[Berlin-Friedrichshain] Zur Absage eines rechten Konzerts auf dem RAW-Gelände

Titelbild

Vom Ende der Ausgelassenheit - Aus gege­benen Anlass noch ein paar Worte zur Absage eines Kon­zerts der rechten „Military-Pop“-Band „Der­nière Volonté“, das vor genau einer Woche auf dem RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain hätte statt­finden sollen.

 

Die Absage ging nicht klanglos über die Bühne, es folgte eine Reihe von Stel­lung­nahmen und Debatten in ein­schlä­gigen Kom­men­tar­spalten und Foren. Ließt man dabei die Erklä­rungen der Veranstalter_innen, sucht man Ansätze einer dif­fe­ren­zierten Aus­ein­an­der­set­zung mit der ent­ge­gen­ge­brachten Kritik ver­ge­bens. Auch in den Kom­men­taren domi­nieren Abwehr­re­ak­tionen: Von einem „Mei­nungs­diktat“ ist die Rede und von „anonyme[n] politische[n] Extre­misten“, die das Kon­zert ver­hin­dert hätten [1], gar „mas­sive Dro­hungen durch Auto­nome Kräfte“ werden fabu­liert. [2]


Wir können uns zwar nur schwer aus­malen, welche Panik die Ver­öf­fent­li­chungen im Hause „Cere­mo­nies Berlin“ aus­ge­löst haben müssen: Nachdem der Ver­an­stal­tungsort das Kon­zert kurz­fristig abge­sagt hatte, im Zuge der auf­kei­menden Dis­kus­sion kurz­zeitig gar der „gute Ruf“ auf dem Spiel stand, finden wir es trotzdem etwas schwach, wie sich die Veranstalter_innen nun aus der inhalt­li­chen Debatte davon­stehlen. Anstelle sich dazu zu äußern, wie man in Zukunft mit rechten Künstler_innen umzu­gehen gedenkt, sti­li­siert man sich gekonnt zum Opfer:

 

„Die Absage des Kon­zerts erfolgte unter mas­sivem Druck der Antifa auf die Konzert-Vernue und uns als Ver­an­stalter. Eine Durch­füh­rung unge­achtet dieser Dro­hungen hätte eine poten­zi­elle Gefahr (im schlimmsten Falle auch kör­per­liche) für die Betei­ligten bedeutet. Das können und wollen wir nicht ver­ant­worten.“[3]

 

Was es mit diesen angeb­li­chen Dro­hungen „auto­nomer Kräfte“ auf sich haben soll, erschließt sich uns nicht. Wir können nur berichten, dass der Mail­ver­kehr mit dem „Urban Spree“ kurz und unauf­ge­regt war. Die Ent­schei­dung rechten Künstler_innen keine Bühne zu geben, war dort bereits gefallen, noch bevor man an uns her­an­trat. Eine Sich­tung der ersten Ver­öf­fent­li­chung hatte genügt. In einer anschlie­ßenden Email erklärten die Betreiber_innen des „Urban Spree“, sie hätten sich in Bezug auf das Boo­king gänz­lich auf die Ver­an­stal­tungs­crew von „Cere­mo­nies Berlin“ ver­lassen und fühlten sich nun­mehr, nachdem sie von den Hin­ter­gründen der Ver­an­stal­tung erfahren hatten, nach eigenen Worten: „miss­braucht“.

 

Vor lauter Für­sor­ge­be­kun­dungen kommt die offi­zi­elle Stel­lung­nahme von „Cere­mo­nies Berlin“ jedoch gänz­lich drum herum, auch nur einen ein­zigen der doku­men­tierten Kri­tik­punkte am geplanten Event mit „Der­nière Volonté“ und der haus­ei­genen Ver­an­stal­tungs­po­litik zu berühren.

 

Zwar kom­men­tiert „Cere­mo­nies Berlin“ sto­isch: „Nie­mand von uns hat behauptet, dass DV rechts sind“ [4], um den ent­täuschten Fans, die ihrem Ärger in den Kom­men­taren Luft machen, wenig später noch einmal zu ver­si­chern: „Es wird zu keinem Zeit­punkt von uns behauptet, DV wären Nazis.“ [5] Woher jedoch diese Über­zeu­gung, dieses Nicht-Behaupten kommt, dazu äußern sie sich frei­lich nicht. Auch keiner der dort kom­men­tie­renden Gäste stellt das Geschrie­bene in Abrede. Dabei wäre ange­sichts der zahl­rei­chen Aus­fälle nach rechts, die sich durch die Band­ge­schichte von „Der­nière Volonté“ ziehen, doch gerade die Frage: „Ja, warum eigent­lich nicht?“ von beson­derem Inter­esse gewesen.

 

Dabei stellen „Der­nière Volonté“, inner­halb des Genres Industrial/Avantgarde/Neofolk, bei Leibe keine Aus­nahme mehr dar. Sie sind viel­mehr Expo­nent einer ganzen Reihe von Pro­jekten und Künstler_innen, die neben einer oft­mals kaum vor­han­denen Abgren­zung zu anderen rechten, bis neo­na­zis­ti­schen Akteuren, vor allem, durch die stete Bezug­nahme auf faschis­ti­sche Ästhetik und Ikonen, samt deren Werke, fak­tisch auf deren Reha­bi­li­tie­rung im kul­tu­rellen Tages­dis­kurs hin­wirken. In Teilen der „Schwarzen Szene“ scheint diese Nor­ma­li­sie­rung bereits ein­ge­treten zu sein und so stoßen sowohl Koope­ra­tionen mit rechten bis neo­na­zis­ti­schen Musik­pro­jekten und Labels, als auch jene Ver­satz­stücke aus der Gedan­ken­welt der „Kon­ser­va­tiven Revo­lu­tion“ und der „Neuen Rechten“, die sich regel­mäßig in Inter­views, Book­lets oder auf Texten wie­der­finden, kaum noch auf offenen Wider­spruch. Auch der regel­mä­ßige Bei­fall aus neu­rechten Pos­tillen, wie der Jungen Frei­heit (JF) oder der Blauen Nar­zisse (BN), ver­an­lasst hier die Wenigsten zum kri­ti­schen Reflek­tieren. Mit Politik wolle man nichts am Hut haben, lautet eine beliebte Phrase. Man lasse sich nicht „von externen Kräften poli­ti­sieren“ [6], tönen auch „Cere­mo­nies Berlin“ in ihrer Stel­lung­nahme und ver­kennen dabei: Die rechte Poli­ti­sie­rung der eigenen Sub­kultur ist längst fort­ge­schritten und sie ist haus­ge­macht. Anstelle jedoch wie erwähnt, in der Debatte auch nur auf eine ein­zige der rechten Schnitt­mengen ein­zu­gehen, ver­schanzt man sich hinter All­ge­mein­plätzen:

 

„Wir stehen für Offen­heit, Tole­ranz und einen freien Geist, von daher ist bei uns jeder will­kommen — egal welche Haut­farbe, Natio­na­lität oder sexu­eller Ori­en­tie­rung sie/er besitzt. Für Gewalt, Mei­nungs­dik­tatur und Faschismus jeg­lichher Art bieten wir hin­gehen kei­nerlei Platt­form.“ [7]

 

Wäh­rend wir uns fragen müssen, wie Teile dieses Selbst­ver­ständ­nisses mit einem Auf­tritt rechter Künsterler_innen in Ein­klang zu bringen sind, sollte klar sein, dass „Mei­nungs­dik­tatur und Faschismus jeg­li­cher Art“ hier auf die Arbeit anti­fa­schis­ti­scher Recherche-Zusammenhänge abzielt. Ange­sichts eines sol­chen Umgangs mit Kritik bleibt leider auch die kri­ti­sierte Mit­wir­kung am Kon­zert von „Of the Wand & the Moon“ im „Bi Nuu“ in der wei­teren Stel­lung­nahme keine Erwäh­nung mehr Wert. Immerhin traten „Cere­mo­nies Berlin“ bei der rechts­of­fenen Ver­an­stal­tung im ver­gan­genen April im Kreuz­berger „Bi Nuu“ als offi­zi­elle Gastgeber_innen der After­show in Erschei­nung, wäh­rend der ein­schlä­gige „Lichterklang“-Versand über den Abend, mit einem Ver­kaufs­stand zugegen war und dem Publikum, neben Schwarzen Sonnen und allerlei Run­en­kitsch, auch eine Aus­wahl an Ton­trä­gern rechter bis rechts­of­fener Bands, wie „Von Thronstahl“,„Der Blutharsch“ oder „Boyd Rice“, feilbot. [8]


Ein illus­tres Publikum dürfte auch der nächste Gig von „Der­nière Volonté“ anziehen, der Anfang Oktober in Baden-Württemberg ins Haus steht. Nachdem aus der ange­kün­digten „First Berlin Show Ever“ Anfang Sep­tember nichts geworden ist, setzen sie ihre Tour fort und wollen am 12. Oktober im Mann­heimer „7er-Club“ ein Kon­zert, u.a. gemeinsam mit dem leip­ziger Neofolk-Projekt „Dark­wood“, geben. Dabei bewegen sie sich weiter in ein­schlägig „unpo­li­ti­schen“ Gefilden, wie ein Blick auf das Wirken von „Dark­wood“ zeigt.

 

Dark­wood: Von „Heimat“, „unge­küns­teltem Natio­nal­stolz“ und „Sie­ges­willen“

 

Auf der Home­page von „Dark­wood“ heißt es zum Anlass der Pro­jekt­grün­dung:

 

„Das Pro­jekt DARK­WOOD wurde aus der Not­wende heraus geboren, der Liebe zur Heimat Aus­druck zu ver­leihen. […] Die Ver­gan­gen­heit schwebt über uns allen wie ein Damo­kles­schwert. Wir alle sind über­schattet vom Leid des Krieges, die Liebe zu unserem jewei­ligen Hei­mat­land bleibt gezeichnet von Schmerz und Schuld­ge­fühlen — ver­gessen scheint die Schön­heit unserer Natur und Tra­di­tion.“

 

Hinter dem Musik­pro­jekt, wel­ches im deutsch­spra­chigen Raum als eine der Genre­größen gilt, steht der ursprüng­lich aus dem bran­den­bur­gi­schen Fins­ter­walde stam­mende Henryk Vogel. Als Ein­flüsse nennt Vogel u.a. Fried­rich Nietz­sche und den bei Faschisten glei­cher­maßen beliebten Oswald Sprengler, samt seinem Werk „Der Unter­gang des Abend­landes“. [9]

 

Zwar erklärt Vogel: „Mein Hei­mat­be­griff ist kein deutsch­tü­melnder, mein Hei­mat­pa­thos kein blinder Natio­na­lismus “ [10], die Vor­boten eines „gesunden Natio­nal­stolz“ möchte er den­noch wäh­rend der Fußball-WM in Deutsch­land im Jahre 2006 erkannt haben. Auf die Frage, ob er den „auf­kei­menden Patrio­tismus“ als „wirk­li­ches Bekenntnis zu Deutsch­land und seiner Kultur“ emp­finde, ant­wortet Vogel im Mai 2007:

 

„Dieser auf­kei­mende Patrio­tismus […] hatte einen posi­tiven Neben­ef­fekt, näm­lich genau den, dass sichtbar wurde, dass ein großes Iden­ti­täts­va­kuum in Deutsch­land herrscht und dass die Men­schen dieses Landes begierig sind, dass diese Vakuum gefüllt wird. Ich selbst habe die WM ver­folgt, obwohl ich mich eigent­lich nicht für Fuß­ball inter­es­siere. Und diese junge, fri­sche, unver­brauchte Mann­schaft mit ihrem unge­küns­telten Natio­nal­stolz und ihrem Sie­ges­willen hat es geschafft, die Men­schen zu fes­seln und ihnen eine Iden­ti­fi­ka­ti­ons­quelle zu sein. […] Nun ist Fuß­ball nicht das Leben und auch nicht gleich Kultur, obschon Tra­di­tion, und so könnte doch diese WM als Vor­bild dienen für den gesunden Natio­nal­stolz, der uns so abhanden gekommen zu sein scheint.“ [11]

 

Auch bei den Texten nimmt man kein Blatt vor den Mund:

 

„Auf­rechter Blick, ein Herz voller Güte. Dem Freunde Freund, dem Feinde Tod. Ent­schlossen han­deln für die Sache, den Kame­raden Vater in jeder Not. Die Erde ihres Hei­mat­landes, für ihren Kampf ist sie das Blut, sei alles Gold ver­gessen. Die Tugend ist ihr höchstes Gut.“

 

Jene Zeilen stammen aus dem Lied „Mord und Lüge“, das „Dark­wood“ im November 2001 für den Sam­pler „Codreanu — Eine Erin­ne­rung an den Kampf“ zu Ehren des rumä­ni­schen Faschis­ten­füh­rers Cor­neliu Zelea Codreanu bei­steu­erten. Auf dem Sam­pler eben­falls ver­treten waren, neben ein­schlä­gigen Bands wie „Von Thron­stahl“, „Changes“ und „Blood Axis“, auch die „Military-Popper“ von „Der­nière Volonté“.

 

So erscheint es fast müßig noch zu erwähnen, dass das Schaffen von „Dark­wood“ in den Publi­ka­tionen der „Neuen Rechten“ stets lobende Erwäh­nung findet [12] und dass die all­ge­meine Dank­sa­gung auf der Home­page des Pro­jekts endet, mit den ein­deutig zwei­deu­tigen Zeilen: „Vielen Dank an alle Freunde & Kame­raden.“


Fußnoten:
[1] „Letzt­end­lich wurde sich dem Mei­nungs­diktat unter­worfen“ / „Sams­tags stellen ein paar anonyme poli­ti­sche Extre­misten einen zusam­men­ge­klaubten Text ins Netz, […], und sonn­tags ist das ganze Kon­zert schon abge­sagt.“, face­book, 3. Sep­tember 2013
[2] „Die Venue [Loca­tion] hat das Kon­zert abge­sagt. Wir haben der Absage einen Tag später aus fol­genden Gründen folgen müssen: 1) Keine Alternativ-Location ver­fügbar 2) Sorge um das leib­liche Wohl von Gästen und Ver­an­stal­tern auf­grund mas­siver Dro­hungen durch auto­nome Kräfte.“, „Cere­mo­nies Berlin“, face­book, 3. Sep­tember 2013
[3] Offi­zi­elle Stel­lung­nahme zur Absage, „Cere­mo­nies Berlin“, face­book, 3. Sep­tember 2013
[4] „Nie­mand von uns hat behauptet, dass DV rechts sind. Es geht einzig und allein darum, dass das Team von Cere­mo­nies keine Sym­pa­thien zu rechts hegt.“, „Cere­mo­nies Berlin“, face­book, 3. Sep­tember 2013
[5] „Wir unter­stützen keine rechte[n] Ideo­lo­gien oder Bands. Es wird zu keinem Zeit­punkt von uns behauptet, DV wären Nazis. Es wäre überaus absurd gewesen, die Band dann zu buchen. Schade, dass man immer wieder ent­täuscht wird, wenn man von Men­schen etwas Reflek­tiert­heit, Kom­bi­na­ti­ons­fäh­rig­keit und Tole­ranz erwartet.“, „Cere­mo­nies Berlin“, face­book, 3. Sep­tember 2013
[6] Offi­zi­elle Stel­lung­nahme zur Absage, „Cere­mo­nies Berlin“, face­book, 3. Sep­tember 2013
[7] ebd.
[8] „Rechtes Kon­zert in Berlin-Friedrichshain“, Abschnitt: „Zuletzt im „Bi Nuu“: Of the Wand & the Moon“
[9] „Des wei­teren hielt ich fol­gende zwei phi­lo­so­phi­schen Werke für sehr inspi­rie­rend: Fried­rich Nietz­sche „Also sprach Zara­thustra“ und Oswald Spengler „Der Unter­gang des Abend­landes“.“ (sic), Henryk Vogel im Inter­view mit dem Obliveon-Fanzine, 22. Mai 2007
[10] Henryk Vogel im Inter­view mit dem „Alternativmusik-Fanzine“, 21. August 2007
[11] Henryk Vogel im Inter­view mit dem Obliveon-Fanzine, 22. Mai 2007
[12] „CD: Neo­folk — Tief­traurig“, Junge Frei­heit, 5. Februar 2010 / „Sonne Hagal läuten in Chem­nitz die Win­ters­zeit ein“, Blaue Nar­zisse, 21. Dezember 2009 / „Auf­bruch der Jugend“, Blaue Nar­zisse, 12. Sep­tember 2013

 

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