Am gestrigen späten Samstagabend griff eine Gruppe Vermummter das Zeltlager von Demonstranten vor dem Präsidentenpalast in Kairo an. Das Zeltlager war schon am 05. Dezember das Angriffsziel eines Islamistenmobs, bei den folgenden Kämpfen starben zehn Menschen. Hunderttausende protestierten in den folgenden Tagen gegen Mursi und seine Moslembrüder, das Zeltlager war nach dem Angriff der Islamisten wiederaufgebaut worden und besteht seitdem fort.
Bei dem gestrigen Angriff warfen die Angreifer Molotovcocktails auf die Zelte und schossen mit Schrotgewehren. Zwanzig Menschen, davon 14 Demonstranten, wurden bei dem Angriff verletzt, über die genauen Umstände gibt es sehr unterschiedliche Meldungen.
Ein Sprecher des Inneninisteriums erklärte, es handele sich um eine unpolitische Rachetat nach einer verbalen Auseinandersetzung am Nachmittag, die Bullen hätten zwei der sechs Beteiligten festgenommmen, sechs Bullen seien selber dabei durch Schüsse aus den Schrotgewehren verletzt worden.
Aktivisten berichten in Interviews allerdings von einer Gruppe von 30 Angreifern, auch sei es zu längeren Auseinandersetzungen mit diesen gekommen, die erst durch Sondereinheiten der Bullen beendet worden seien. Bereits vor dem Angriff seien Militärbullen am Zeltlager aufgetaucht und hätten die Demonstranten aufgefordert, ihr Lager zu räumen.
Bereits am 31. Dezember war Mohannad Samir, ein bekannter Aktivist aus Kairo, am Rande des Zeltlagers am Tahrir Platz niedergeschossen worden. Auch in diesem Fall hatte das ägyptische Innenministerium behauptet, es habe sich um eine persönliche Racheaktion gehandelt, während Aktivisten von einem gezielten politischen Angriff auf Mohannad Samir ausgehen, der den Anschlag nur durch Glück schwer verletzt überlebte.
Schon in der Zeit der Militärdikatur kam es immer wieder zu Angriffen bewaffneter Gruppen auf Demonstranten, auch hier waren es in den Verlautbarungen der Behörden immer "verärgerte Anwohner oder Strassenhändler", während Augenzeugen unter den Angreifern Bullen aus den naheliegenden Polizeirevieren wiedererkannten, einige sogar noch Uniformteile unter ihrer "zivilen" Kleidung" trugen.
Für den zweiten Jahrestag des Beginn des Aufstandes gegen das Mubarakregime am 25. Januar, bei dem über 800 Menschen ihr Leben verloren, sind landesweite Proteste angekündigt, um der getöteten Aufständischen zu gedenken und um gegen die Herrschaft Mursis und seiner Moslembrüder zu protestieren. Mursi selber wird vier Tage später auf Einladung der Bundesregierung zu einem Staatsbesuch nach Berlin kommen.