Mit meinen Forschungsarbeiten über das Scheitern der deutschen Kommunisten in der DDR gegenüber Neo-Nazismus, Rassismus und Anti-Semitismus in ihrem eigenen Land, habe ich für mich die Position eines marxistischen Historikers gewonnen. Diese Positionierung war auch geschuldet meinen persönlichen und wissenschaftlichen Lernprozessen über den Nazismus, seinen Massenmorden und seinen politischen Folgen nach 1945. Bei allen meinen Studiengängen, wie auch bei meiner zeithistorischen Forschungsarbeit am Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) der TU Berlin, war ich Stipendiat der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung, vor der ich, die Gründe dafür sind vielfältig, aber auch aus Angst vor offener oder verdeckter Repression, meine linksradikalen und revolutionären Ansichten verdeckte. Jedoch hat mir dieses Versteckspiel am ZfA nichts genützt – im Gegenteil, ich hatte mich dadurch argumentativ selbst gefesselt und elementar beschränkt. Die wissenschaftstheoretischen Schwierigkeiten der Grundlegung meiner Arbeit waren darin begründet, dass es bis zum heutigen Tag keine historisch-materialistische Analyse der staatskapitalistischen DDR gibt, auf der meine Forschungsarbeit hätte aufbauen können. Neben dem, wie es wohl auch in anderen Forschungsstätten üblich ist, harten Konkurrenzkampf im Mittelbau um Einfluss, Gelder und Posten, war ich dort einem Mobbing ausgesetzt, dass darauf abzielte, die von mir verwendeten Begriffe wie Faschismus oder Neo-Faschismus zu eliminieren. Die im ZfA geltende, vordergründig auf der „Vorurteilsforschung“ basierende Forschungskonzeption, ist in Wahrheit eine dem Positivismus verpflichtete Ideologie und die wissenschaftstheoretische Ausrichtung dieses Instituts bei der Erforschung des Anti-Semitismus ist auf den Begriff „Rechtsextremismus“ fixiert, der als undiskutierbar gilt und der damit zur ideologischen Richtschnur für alle Angehörigen des ZfA gilt. Mit meinem Festhalten am Begriff „Faschismus“ bzw. „Neo-Faschismus“ geriet ich außerhalb des vorgegebenen Rahmens und mir wurde fehlerhaftes Verhalten vorgehalten, denn mit meiner Entscheidung zu diesen Begriffen, wäre ich in die Nähe meines Untersuchungsgegenstandes gekommen, also in die Nähe der marxistisch-leninistischen Geschichtsschreibung der Historiographie der DDR. Gegen diesen Blödsinn kam ich nicht an und ließ mich letztlich widerstandslos aus dem Zentrum für Antisemitismusforschung wegmobben und war doch froh diese unfruchtbare, gar stachelige Atmosphäre verlassen zu können. Bereits während meiner Forschungsarbeit zum Neo-Faschismus in der DDR konnte ich zwei kleine Aufsätze veröffentlichen, jedoch blieb mir der Zugang zu den etablierten wissenschaftlichen Zeitschriften der Historiographie komplett verschlossen. Obwohl die Ergebnisse meiner Forschung von substanzieller Bedeutung waren und sind, gab es niemanden, der sie veröffentlichen wollte, denn die etablierten Geschichtswissenschaftler in Deutschland wollten mit mir und meinen Forschungsergebnissen nichts zu tun haben. Inhaltlich war das auch einer Tatsache geschuldet, die es meines Wissens noch nie gegeben hat in der modernen Geschichtsschreibung: Archivmaterialien, als Hauptforschungsstätten für historische Arbeiten, sind in der Regel für Jahrzehnte nicht zugänglich, doch das besondere in dieser Angelegenheit war, dass es bei den Archiven der untergegangenen DDR eine Sonderregelung gab und gibt, d. h. diese Archive unterlagen weitgehend keinerlei Restriktionen. Allein der Stand der Aufarbeitung der Archivalien bestimmt(e) den Zugang. Ich hatte das vielleicht fragwürdige Glück, auf Akten der Partei- und Staatsorgane zugreifen zu können, mit deren Hilfe ich Ursachen und Verlauf von Neo-Nazismus, Anti-Semitismus und Rassismus in der DDR nachweisen konnte. Für Historiker insgesamt war dieser Zustand vollkommen ungewöhnlich und ich bekam deshalb auch Ablehnung zu spüren, weil mit meiner Arbeit das bisherige Geschichtsbild über die DDR nicht nur für die bürgerliche Geschichtswissenschaft sondern eben auch für die orthodoxen Verteidiger, ehemalige marxistisch-leninistische Wissenschaftler der DDR, selbst ins Wanken gekommen wäre, wenn sie sich den neuen Einsichten geöffnet hätten. Das durfte nicht sein, also wurde meine Arbeit über die DDR kaltgestellt.
Dem PapyRossa Verlag, Nachfolger des Pahl-Rugenstein-Verlag, von der SED über einen langen Zeitraum finanziell ausgehalten, gab ich meine überarbeitete Dissertation deshalb, weil ich wirklich geglaubt hatte, dadurch in einen kritischen Diskurs mit den Nachfolgern der kommunistischen Orthodoxie kommen zu können. Dass meiner Forschungsarbeit hier das Gleiche widerfuhr wie in der etablierten Geschichtswissenschaft, hätte ich mir damals beim besten Willen nicht vorstellen können. Schließlich war es nicht verwunderlich, dass dieser Verlag für dieses Buch nichts unternommen hat. Ein zweite Auflage, das ist bei solchen „Hochschulschriften“ ungewöhnlich, wurde vom PapyRossa Verlag veröffentlicht, ohne dass ich darüber informiert worden war. Zufällig fand ich Jahre später in einem Antiquariat ein solches Exemplar und weiß seither davon. So war ich nun Mitte der 1990er Jahre in die Isolation getrieben worden und meine Existenz als Außenseiter der Geschichtswissenschaft war evident. Allein die Gewissheit, dass meine Forschungsarbeit solide und gewissenhaft aufgebaut und beschrieben war, hat mich dazu gebracht meine Forschungen ohne institutionellen Rückhalt weiter zu betreiben, und trotz der Nieder- und Rückschläge weiterzuarbeiten. Die Erkenntnisse aus meiner Arbeit, ich hatte sie in jahrelangen Recherchen in den Archiven der DDR, wie z. B. im Jugendarchiv (JA) der FDJ oder dem Zentralen Parteiarchiv (ZPA) der SED gewonnen, waren bis dahin so gut wie nicht bekannt gewesen. In der DDR selbst hatte es keinerlei wissenschaftliche oder gar journalistische Arbeiten, weder zum Anti-Semitismus noch zu Neo-Nazismus oder gar zum Rassismus gegeben. Die Nachrichten zu solchen gesellschaftspolitischen Erscheinungen waren allesamt verlogen oder wurden gleich in die interne Registratur verdrängt. Aus den Gründen der Geheimhaltung dieser, für die politische und polizeiliche Elite der DDR äußerst peinlichen und schließlich auch unerklärlichen Vorgängen, speist sich noch heute das Triumphgeschrei der Verteidiger des untergegangen deutschen Sozialismus, wie z. B. von D. Joseph, D. Dahn oder G. Pätzold, die heute noch, wider besseres Wissen, die Existenz des hausgemachten Anti-Semitismus, Rassismus und Neo-Faschismus in der DDR leugnen können. D. Joseph, ein ehemaliger Professor für Rechtswissenschaft in der DDR, ist ein besonderer Aktivist in dieser Riege von Geschichtsleugnern, der es in einem Buch mit dem Titel „Nazis in der DDR“ doch fertig gebracht hat, etwa 2/3 lang über ehemaligen Nazis in der BRD zu schreiben und nur etwa 1/6 des Buches handelt von der versprochenen Thematik. Mit ihrem leugnende Verdrängen haben sie sich in den öffentlichen Diskussionen zu dieser Thematik bis in die Gegenwart hinein durchsetzen können, weil sie sich auf eine Publizistik stützen können, z. B. Neues Deutschland, junge Welt, Freitag oder edition ost, die ihre Statements verlässlich abdruckt und die der Gegenseite keinen Raum gibt. Dieser Kampf gegen die wissenschaftliche Aufklärung über die wahren Verhältnisse in der DDR begann bereits 1992/93, als in der Monatszeitschrift Konkret, als mehrere ehemalige Wissenschaftler der SED, über Anti-Faschismus und Anti-Semitismus in der DDR strittig diskutierten. Einer von ihnen, O. Groehler, hat in zwei längeren Artikeln seine Kritik am Anti-Faschismus der SED vorgetragen und die Anderen, unter ihnen der ehemaliger Professor für Geschichtswissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin, K. Pätzold, verteidigten den Anti-Faschismus der DDR. Über 10 Jahre später wurde diese Auseinandersetzung fortgesetzt, vorwiegend im Neuen Deutschland, in die junge Welt, im Freitag oder in den Mitteilungen der Kommunistischen Plattform (z. B. von den Autoren Richter , Heuer oder Brombacher ). Doch es kam noch härter: Die, zu Teilen auf meinen zeithistorischen Forschungsergebnissen basierenden, von der Amadeus-Antonio-Stiftung organisierte, Wanderausstellung zur Aufklärung über den Anti-Semitismus in der DDR: „Das hat es bei uns nicht gegeben“, wurde von ihnen hysterisch bekämpft. Mit ihren Beiträgen verschoben sie die Auseinandersetzung auf den Vorwurf hin, die Aufklärung über den Anti-Semitismus der SED hätte die Funktion, den „antifaschistischen Nimbus der DDR“ zu zerstören, lediglich aus ideologischen Absichten heraus, würde der Anti-Zionismus in „verkappten Antisemitismus umgefälscht“ werden, um den anti-faschistischen Charakter der SED zu verfälschen und damit die DDR insgesamt zu delegitimieren. Diesen Positionen stellen sie die Vielfalt der anti-faschistischen Bemühungen in Filmen, in der Literatur und im Schulunterricht entgegen. Diese Verteidigungsbemühungen sind absurd, gibt es doch niemand Ernstzunehmenden der behauptet, in der DDR hätte es keine Ansätze zur anti-faschistischen Aufklärung gegeben. In schändlicher Weise bezeichnete Pätzold die historisch-kritische Aufklärungsarbeit über den Verlauf und die Ursachen des Anti-Semitismus in der DDR nicht nur als Lüge, er zitierte dabei die Bibel (9. Gebot) und in einer grobschlächtigen Assoziation stellte er die Macher der Ausstellung mit dem faschistischen Lügenbaron J. Goebbels auf eine Stufe. Dass Redaktionen von linken Presseorganen einem solchen reaktionären Unsinn eine publizistische Plattform ermöglichen, ist unfassbar und zeugt von einer bodenlosen Verantwortungslosigkeit. Hinzu kommt, dass die autoritäre Ausrichtung dieser Diskussion, mir als kritisiertem Wissenschaftler keine Möglichkeiten einräumt, um meine Thesen zu vertreten. Es ist jedoch notwendig und richtig zu gleich, die gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnisse der DDR, einer auf historischen Tatsachen beruhenden wissenschaftlichen Grundlage, zu kritisieren, gerade was die Themen Anti-Semitismus, Rassismus und Neo-Faschismus angeht. Auch wenn diese Forschung den orthodoxen Verteidigern der untergegangenen DDR nicht gefällt, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass sie, wenn sie ernst genommen werden wollen, historische Tatsachen anerkennen müssen. Dieser Mangel zeigt sich auch darin, dass auf die tausenden von Beispielen für Neo-Nazismus, Anti-Semitismus und Rassismus in bornierter Weise entweder nicht eingegangen wird oder das immer wieder auf den Anti-Semitismus und Neo-Faschismus in der BRD verwiesen wird. Damit wird die Auseinandersetzung auf eine Ebene gezwungen, wo die vergangenen Schlachten des Kalten Krieges ohne Sinn verlängert werden. Anstatt das wir darüber diskutieren, was am Staatskapitalismus kritisiert werden muss, werden ost-deutsche Gegenden á la Potemkin aufgebaut, die aus dem Wunschdenken erwachsen, wenigsten beim Anti-Faschismus sei alles perfekt gewesen. Dass in dieser öffentlichen Debatte noch gar nicht alle geschichtswissenschaftlichen Tatsachen zur Kenntnis genommen worden sind, zeigt mit welcher hartnäckigen und erfolgreichen Borniertheit hier operiert wird, weil man sich vor einem Geschichtsbild fürchtet, dass sich von dem bisher in West- bzw. Ost-Deutschland geformten Beschreibungen wesentlich abhebt. Zur Frage der Legitimation durch Geschichtsschreibung ist bei M. Scharrer klar und deutlich formuliert, um was es zu gehen hat und was dabei zu bedenken ist: „Es gibt die Auffassung, deren Vertreter glauben, Geschichtsschreibung müsse ihre Parteilichkeit aus den Legitimationsbedürfnissen und politischen Absichten einer Partei oder anderer Interessenverbände ableiten. Diese Parteilichkeit führt oder verführt dann in aller Regel zu mehr oder weniger eklatanten Geschichtsklitterungen.“
Der auferlegte Bannfluch über meine Forschungsergebnisse konnte erst durchbrochen werden, als die Internetplattform www.shoa.de, trend onlinezeitung und die Bremer Stiftung Sozialgeschichte, hier Karl Heinz Roth, 2006 bzw. 2007 in der Rubrik sozial.geschichte.extra, meine zeithistorischen Texten zur DDR veröffentlichten. Diese Veröffentlichungen haben die Vertreter der Orthodoxie nicht dazu gebracht ihre falschen Positionen aufzugeben, noch immer vertreten sie ein gefälschtes, also ideologisches Geschichtsbild der DDR und sie werden, so viel ich weiß sind die meisten von ihnen Mitglieder der Partei Die Linke, von ihrer Organisation, zumindest öffentlich, gedeckt. Will diese Partei historische Glaubwürdigkeit gewinnen, so muss man von ihr fordern, diese Geschichtsklitterung aufzugeben. In und mit diesen Auseinandersetzungen zur Durchsetzung meiner Erkenntnisse aus der DDR-Forschung wurde mir klar, und das wäre vielleicht doch noch ein Anlass mich dankbar zu zeigen, dass auf dem Weg zu einer sozialistischen Theorie und Gesellschaft, auf eine Kritik an der von der kommunistischen, d. h. marxistisch-leninistischen Orthodoxie geschaffenen Realität nicht verzichtet werden kann. Im Gegenteil – aus den „Fehlern“ der DDR lernen, heißt siegen lernen!
Konkret 5/92 und 3/93, Hamburg1992 und 1993.
Rolf Richter: Antisemitismus in der DDR – Eine Ausstellung und ihre Zwecke, in: Mitteilungen der Kommunistischen Plattform, Juni 2007.
Jens-Uwe Heuer: Strukturelle Einseitigkeit. Anti-Semitismus der Linken? Eine Antwort, in: junge Welt vom 4.7.2007.
Daniela Dahn: Tragödien sind nicht zu Ende, wenn der Vorhang fällt. Wie antisemitisch war die DDR. Die aufklärerische Substanz war offensichtlich wirksamer als alle westdeutschen Versuche, in: Freitag 29, 20. Juli 2007.
Ellen Brombacher: Sie schaute mich an, als sei ich von Sinnen …, in: Mitteilungen der Kommunistischen Plattform, Juli 2007.