in Deutschland bezeugen.
Während der Break Isolation Tour 2013 in Thüringen, während der Refugee
Liberation Tour und der Refugee Revolution Bus Tour in Bayern und
Baden-Württemberg, in Berlin, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Hamburg und
Nordrhein-Westfalen sind wir bundesweit Zeugen geworden der höchsten Wellen von
Polizeibrutalität und Einschüchterung gegenüber öffentlichen Versammlungen von
Protestveranstaltungen der Flüchtlingsbewegung im öffentlichen Raum während und
nach dem Protestmarsch letztes Jahr.
Seit Juni dieses Jahres sind verschiedene Aktivisten für Flüchtlingsrechte aus Berlin, Würzburg, Rostock, Stuttgart, Jena und Schwäbisch-Gmünd mit Gerichtsverfahren konfrontiert wegen ihres Versuchs der Gewinnung öffentlichen Raums und wegen der Konfrontation mit Polizeibrutalität im Zusammenhang mit der Protestaktion in der nigerianischen Botschaft, die am 15. Oktober 2012 nach dem Protestmarsch in Berlin stattfand. Viele mehr werden verfolgt werden und wir rechnen damit, dass die Verfahren noch einige Jahre länger dauern werden.
Im Angesicht dieser häufigen Verletzungen unserer
fundamentalen Rechte auf Würde und Integrität werden wir niemals einen Kompromiss
eingehen mit dieser rassistischen Einschüchterung von Seiten der Behörden und
der deutschen Polizei, mit der sie ihre Repression in ein ehrenhaftes Licht
rücken wollen.
Wir verurteilen die von Menschen verursachten Übel rassistischer Unterdrückung durch die deutschen Behörden und die koloniale Ungerechtigkeit der Polizeibrutalität und Einschüchterung öffentlicher Versammlungen von Flüchtlingen, die in den letzten Jahren unvermindert angehalten haben.
Wir rufen dazu auf, unsere öffentliche Ordnung für die Freiheit der unterdrückten, der benachteiligten und marginalisierten Communitys zu erklären und uns des Friedens einer öffentlichen Versammlung im öffentlichen Interesse zu erfreuen. So rufen wir jede/n in Solidarität dazu auf, sich seinen/ihren öffentlichen Raum zurückzuerobern.
Wir setzen uns dafür ein, dass sämtliche Verfahren und
Vorwürfe in Zusammenhang mit öffentlichen Protestversammlungen von Flüchtlingen
fallen gelassen werden.
Unser Ziel ist es, zum Genuss des Rechts auf
öffentliche Versammlungen beizutragen, das insbesondere marginalisierten
und benachteiligten Minderheiten garantiert sein sollte, die besonders
verletzlich sind gegenüber rassistischer, nationalistischer und
diskriminierender Propaganda oder gegenüber unverhältnismäßigen öffentlichen
Auflagen durch die Behörden, die viel zur Entstehung des Schadens und der
Unsicherheit beitragen. Diese Schäden und diese Unsicherheit werden durch die
gleichen Behörden und die gleiche Polizei provoziert, die das Privileg und die
geschützte Position genießen, Konflikten
während öffentlicher Versammlungen in Deutschland vorzubeugen. Doch stattdessen
sind genau sie es, die die Unsicherheit der marginalisierten Communitys hier
überhaupt erst schaffen.
Wir rufen auf zum Genuss der Bewegungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit im öffentlichen Raum zugunsten öffentlicher Versammlungen ohne Beschränkungen und Reglementierungen durch die deutschen Behörden.
Bei diesen Gerichtsverfahren geht es um politisch motivierte Vorwürfe, mit dem Ziel der Einschüchterung des Kampfes und des Protests der wachsenden Flüchtlingsbewegung in den letzten Jahrzehnten mit dem Ziel der Wiedergewinnung der Integrität und menschlichen Würde der Flüchtlinge und MigrantInnen in Deutschland.
In diesem Zusammenhang ist auch an die Polizeibrutalität in Dessau gegen die Aktivisten der Oury-Jalloh-Kampagne am 7. Januar 2012 in Dessau zu erinnern.
Diese ist ein klares Beispiel dafür, wie die Dessauer Behörden die polizeiliche Gewalt angezettelt haben, die zu der massiven Polizeibrutalität gegen die Aktivisten während der Gedenkdemonstration führte, vorgeblich zum Zweck der Verhinderung des Slogans „Oury Jalloh – das war Mord!“ Dieser Slogan war aber vor der ersten bundesweiten Demonstration 2006 bei der Behörde in Dessau durch die Aktivisten von The VOICE Refugee Forum registriert worden.
Die erste Prozessanhörung der Aktivisten, die misshandelt worden waren, wird am 10. Dezember 2013 stattfinden. Informationen auf Deutsch unter http://thevoiceforum.org/node/2374
Flüchtlinge in Deutschland und Europa sollten nicht wie Hausgefangene behandelt werden! Unser Kampf für eine wahre Demokratie wird solange ignoriert werden, bis die unterdrückten Menschen das letzte Wort haben.
Interessierte AktivistInnen in Deutschland sind dazu eingeladen, uns aktiv zu unterstützen und die zukünftigen Verfahren zu beobachten und zu dokumentieren, um unsere weiteren Strategien zu stärken, mit denen wir unsere Forderungen in die Öffentlichkeit bringen wollen.
Die
nächsten Gerichtsverfahren gegen Flüchtlingsaktivisten in Berlin, Erfurt und
Offenburg:
Hatef Soltani: Dienstag, 26. November, 2013, 14:00 Uhr, Hindenburgstr. 5,
Offenburg
Osaren Igbinoba: Mittwoch, 27. November, 2013,
13:00 Uhr, Rudolfstraße
46, Erfurt
Mbolo Yufanyi: Montag, 2. Dezember 2013,
Turmstraße
91, Raum 572, Berlin
Rex Osa: 11.Dezember, 2013, Turmstraße 91, Berlin
Der Antrag der AktivistInnen vor Gericht, die einzelnen Fälle in einen zusammenzuführen, und die Forderung nach Ladung des nigerianischen Botschafters wurde nicht durchgesetzt. Bis jetzt haben die 15 angeklagten AktivistInnen keine Aussicht auf einen Gruppenanwalt, um die Kosten zu verringern und eine politischere Herangehensweise zu ermöglichen. Alle AktivistInnen sind verpflichtet, mit eigenen individuellen Anwälten zu den einzelnen Anhörungen bei Gericht anzutreten
Die Kampagne Reclaim-your-public-space zur Beendigung der Verfolgung und Einschüchterung von öffentlichen Versammlungen von Flüchtlingen wird gestärkt durch das Break Isolation Netzwerk in Thüringen und durch 20 Jahre Zeugenschaft des The VOICE Refugee Netzwerks zu Anti-Repression und zu autoritärer Polizeibrutalität während öffentlicher Versammlungen von Flüchtlingen.
Eure finanzielle Unterstützung und eure Solidarität wird notwendig sein, um das fundamentale Recht auf Versammlungsfreiheit garantieren zu können und die Kontinuität unserer Arbeit aufrechtzuerhalten.
Spendenbeiträge bitte an folgendes Konto:
Förderverein The VOICE e.V.
Kontonummer 127829, BLZ: 260 500 01
IBAN: DE97 2605 0001 0000 1278 29, BIC: NOLADE21GOE
Betreff: Public space
Osaren Igbinoba, The VOICE Refugee Forum (Jena),
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