[Heidelberg] Gegen reaktionäre Männerbünde, Nationalismus und Geschichtslügen

Burschen wegkegeln!

Studentenverbindungen? Das ist doch so was von 1900! Leider nicht. In den 1970er Jahren hatten viele Studentenverbindungen erhebliche Nachwuchsprobleme – militärische Rituale, Volkstümelei und pathetisches Gerede von Männerbund, Vaterland und Ehre schienen nicht mehr zeitgemäß. Seit der Wiedervereinigung und dem „neuen deutschen Großmachtbewusstsein“, das sie mit sich brachte, erhalten Korporationen wieder Zulauf.

 

Mit ihrem Ehr- und Traditionsbegriff, mit ihrem Prinzip des tief emotional verwurzelten lebenslangen Männerbundes und ihren protektionistischen Netzwerken stellen Studentenverbindungen ein geschlossenes System dar, das sich als vortrefflich geeignet erwiesen hat, die Kontinuität autoritärer und nationalistischer Denkmuster über viele Generationen hinweg zu gewährleisten. Manfred Kanther, ehemaliger Bundesinnenminister und Alte Herr des Corps Guestphalia et Suevoborussia in Marburg hat das programmatisch einmal so formuliert: „Wir wollen auch weiterhin nationalgesinnte Menschen in alle führenden Berufe unserer Gesellschaft entsenden.“ Das gilt grundsätzlich für fast alle Verbindungen, ob sie Mensuren fechten oder nicht, ob sie konfessionell gebunden sind, sich Turnerschaften, Corps oder sonstwie nennen.

Lieber ein Geschwür am After als ein deutscher Burschenschafter
Die Burschenschaften als besondere Form der studentischen Korporationen haben innerhalb des deutschen Verbindungswesens schon immer eine besondere Stellung eingenommen. Anders als andere Verbindungen, die zwar ebenfalls immer wieder durch rassistische und deutschnationale Ausfälle auf sich aufmerksam machten, aber sich in ihrer offiziellen Außendarstellung meist all zu deutlicher politischer Positionierungen enthalten, verstehen sich die Burschenschaften seit jeher in erster Linie als politische Vereinigungen, die sich in der Form exklusiver akademischer Männerbünde organisieren. Und diese politischen Vereinigungen standen – sieht man von ihren zwiespältigen Anfangsjahren im 19.Jahrhundert ab – schon immer ganz weit rechts. Bereits 1920 – lang vor dem Aufstieg der Nationalsozialisten - wurde auf dem „Burschenschaftstag“ in Eisenach die offizielle Satzung des Dachverbandes ergänzt: „Die Burschenschaft steht auf dem Rassestandpunkt; nur deutsche Studenten arischer Abstammung, die sich zum Deutschtum bekennen, werden in die Burschenschaft aufgenommen.“ Die Machtübergabe an die Nazis wurde 1933 von der Deutschen Burschenschaft frenetisch gefeiert: „Was wir seit Jahren ersehnt und erstrebt und wofür wir im Geiste der Burschenschaft von 1817 jahraus, jahrein an uns gearbeitet haben, ist Tatsache geworden.“ Hieß es in den Burschenschaftlichen Blättern.


Schon bald nach ihrer Wiedergründung 1950 schrieb sich die „Deutsche Burschenschaft“ (DB) erneut auf die Fahnen, dem völkischen Prinzip (oder wie sie es nennen: dem „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“) zu neuem Glanz zu verhelfen.


Seit ihrem letzten Burschentag 2012, der mit einem Durchmarsch des äußersten rechten Flügels der DB endete, setzt sich die unverminderte Rechtsentwicklung des Dachverbandes fort. Seit die rassistischen Ausfälle um verbandsinterne Arierparagraphen und die Einstufung Dietrich Bonhoeffers als „Landesverräter“ durch den Schriftleiter der ‚Burschenschaftlichen Blätter’, Norbert Weidner, publik wurden, haben mehr als zwanzig Burschenschaften aus Sorge um ihr Image in der Öffentlichkeit die DB verlassen.

Braune Burschen auf dem Heidelberger Schlossberg
Anders die Heidelberger Burschenschaft Normannia, die innerhalb der DB schon immer zu den völkischen Hardlinern zählte. In den Reihen der Normannia sammelt sich das gesamte Spektrum der extremen Rechten – vom offenen Neonazismus über die Republikaner bis zum rechten Rand der CDU. Christian Schaar, stellvertretender Vorsitzender des Altherrenbundes, war beispielsweise als Bundesvorsitzender der neonazistischen „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO) alljährlich für die Anmeldung der europaweit größten Naziaufmärsche in Dresden verantwortlich.


Die Burschenschaft Normannia verteilte mehrfach antisemitische Flugblätter in Heidelberg, veranstaltete Vorträge mit verurteilten Rechtsterroristen wie dem „Südtirolbomber“ Erhart Hartung und organisierte klandestine Tagungen mit vorbestraften Volksverhetzern.


Das Protokoll eines Generalconvents der Normannia vom Juli 2012 belegt, dass den „Bundesbrüdern“ empfohlen wird, in der Öffentlichkeit auf die sonst übliche Begrüßung mit „Heil!“ zu verzichten. Es handelt sich wohlgemerkt keineswegs um ein Verbot, sondern lediglich um eine Empfehlung zum Verhalten vor Außenstehenden. Eine Distanzierung von den faschistischen Umtrieben der Vergangenheit (und Gegenwart) wird man in der Geschichte der Normannia vergeblich suchen.


Dennoch hört man von den anderen Heidelberger Verbindungen in der Öffentlichkeit allenfalls halbherzige Beteuerungen, man teile die Positionen der Normannia nicht in allen Punkten. Intern werden die Normannen weiterhin als „verehrte Farben- und Waffenbrüder“ bezeichnet und die schlagenden Verbindungen pflegen einen regen Austausch mit der Normannia in der „Heidelberger Interessengemeinschaft“. Ein korporierter Nazi steht dem Milieu der Heidelberger Verbindungen allemal näher als ein verbindungskritischer Außenstehender. Das ist kein Wunder, teilt man doch nicht nur die gleiche Sozialisation, sondern auch gemeinsame Vorstellungen von Ehrenhaftigkeit, Männerbund und Vaterlandsliebe.

„Der Abort als Vorbild der Nation!“ (Kurt Tucholsky)
Die Alliierten hatten nach 1945 guten Grund, die studentischen Korporationen insgesamt wegen ihrer ideologischen Nähe zum Nationalsozialismus zu verbieten. Das Verbindungswesen mit seinen Seilschaften ist nach wie vor eine Brutstätte von Militarismus, Nationalismus, bürgerlichem Elitedünkel und Geschichtsrevisionismus. Dass solche Vereine immer noch Zulauf erhalten, ist abstoßend, aber nicht wirklich überraschend. Erschreckend aktuell ist, was Tucholsky bereits 1928 über deutsche Verbindungsstudenten geschrieben hatte, die schon wenige Jahre später seine Bücher unter „Heil“-Gegröle verbrannten:


„Denn das Schauerliche an dieser Geistesformung ist doch, dass sie den Deutschen bei seinen schlechtesten Eigenschaften packt (...); dass sie das anständige, humane Deutschland niedertrampelt; dass sie sich an das Niedrige im Menschen wendet, also immer Erfolg haben wird; dass sie mit Schmalz arbeitet und einem Zwerchfell, das sich atembeklemmend hebt, wenn das Massengefühl geweckt ist. (...) Deutschland ist im Aufstieg begriffen. Welches Deutschland? Das alte, formal gewandelte; eins, das mit Recht nach seinen bösen Handlungen und nicht nach seinen guten Büchern beurteilt wird, und das bis ins republikanische Herz hinein frisch angestrichen ist, umgewandelt und ungewandelt: die wahrste Lüge unsrer Zeit. Das Deutschland jener jungen Leute, die schon so früh ›Alte Herren‹ sind, und die für ihr Land einen Fluch darstellen, einen Albdruck und die Spirochäten der deutschen Krankheit.“

Erster Mai burschenfrei!
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begannen Heidelberger Burschenschaften, den von den ArbeiterInnen begangenen Kampftag am 1. Mai auf ihre Weise zu beginnen, nämlich indem sie am 30. April mit Fackeln auf dem Marktplatz aufmarschierten und „nationales Liedgut“ zum Besten gaben. Das war schon damals kein harmloser Frühlingsbrauch, wie es die Burschenschafter gern behaupten, sondern eine gezielte Provokation, die zu entsprechenden Reaktionen führte. Schon um 1920 wird von Straßenschlachten zwischen Verbindungsstudenten und Mitgliedern der ArbeiterInnenbewegung während des „Maiansingens“ berichtet – eine Tradition, die in den 1980er Jahren verstärkt wieder aufgegriffen wurde. Seit 1995 sind die Burschenschafter dem antifaschistischen Protest gewichen und ziehen es vor, ihr Maiansingen in der Sicherheit ihrer Villen am Schlossberg abzuhalten.


Sorgen wir dafür, dass den ewiggestrigen Verbindungsstudenten statt Morgenluft weiterhin ein scharfer Wind um die Ohren pfeift. Wer glaubt, in Heidelberg mit Band und Mütze einherstolzieren zu müssen, muss darauf gefasst sein, dass er auf massiven Widerspruch stößt.

Couleur tragen, heißt Ärger kriegen ...
Normannen nach Walhalla!
Burschenschaften wegkegeln!

 

 

16. Antifaschistisches Straßenfest am 30. April 2013 in Heidelberg

Zusammen kegeln - zusammen kämpfen!

 

Antifa-Stadtrundgang "Studentenverbindungen in Heidelberg" am 28. April 2013