Wieder neue Führung, aber immer weniger Mitglieder bei der sächsischen NPD

“Siedlerclub”

Vor Ort: Holger Szymanski ist neuer Vorsitzender der NPD in Sachsen. Beim Landesparteitag am vergangenen Sonnabend in Doberschütz (Kreis Nordsachsen) wurde der 40-Jährige einstimmig gewählt. Sein Amtsvorgänger Mario Löffler hatte nur ein Jahr durchgehalten. Die Chancen für den Nachfolger stehen nicht besser.

 

In der beschaulichen Sprotta-Siedlung, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, steht ein “Nationales Schulungs- und Begegnungszentrum”. Das will die NPD vor gut zwei Jahren in der nordsächsischen Kleinstadt Eilenburg eröffnet haben. In Wirklichkeit handelt es sich um den “Siedlerclub”, die Gaststätte einer kleinen Gartensparte, einige Kilometer östlich von Eilenburg. Sprotta-Siedlung ist ein Winz-Ortsteil der Gemeinde Doberschütz.

Im dortigen “Zentrum” also haben sich wiederholt Neonazis getroffen – mal zur Schulung, mal zum Umtrunk. Und nun, am 12. Januar, zum Landesparteitag der NPD.

 

Mehr als 100 Gäste wollte die Partei auf die Beine bringen, der Neonazi-Sänger Frank Rennicke sollte ein Ständchen bringen. Zum Leidwesen jener Partei, die gerade an vielem leidet, wurde daraus nichts: Aus Gründen des Baurechts und des Brandschutzes – für die NPD ein klarer “Repressionsversuch” – ließ die Polizei nur 52 Teilnehmer hinein, am Ende wurde es knapp 60. Fast alle waren Delegierte.

Deren Aufgabe war vor allem die Neuwahl des Landesvorstandes und des Vorsitzenden. Wichtigstes Ergebnis: Den Chefposten bekleidet fortan Holger Szymanski. Der ehemalige FDJ-Funktionär aus Görlitz ging 1993 zu den “Republikanern”. Er war Gründungsmitglied der “Jungen Landsmannschaft Ostpreußen” (JLO) im Freistaat. Der NPD ist er aber erst beigetreten, nachdem sie 2004 in den Sächsischen Landtag eingezogen war. Dort leitet er heute den parlamentarischen Beratungsdienst der NPD-Fraktion.

 

Partei tritt auf der Stelle


Aufgefallen ist der Ostsachse bisher als Vorstand des “Bildungswerks für Heimat und nationale Identität”. Zu Szymanskis Projekten gehört es, aus dem Verein eine Partei-Stiftung zu machen, doch seit Jahren will daraus nichts werden. Ansonsten ist Szymanski ein farbloser Typ, vom Braun mal abgesehen. Ihn zeichnet aus, dass er unverbrüchlich hinter Holger Apfel steht.

 

Das ist allerdings ein Grund, warum gerade Szymanski nun den Landesverband anführt. Der andere Grund ist, dass sein Vorgänger Mario Löffler das Handtuch geworfen hat. Bereits im Herbst hatte er angekündigt, den Landesvorsitz wegen seiner “privaten Situation” vorzeitig aufzugeben – nach nur einem Jahr im Amt.

Dieser Schritt war weder privat, noch einvernehmlich: Nach GAMMA-Recherchen gibt es anhaltende Konflikte mit dem Parteichef Holger Apfel, der den strategisch wichtigen Sachsen-Verband weiterhin steuern will. Ferner hatten Kreisverbände geklagt, sie würden finanziell an einer kurzen Leine gehalten.

Der Parteitag änderte daran nichts. Während die Delegierten im “Siedlerclub” Rehkeulen verzehrten, blieben die Probleme auf dem Tisch. Es gab keine Aussprache über die klammen Finanzen der Kreisverbände. Keine Idee, wie der Trend zur immer schmaleren Parteibasis zu stoppen sei. Und keinen Sanierungsplan für den angeschlagenen “Deutsche Stimme”-Verlag.

 

Eckart Bräuniger, der bis vor kurzem die Geschicke des “Deutsche Stimme”-Verlages in Riesa leitete, ist mittlerweile geschasst worden. Von der politischen Arbeit hat er sich zurückgezogen und sein Parteibuch abgegeben. Das habe “gesundheitliche” Gründe, heißt es bei der NPD. Wie am Rande des Parteitags aber auch zu vernehmen war, soll er der NPD allein durch das jüngste “Deutsche Stimme”-Pressefest ein weiteres Defizit in fünfstelliger Höhe hinterlassen haben.

 

Verbände verschwunden


Die NPD sprach nach dem Parteitag von einer “einstimmigen” Wahl des Vorsitzenden und “souveränen Ergebnissen” der Stellvertreter und Beisitzer. Wie üblich dementiert die Partei dagegen schlechte Nachrichten aller Art. Maik Scheffler – alter und neuer Vize-Landeschef – hat beispielsweise Berichte zurückgewiesen, wonach er selbst sich um den vakanten Spitzenposten bemüht habe. Das sei alles “Phantasie”. Er habe stattdessen “große Zuversicht auf eine konstruktive und erfolgreiche Zusammenarbeit.”

 

Was zu beweisen wäre. Denn erstens deutet der Stimmungstest unter den Delegierten etwas anderes an: Scheffler bekam für seine Rede, in der er das “BRD-System” geißelte, viel Zustimmung und langen Applaus. Die Reaktionen auf Apfel und Szymanski waren eher verhalten. Zweitens ist nicht zu übersehen, dass im neuen Landesvorstand die Kreisverbände Mittelsachsen, Chemnitz, Vogtland, Landkreis Leipzig und Bautzen überhaupt nicht vertreten sind.

Helmut Herrmann, Vorsitzender des einstigen Vorzeige-Kreisverbandes Leipzig, hat seinen Posten als stellvertretender Landesvorsitzender räumen müssen. Der 78-Jährige nennt sich nun “Ehrenvorsitzender” des Landesverbandes. Die jüngste Bilanz des Landesverbandes gereicht aber keinem zur Ehre: Über Mitgliedsbeiträge erwirtschaftet die Sachsen-NPD derzeit jährlich etwa 12.000 Euro, sagte Landesschatzmeister Alexander Delle. Bisher waren es mehr als 14.000 Euro.

 

Der Rückgang widerspiegelt die sinkenden Mitgliederzahlen, über die am Sonnabend übrigens keine Angaben gemacht wurden. Wahrscheinlich hat die Basis schon die 700er-Marke unterschritten. Bezeichnend dabei: Die Anfang 2011 vollzogene Fusion mit der DVU hatte in Sachsen überhaupt keinen Effekt. Damals behauptete Apfel, 42 DVUler hätten sich im Freistaat der NPD angeschlossen. Zu dem Zeitpunkt hatte die DVU im Freistaat aber nur etwa 35 Mitglieder. Tatsächlich zur NPD übergretreten sind höchstens fünf.

 

Angst vor V-Leuten


Der Parteitag widmete sich profaneren Problemen. Einmal mehr beschwor Holger Apfel seine Gefolgschaft, die NPD könne überhaupt nicht verboten werden – schließlich lehne sie Gewalt ab. Eine Partei, die nichts Verbotenes tut, könne auch nicht verboten werden, hieß es in der Standardrede. Eine mutige These.

Dennoch hat diese Partei, die angeblich nichts Verbotenes tut, Angst davor, dass etwas anderes bekannt werden könnte. Beschlossen wurde beim Parteitag, dass sämtliche Mitglieder des Landesvorstandes eidesstattlich versichern müssen, keine V-Leute zu sein. Falls doch, wird eine “Strafe” in Höhe von 15.000 Euro fällig, plus Jahreszins von zwölf Prozent. In dem Text, der seit Sonnabend verbindlich ist, heißt es:

 

“Ich bestätige, daß ich kein Mitarbeiter oder Informant eines Amtes des Verfassungsschutzes, des Bundesnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdienstes, sonstiger in- oder ausländischer Geheimdienste bin. Sollte ich von solchen Stellen angesprochen werden, verpflichte ich mich, unverzüglich dem Parteivorsitzenden Mitteilung zu machen.”

 

Jede Indiskretion sei “parteischädigend” und könne zum sofortigen Ausschluss führen, heißt es weiter. Das gelte auch für den Fall, dass “vertrauliche Informationen” an die Medien oder den “politischen Gegner” gegeben werden.

 

Im Vorstand der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) der NPD ist diese Erklärung bereits vor zwei Jahren eingeführt worden. Ein Treppenwitz am Rande: Verfasser der Textvorlage ist der NPD-Bundesvize Frank Schwerdt. Der kennt sich mit der Sache aus, denn sein politischer Ziehsohn Tino Brandt (Thüringer Heimatschutz) – ein Weggefährte der NSU-Terroristen – ist einer der bekanntesten V-Männer der Republik. Teile der Szene wussten das schon vor seiner Enttarnung.

 

Showdown für 2014 angekündigt


Der Landesparteitag hat den bisherigen Apfel-Kurs der “seriösen Radikalität”, aller Kritik aus der eigenen Partei zum Trotz, weiter befestigt. Das kehrte nachher auch die NPD nach außen und zitierte Szymanski, “unter seiner Führung” werde es “eine gute Zusammenarbeit mit konstruktiven und kooperationswilligen parteifreien Nationalisten”. Dann kommt das große Aber: Man werde nicht zulassen, dass “staatlich gesteuerte Kräfte die nationale Opposition diskreditieren.”

 

Auch das zerrüttete Verhältnis zu den “Freien Kräften” wird sich damit auf absehbare Zeit nicht bessern, jedenfalls ist das keine Priorität. Stattdessen werde sich die NPD laut Apfel darauf konzentrieren, im nächsten Jahr “mit einem Paukenschlag” ins Europaparlament einzuziehen. Jüngste Umfragen lassen eher vermuten, dass die NPD zu der Zeit aus dem Sächsischen Landtag fliegen wird.

Schwer verdauliche Aussichten, selbst für die Delegierten. Zufall oder nicht: Der Parteitag lief noch nicht lange, da fuhr die “Siedlerclub”-Pächterin Petra Herde einkaufen. Das Klopapier war alle.



Wahlergebnisse des 20. NPD-Landesparteitags

Landesliste zur Bundestagswahl:

  1. Holger Apfel
  2. Holger Szymanski
  3. Antje Hiekisch
  4. Jens Baur
  5. Peter Schreiber

Der aktuelle NPD-Landesvorstand:

  • Landesvorsitzender: Holger Szymanski (KV Dresden)
  • Stellvertretende Landesvorsitzende: Jens Baur (Landesgeschäftsführer – KV Dresden), Maik Scheffler (Landesorganisationsleiter – KV Nordsachsen), Mario Löffler, MdL (KV Erzgebirge)
  • Landesschatzmeister: Alexander Delle (KV Meißen)
  • Beisitzer: Jürgen Gansel, MdL (Landespressesprecher – KV Meißen), Arne Schimmer, MdL (Referat Bildung – KV Dresden), Thorsten Thomsen (Referat Öffentlichkeitsarbeit – KV Dresden), Olaf Rose (KV Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Torsten Hiekisch (KV Niederschlesien-Oberlausitz), Mirko Beier (KV Meißen), Thomas Sattelberg (KV Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), Gitta Schüßler, MdL (KV Zwickau-Westsachsen), Paul Rzehaczek (JN-Landesvorsitzender – KV Nordsachsen), Patrick Gentsch (KV Zwickau-Westsachsen)
  • Vorstandsmitglied kraft Amtes: Holger Apfel, MdL (Fraktionsvorsitzender)
  • Berufene Mitglieder: Steffen Lorenz (KV Leipzig), Stefan Hartung (KV Erzgebirge), Hartmut Krien (Kommunalpolitische Vereinigung), Katrin Köhler (Ring Nationaler Frauen)
  • “Ehrenvorsitzender”: Helmut Herrmann (KV Leipzig)

Die hier gezeigten und weitere Bilder zum Landesparteitag wurden bei indymedia linksunten veröffentlicht.

Über den Parteitag berichteten u.a. auch MDR und blick nach rechts.