Nach Rechtsextremissmus-Debatte
Zahlreiche liberale Burschenschaften verlassen derzeit den umstrittenen Dachverband Deutsche Burschenschaft. Die gemäßigten Verbindungen kritisieren schon seit Jahren die rechtslastigen Tendenzen innerhalb der Organisation.
Stuttgart. Die liberalen Studentenverbindungen verlassen nach und nach den umstrittenen Dachverband Deutsche Burschenschaft. Beobachter gehen davon aus, dass in den kommenden Monaten fast alle 26 Mitglieder der liberalen Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ) austreten und einen eigenen Verband gründen werden.
Mehrere Burschenschaften bestätigen, dass entsprechende Gespräche laufen. Der liberale Flügel kritisiert seit Jahren die rechtslastige Ausrichtung des Verbandes, der von der ultrakonservativen Burschenschaftlichen Gemeinschaft dominiert wird.
Der Sprecher des Dachverbandes bedauert das Ausscheiden. „Es tut mir um jeden Einzelnen leid“, sagt Walter Tributsch. Bislang wisse er von sieben oder acht austrittswilligen Burschenschaften. „Wenn es dabei bleibt, ist das zu verkraften.“
Doch auch wenn tatsächlich alle IBZ-Mitglieder austreten würden, sei die Deutsche Burschenschaft mit dann mehr als 80 Burschenschaften weiterhin der stärkste Verband. Den Vorwurf des Rechtsrucks weist Tributsch zurück. „Die Meinungsverschiedenheiten mit dem IBZ betreffen eigentlich nur wenige Details.“
Zuletzt war Ende November auf dem außerordentlichen Burschentag in Stuttgart eine Einigung gesucht worden. Dort konnten die Kritiker einige ihrer Forderungen durchsetzen. So wurde der wegen Äußerungen zur NS-Vergangenheit umstrittene Chefredakteur der Verbandszeitung abgewählt. Außerdem lockerte der Verband die Vorgaben für die Aufnahmebedingungen in eine Studentenverbindung, die sich bislang vor allem an der Deutschstämmigkeit orientierten.
„An der konservativen Ausrichtung des Verbandes hat sich dadurch aber wenig geändert“, erklärt Michael Schmidt, Sprecher der IBZ. Seine Burschenschaft Hilaritas Stuttgart zog wenige Tage später die Konsequenz und trat aus. Als Gründe gab er mangelnden gegenseitigen Respekt, fehlendes Vertrauen und ein unterschiedliches Werteverständnis an. Es sei dem Dachverband „nicht gelungen, extremistische Äußerungen und Verhaltensweisen, die aus unserer Sicht mit den burschenschaftlichen Grundwerten nicht vereinbar sind, entsprechend zu sanktionieren“.
„Der Laden ist nicht tragbar“
Die Burschenschaften Wartburg Köln und Arminia Hannover haben sich ebenfalls vom Verband getrennt - und vor wenigen Tagen erst ist die Hansea Mannheim diesem Schritt gefolgt. „Die Entwicklungen der vergangenen Jahre sind nicht so gelaufen, wie wir uns das erwartet haben“, sagt Kai Ming Au. Seine Aufnahme als Deutscher mit Eltern aus Hongkong gehörte zu den Streitpunkten. Vielen Burschenschaftlern war er nicht deutsch genug, und sie forderten seinen Ausschluss.
Kai Ming Au geht davon aus, dass im neuen Jahr etliche liberale Burschenschaften ebenfalls über einen Austritt entscheiden werden. Dass es nicht bei der Handvoll bleiben wird, die jetzt bereits bekannt sind, zeigt auch eine kleine Umfrage. „Der Laden ist nicht tragbar. Wir hätten schon vor Jahren austreten sollen“, sagt etwa ein Burschenschafter der Arminia in Tübingen. Auch bei der Saxo-Silesia in Freiburg heißt es, die Diskussionen liefen.
Damit wird die traditionsreiche Deutsche Burschenschaft wohl die zweite Spaltung innerhalb von 18 Jahren hinnehmen müssen. 1996 hatten ihr etliche Bünde den Rücken gekehrt und sich zur Neuen Deutschen Burschenschaft mit etwa 20 Mitgliedern zusammengetan. Einer der Streitpunkte damals war die Aufnahme von Kriegsdienstverweigerern. (dpa)