Asylrecht nur für Willkommene - Gegen den Zynismus der SPD

Kampf dem Rassismus!

Am 25.07.2013 haben wir, die Gruppe Rehkitz on the Block, den folgenden Flyer auf einer SPD Veranstaltung zum Thema Asylrecht in Halle verteilt. Dies erfolgte im Rahmen der Kampagne "Remember 93 - Kompromisse töten!", die wir damit solidarisch unterstützen wollen.

 

Für mehr Infos zur Kampagne: rememberasylkompromiss.noblogs.org

 

 


 

 

Asylrecht in Deutschland - Grundrecht für alle oder nur für Willkommene?“


So ist die heutige Veranstaltung der SPD-Halle in Rahmen des Wahlkampfes ihres Spitzenkandidaten Karamba Diaby überschrieben. Also als eine Frage die offen diskutiert werden soll. Dabei muss sich die SPD bei der Beantwortung dieser Frage gar nicht so schwer tun. Sie muss nicht mit einer rhetorischen Frage die Veranstaltung bewerben. Vielmehr könnte sie anhand ihrer eigenen Parteigeschichte die Frage beantworten: Asylrecht in Deutschland – Nur für Willkommene – Dafür stehen WIR: SPD – Partei „zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger in Deutschland“, „die Partei in der Mitte der Gesellschaft“. Das „Wohle aller Bürgerinnen und Bürger“, das Vollstrecken des Willens der „Mitte der Gesellschaft“, war vor 20 Jahren der ausschlaggebende Grund für einen Teil der SPD, das Grundrecht auf Asyl in Deutschland restriktiv zu ändern und genau zu der Situation zu verhelfen, welche die Antwort auf die Frage ist: „Wieso kommt dann in den Medien immer wieder die Frage auf, ob es zu leicht ist, nach Deutschland zu kommen?“. Denn die SPD weiß, die Frage ist falsch. Sie hat zusammen mit der CDU/CSU-FDP Koalition 1993 mit der Änderung des Artikels 16 (Grundrecht auf Asyl) durch eine Ergänzung mit einem Absatz diesen faktisch ausgehebelt. Nunmehr konnten Flüchtlinge nur noch Asyl in Deutschland bekommen, wenn sie nicht aus einem „sicheren Drittstaat“ stammten oder über einen solchen einreisten. Die Antwort lautet also: Die SPD hat mit dafür gesorgt, dass es nicht so leicht ist, in Deutschland Asyl zu beantragen, ganz zu schweigen von der Vergabe von Asyl. Davon wird im Ankündigungstext jedoch nicht geschrieben. Von den 64.539 Anträgen 2012 wurden lediglich 740 (1,2%) als Asylberechtigte anerkannt, ca. 8000 bekamen Flüchtlingsschutz und bei etwas über 8000 wurde ein Abschiebeverbot ausgesprochen. Somit wurde ca. 44.000 Menschen das Recht auf Asyl in Deutschland abgesprochen und sie zur Abschiebung frei gegeben. Eines der reichsten Industrienationen auf der Welt nahm somit im Jahr 2012, dem Jahr, in dem in Syrien weiterhin ein tödlicher Bürgerkrieg tobte, bei dem Hundertausende gestorben und auf der Flucht waren, dem Jahr, in dem die antiziganistische Stimmung und Handlungen in Ungarn und Südosteuropa das Leben von tausenden Menschen zu Hölle machten, ganz zu schweigen von den weltweit Millionen Menschen, die in Hunger und absoluter Armut leben, lediglich 17.140 Menschen auf.


An den Außengrenzen der EU starben seit 1988 laut Pro Asyl mehr als 18.500 Menschen, darunter allein 2011 ca. 2500. Diese Todesfälle stehen in direktem Zusammenhang mit der starken Abschottungspolitik der EU. Diese tödliche Entwicklung hat die SPD seit 1993 mit der Änderung des Grundrechts auf Asyl und auch mit ihrer Regierungszeit von 1998 bis 2009 mitgetragen. So fiel in ihrer Regierungszeit im Jahr 2003 u.a. das Inkrafttreten der Dublin II-Verordnung, in der geregelt wurde, dass Flüchtlinge sich nicht mehr ihr Zielland in der EU selbst aussuchen können, denn nun ist das EU-Land für ihr Asylgesuch zuständig, welches sie zuerst betreten haben. Deutschland kann sich also perfekt abschotten. Mit der Flughafenregelung mit Schnellverfahren seit 1993 ist es somit fast unmöglich, in Deutschland Asyl zu bekommen (1,2% im Jahr 2012). Laut Wahlkampfprogramm der SPD will diese die Flughafenregelung lediglich aussetzen und nicht gänzlich abschaffen und somit grundsätzlich ein geregeltes und ordentliches Verfahren ermöglichen. Die Aussetzung dieses restriktiven Verfahrens passiert auch nicht aus humanitären Gründen, sondern auf Grund „ seiner geringe(n) Bedeutung“, wegen „sehr geringer Fallzahlen“.


Die damalige Ausländerbeauftragte Marieluise Beck kritisierte 2004 die Rot-Grüne Koalition dafür, dass sie die Zusage aus dem Koalitionsvertrag nicht umgesetzt habe. Auch Amnesty International kritisierte die Koalition, da kaum Fortschritte in ihrer Amtszeit stattfanden. Von daher klingt die erste Seite im Wahlkampfprogramm 2013 der SPD zum Thema: „Für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik“ eher wie übliche Floskeln, die man zum einen nicht ernsthaft angehen möchte und zum anderen sind es Arbeitsfelder, welche sie seit Jahrzehnten teilweise zu verschulden hat. Schaut man sich das reale Handeln der SPD an, so sieht man starke Widersprüche zu ihrer propagierten Position zur Flüchtlingspolitik, welche ganz nebenbei in ihrem kurzen Wahlprogramm mit dem arroganten Hinweis „Einfache Sprache“ überhaupt nicht erwähnt wird. Scheinbar hat die SPD Angst, dass ein Teil der Deutschen sie nicht wählt, wenn sie Flüchtlinge als wirkliche Menschen behandelt, so wie schon 1993. In Bremen lässt der rot-grüne Senat 2012 immer noch Sammelunterkünfte bauen, obwohl diese seit Jahren kritisiert werden. In Baden-Württemberg wollte die grün-rote Regierung die faktischen Abschiebestopps von Roma - Familien in den Kosovo aufheben, obwohl diese dort nicht sicher und voller Diskriminierung leben. Die Hamburger SPD weigerte sich in diesen Jahr, für 300 lybische Flüchtlinge, welche seit März obdachlos sind, ein Abschiebe-Moratorium zuzulassen, damit mehr Zeit für die Suche einer humanitären Lösung ist. Stattdessen möchte sie die Flüchtlinge sofort zurück nach Italien schicken, obwohl dort die Situation von Flüchtlingen äußerst prekär ist.


Die Grund- und Menschenrechte sind der SPD im Zweifel egal und mehr schöner Schein als wirkliche Agenda. In Wirklichkeit ist die SPD das, was sie auch immer vorgibt zu sein: Eine deutsche Volkspartei. Erst kommt das deutsche Volk und der deutsche Standort. So steht es auch im Wahlkampfprogramm: „Nur im gemeinsamen europäischen Staatenverbund“ (unter Führung Deutschlands) „wird es uns gelingen unsere Interessen im 21. Jahrhundert global durchzusetzen und dadurch unseren Wohlstand zu erhalten.“ Das bedeutet, dass die Millionen Überflüssigen auf der Welt sehen können wo sie bleiben, denn der Wohlstand hier ist mit der brutalen kapitalisitschen Ausbeutung in anderen Regionen der Welt untrennbar. Und wie man Kapital- und Volksinteressen durchsetzten kann, hat die SPD mit der Abschaffung des Asylrechts und den Hartz-4 Gesetzen perfekt gezeigt.


Wir wünschen ihnen viel Spaß bei der Veranstaltung, bei der sich die SPD wieder als „große politische Kraft für Demokratie und Emanzipation“ darstellen wird. Dieses Jahr unter dem Motto „Das WIR entscheidet“. Das „WIR“ hierbei jedoch nichts mit Demokratie und Emanzipation zu tun hat, sondern mit Volk und Gemeinschaft, müsste man aus der Geschichte wissen. In der Demokratie sollten die Einzelnen als Individuen streiten und sich von starren Bindungen emanzipieren, aber auf den Einzelnen kommt es nicht an, sondern nur auf seine produktive Verwertung. Das spüren die Geflüchteten, wenn ihnen das „Wir“ wie 1993 in ganz Deutschland, 2013 in Vockerode, Wolgast oder Berlin-Hellersdorf entgegenschlägt.


Wir stimmen der Kampagne „Remeber 93“ zu, die schreibt: „Mit der Abschaffung des Asylrechts wurde gezeigt, dass sich selbst die nicht offen rassistischen Parteien, um ihren Machterhalt zu sichern, im Zweifel tzdem rassistischen Mob auf der Straße stärker verpflichtet fühlen, als den Menschen- und Grundrechten von Menschen in Not. Wer es ernst meint mit der, leider meist nur gegen die NPD gerichtete Parole, „Kein Kreuz für Mörder und Rassisten“, der muss sie auch auf jene Parteien und Politiker beziehen, die das Asylrecht abgeschafft haben und weiterhin mitverantwortlich sind, dass täglich Menschen an den europäischen Grenzen sterben. (…)Es gilt 20 Jahre nach der Abschaffung des Asylrechts den Bundestagswahlkampf zu“ kritisieren wo es nur geht!


Kein Mensch ist illegal!

Gegen die Heuchelei und den Zynismus der SPD.


Rehkitz on the Block Halle, den 25. Juli 2013