Das Anarchistische Netzwerk Südwest ruft zur Kundgebung nach Mannheim
nd: Sind bei der Demonstration gegen die Krise am 22. Dezember auch Globalisierungskritiker aus dem nicht-anarchistischen Spektrum wie dem Netzwerk Attac willkommen?
Emma: Die Demonstration richtet sich
weniger gegen die Krise als gegen das kapitalistische System an sich,
dessen bloße Existenz Ursache der sogenannten Finanzkrise ist. Zur Demo
heißen wir aber natürlich alle willkommen, die sich mit der explizit
antikapitalistischen und antinationalen Grundausrichtung identifizieren
können. Für uns ist die Demonstration kein Selbstzweck, sondern der
Versuch, mit einer tiefergehenden Kritik in den aus unserer Sicht
verkürzten Krisendiskurs einzugreifen.
Die Kritik im Demonstrationsaufruf richtet sich insbesondere gegen den Exportweitmeister Deutschland, der bisher »nur« von den Krisenausläufern betroffen ist, namentlich »die solide Basis aus Gewerkschaften, die dem Standort Deutschland sozialpartnerschaftlich verbunden bleiben« und einer Opposition, die sich herzergreifend um den »deutschen Steuerzahler« sorgt. Auf ein breites gesellschaftliches Bündnis zielt das eher nicht, oder?
Die Frage zielt wohl auf
unser taktisches Verständnis von Veränderung ab. Und nein: Derzeit sehen
wir leider keine großen Optionen für ein breites gesellschaftliches
Bündnis, dem es gelingen könnte, den Kapitalismus zu überwinden - denn
an eine Reformierung glauben wir nicht. Doch selbst wenn es ein solches
Bündnis gäbe, die sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften könnten wohl
kaum dazu gezählt werden. Das hieße, eine jahrzehntelange Förderung
kapitalistischer Ausbeutung durch handzahme, sogenannte »Vertretungen«
von Arbeitenden völlig zu ignorieren und sich auf dasselbe Spiel wie
immer einzulassen, wo es stets nur einen Gewinner gibt: dieses System.
Inwiefern findet eine gemeinsame europäische Zusammenarbeit der anarchistischen Gruppierungen in der Krise statt, insbesondere zwischen Nord- und Südeuropa, deren Bevölkerung massiv unter Kürzungen im Sozialsystem leidet?
Es gilt zu unterscheiden zwischen
anarchosyndikalistischen Gewerkschaften und Organisationen, die rund um
das Thema Krise und Sozialabbau sehr gut vernetzt sind und anderen
anarchistischen Gruppen, die einen größeren Fokus haben und wo solche
Vernetzungen gerade erst aufgebaut werden. Die Ersteren haben etwa im
Rahmen der letzten Generalstreikversuche in Spanien und Portugal stark
miteinander kooperiert und gemeinsam agiert. Bei letzteren bestehen
Kontakte, die derzeit deutlich ausgebaut werden. In unserem Fall durch
den vor einem Monat erfolgten Beitritt zum »Forum deutschsprachiger
Anarchist*innen« und dadurch wiederum zur »Internationale der
Anarchistischen Föderationen«.
In Europa wachsen die Ressentiments, Deutsche lästern über Griechen, Griechen schimpfen über Merkel speziell und die Deutschen generell. Nach einer gemeinsamen Verbrüderung gegen das kapitalistische System sieht das nicht aus. Wie soll die Bevölkerung für anarchistische Krisenantworten gewonnen werden und wie sehen die aus?
Ressentiments
mit nationalistischen Untertönen waren schon immer ein Mittel, um
Entscheidungen zu rechtfertigen. Ob dies nun dazu diente, Kriege zu
legitimieren, oder wie aktuell Sündenböcke für die Krise zu suchen.
Unserer Ansicht nach ist es jedoch prinzipiell einfach, diese
Argumentationen zu widerlegen, also beispielsweise zu zeigen, dass
Griechenland nicht »über seine Verhältnisse« gelebt, sondern die
gleichen Marktmechanismen angewandt hat, wie jedes andere
kapitalistische Land auch - nur dass es damit gescheitert ist. Aber, um
als Gewinner im Kapitalismus dazustehen, bedarf es logischerweise auch
Verlierer. Die Schwierigkeit liegt darin, diese Ansichten auch tief in
die Mitte der Bevölkerung zu tragen. Dafür fehlen uns zur Zeit aber
leider noch die Mittel.