Trier, 8. Juni: Bleiberechtsdemonstration

Refugees Welcome

the future is unwritten. Globale Bewegungsfreiheit ermöglichen – Kapitalismus überwinden

Vor 20 Jahren beschlossen CDU/CSU und SPD den Asylkompromiss und damit die faktische Abschaffung des Asylrechts in Deutschland. Dies geschah als Reaktion auf die bundesweiten Pogrome von Nazis und Bürger_innen die sich in der Wiederbelebung der Volksgemeinschaft gegen Asylbewerber_innen gerichtet hat. So geschehen zum Beispiel in Rostock-Lichtenhagen, wo 1992 vier Tage lang Nazis unter Beifall und mit tatkräftiger Unterstützung der Anwohner_innen gegen ein Asylbewerber_innenheim randalierten und es schließlich in Brand steckten – die Polizei griff nicht ein. Nur durch Glück gab es bei diesen Ausschreitungen keine Toten. Ein anderes Beispiel ist Solingen, wo bei einem Brandanschlag auf das Haus der Familie Genç im Jahre 1993 fünf Menschen starben und mehrere schwer verletzt wurden.
Statt daraufhin gegen den Rassismus der sogenannten Mitte der Gesellschaft vorzugehen, wurde in der öffentlichen Diskussion eine „Asylantenflut“ als Naturkatastrophe konstruiert, die letztlich der Legitimation der faktischen Abschaffung des Asylrechts diente. Schuld an den Pogromen war also, nach gängigem Diskurs, nicht der deutsche Mob samt seinem Rassismus und Nationalismus, sondern die Asylbewerber_innen, die folglich verschwinden sollten. Deutsche Opfer-Täter-Verkehrung reloaded.
Heute, 20 Jahre später sieht es nicht besser aus. Die Grenzen Europas werden abgeschottet und tausende Flüchtlinge sterben bei dem Versuch und in der Hoffnung ein besseres Leben zu erreichen. Schaffen sie es trotz aller Schikanen nach Europa, werden sie mit Drittstaatenregelung, Residenzpflicht, Arbeitsverboten, Bürokratie und durch die Polizei mürbe gemacht. Asylanträge werden nur in etwa 1% der Fälle als berechtigt anerkannt. Die große Mehrheit erwartet hier also im besten Falle eine vorübergehende Duldung, im schlimmsten ein Leben in Illegalität oder Abschiebung zurück in noch größeres Elend.

 
Es wäre jedoch falsch diese Entwicklungen allein auf Nationalismus und Rassismus der deutschen Gesellschaft zurückzuführen. Diese dienen zwar als ideologischer Kit um den Laden zusammen zu halten und die Maßnahmen zu legitimieren, können jedoch nicht als Ursache der Abschottung gesehen werden. Die ist vielmehr in der Logik der warenproduzierenden, kapitalistischen Gesellschaft zu suchen, in der der Profit der Zweck der Produktion und die Menschen nur die Mittel dazu sind. Im Vordergrund steht hier die Verwertung des Kapitals – aus Geld mehr Geld zu machen. Die Produktion von Waren, die der Lebenserhaltung der Menschen dienen ist dabei nur ein Anhängsel, das dem Zweck der Verwertung untergeordnet ist. Eine solche Gesellschaft produziert notwendigerweise Arbeitslosigkeit, Armut und Ausschluss. Denn in ihr sind nur diejenigen etwas wert, die im Sinne der Verwertung gebraucht werden. Die „Festung Europa“ ist nur in diesem Zusammenhang zu verstehen, denn sie ist die Abschottung gegen die Menschen, deren Lebensgrundlage durch den westlichen Kapitalismus entzogen wird. Der Kapitalismus produziert auf der ganzen Welt soziale und politische Katastrophen und muss sich gleichzeitig von den dadurch hervorgebrachten Flüchtlingsbewegungen abschotten, um weiter existieren zu können. Erwünscht sind daher lediglich „hochqualifizierte“ Arbeiter_innen, alle anderen werden ausgeschlossen.

In Zeiten der Krise, die inzwischen zum Normalzustand geworden zu sein scheint, steht die radikale Linke in Deutschland ratlos vor der sozialen Katastrophe, die sich gerade in den südlichen Ländern Europas ereignet. Massenarbeitslosigkeit und extreme Kürzungen bei sozialen Leistungen sind nur zwei Beispiele, die vor allem die Gesellschaft in Griechenland zerstören und zu einem enormen Anstieg der Selbstmordraten und Depressionserkrankungen geführt haben.
Die Identifikation mit der Nation und ihren Zielen scheint hierzulande noch zu sehr verankert, als dass eine soziale Bewegung möglich ist, die sich durch grenzübergreifende, antinationale Solidarität auszeichnet. Stattdessen grassieren weiter Ressentiments wie das von den „faulen Griechen“, die das hart verdiente deutsche Geld verschwenden.
In dieser Situation bleibt der radikalen Linken nur wenig Handlungsspielraum. Interventionen in bestehende Kämpfe und ihre Erweiterung durch eine Kritik, die auf die ökonomische Basis der Gesellschaft zielt, scheint uns dabei eine Option. Diese Kritik wollen wir sichtbar machen und den nationalen Konsens zumindest für eine kurze Zeit zu brechen. Autoritären Krisenlösungsmodellen in all ihren Facetten, von Austeritätspolitik und der Hegemonie Deutschlands in Europa bis hin zu separatistischen und völkischen Bewegungen, soll dadurch etwas entgegensetzt werden. Deswegen rufen wir zur Teilnahme an der Demonstration für globale Bewegungsfreiheit und Bleiberecht auf. Jedoch nicht ohne darauf zu verweisen, dass diese Forderungen nur erreicht werden können, wenn wir diese Gesellschaft anders organisieren. Daher haben wir uns dazu entschieden unter eigenem Motto und Aufruf zu mobilisieren.

Wir wollen die vorhandenen Ressourcen an Naturstoffen, Betriebsmitteln und nicht zuletzt menschlichen Fähigkeiten so einsetzen, dass allen Menschen ein gutes, genussvolles Leben frei von Armut und Hunger gewährleistet wird. Wir wollen auf den gegebenen technischen Möglichkeiten der Gesellschaft die Produktion so organisieren, dass möglichst wenig Arbeit für jede_n notwendig ist, statt Überstunden und Burn-Out auf der einen und Verelendung durch Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite. Wir wollen eine befreite Gesellschaft, in der jede_r ohne Angst verschieden sein kann. Wir wollen den kosmopolitischen Kommunismus.
Deshalb rufen wir dazu auf, an der Demonstration am 08. Juni 2013 um 14 Uhr unter dem Motto „the future is unwritten. Globale Bewegungsfreiheit ermöglichen – Kapitalismus überwinden“ teilzunehmen und linksradikale Gesellschaftskritik auch in Trier sichtbar zu machen. In einer Stadt, in der inhaltliche Auseinandersetzung mit Plastikfiguren von Marx verwechselt wird, scheint uns dies auch dringend notwendig.*

Starten wird die Demo vor der „Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende“ in der Dasbachstraße 19. Vom Hauptbahnhof empfehlen wir die Buslinie 85 oder 86 bis zur Haltestelle Nells-Park.


* Vom 5.-26.5.2013 sind in der Innenstadt Triers anlässlich des 195. Geburtstags von Karl Marx 500 Marx-Skulpturen von 100 cm Höhe ausgestellt. Der verantwortliche Künstler Ottmar Hörl sagt dazu: „Auf einen Platz konzentriert oder im Stadtraum verteilt werden meine Installationen zu visuellen wie greifbaren Hindernissen. Sie sollen ein Nachdenken auslösen, einen Moment des Innehaltens“