Vom 23.11. bis 25.11.12 fand in der Sängerhalle in Stuttgart-Untertürkheim der außerordentliche Burschentag der Deutschen Burschenschaft statt. Zu dieser Veranstaltung kam es, da man sich auf dem Burschentag 2012 in Eisenach über den „Arierparagraphen“ und den Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter Norbert Weidner zerstritten hatte und die Entscheidung über diese Themen vertagt hatte. Die Frauengruppe Stuttgart hatte anlässlich der Proteste hiergegen ein Bündnis initiiert, dem sich Gruppen aus dem antifaschistischen Bereich, der Gewerkschaften, der Parteien und der Universitäten anschlossen.
Für die öffentlichen Proteste gegen den Burschentag wurde der 24.11.12 festgelegt. Um 12 Uhr wurde mit einer Kundgebung auf dem Karl-Benz-Platz, dem Bahnhofsvorplatz in Untertürkheim begonnen. Über einen Infotisch, kleineren Plakataktionen und mehreren Reden wurden die Passant_innen und Mitstreiter_innen über Burschenschaften und die Deutsche Burschenschaft im Speziellen informiert. In den Reden wurde inhaltlich auf Burschenschaften und deren Verhältnis zum Antisemitismus durch das Tübinger Bündnis und auf Burschenschaften und Sexismus durch die Frauengruppe Stuttgart eingegangen. Des Weiteren gab es ein Grußwort von Genoss_innen aus Eisenach. Für gute und kämpferische Stimmung unter den Versammelten sorgte zwischen den Reden die Sambagruppe und eine musikalische Untermalung.
Dann wurde es Zeit sich dem Ort des Geschehens näher zu bringen. Mit einer Spontandemonstration sollte der Weg zwischen den beiden Kundgebungen überwunden werden. Trotz kleineren Behinderungen durch das Anti-Konflikt-Team der Polizei kamen alle gut bei der Kundgebung Ecke Lindenschule in der Nähe der Sängerhalle an. Dort sahen sich die Demonstrant_innen jedoch mit einem hohen Polizeiaufgebot inklusive Pferdestaffel konfrontiert, die zum Schutz für die einige Meter entfernten Sexisten, Rassisten und Faschisten eingesetzt wurden. Um den Gegenprotest deutlich zu machen wurden die Burschenschafter lautstark durch Sprachchöre und Parolen gestört. Mit Kreide wurde der Protest deutlich sichtbar für diesen und den nächsten Tag in das Sichtfeld der Burschen gebracht und die Umgebung verschönert. Gut hörbar für die Burschenschafter waren auch die folgenden Reden zum Thema faschistische Umtriebe in der Deutschen Burschenschaft des Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart & Region und des Tübinger Bündnisses. Musikalisch untermalt wurde der Protest wieder von der Sambagruppe und dem Countrysänger Buster van Socke.
Da es vor Ort durch die massive Polizeipräsenz aussichtslos war noch näher an die Sängerhalle zu gelangen und dort den Protest direkt verbal vorzutragen entschlossen sich die Teilnehmer_innen zu einer Spontandemonstration Richtung Bahnhof, um den Protest noch einmal lautstark auf die Straße zu tragen. Schon nach wenigen Metern wurden sie auf brutale Art und Weise von der Polizei gestoppt und seitlich auf eine Wiese abgedrängt. Sofort wurden die etwa 30 Demonstrant_innen gekesselt. Erst nach ungefähr einer Stunde konnte der Kessel in 3er Grüppchen verlassen werden. Bei diesem Vorgang wurden 4 Demonstrant_innen in Gewahrsam genommen, obwohl vorher versichert wurde, dass alle aus dem Kessel freigelassen würden. Im Laufe des Tages kamen jedoch alle 4 Festgenommenen wieder frei. Nach und nach löste sich dann die Menschenmenge endgültig auf.
Man muss abschließend zu der gesamten Mobilisierung und den Protesten bemerken, dass eine Auseinandersetzung rund um das Thema Burschenschaften und die Deutsche Burschenschaft sowohl bei den organisierenden Gruppen des Bündnisses und der Frauengruppe, als auch in Stuttgart allgemein vorher nicht sehr präsent war und dazu noch nicht gearbeitet wurde. Diesen Punkt kann man auch an der relativ niedrigen Teilnehmer_innenzahl festmachen. Vor allem bei der bürgerlichen Gesellschaft ist die Dringlichkeit der Proteste noch nicht angekommen, konnten doch viele Burschenschafter ungehindert das ganze Wochenende über sich in der Stadt aufhalten. Es ist jedoch gelungen den außerordentlichen Burschentag aus dem Schatten zu ziehen und in das mediale Licht der Öffentlichkeit zu stellen. Schon vor dem Wochenende ist das mediale Interesse an dem Burschentag und an der Deutschen Burschenschaft allgemein enorm gestiegen. Die Burschenschafter haben schon im Vorhinein zu spüren bekommen, dass sie in Stuttgart und allgemein nicht erwünscht sind. Die Berichterstattung hat auch während des Tages und über die Ergebnisse des Wochenendes nicht abgenommen.
Trotz
der Unerfahrenheit in dem Themenkomplex und der kurzen
Mobilisierungszeit kann man jedoch sagen, dass es erfreulich war,
dass um die 200 Leute auf der Straße waren und ihren Protest gegen
die Burschenschafter lautstark und entschlossen geäußert haben. Man
darf den außerordentlichen Burschentag jedoch nicht als ein
einmaliges Event betrachten und das Thema nun wieder ruhen lassen.
Vielmehr sollte es als ein Auftakt gesehen werden, um
Burschenschaften und die Deutsche Burschenschaft auch in Stuttgart in
das alltägliche Diskussionsfeld aufzunehmen und zu einem neuen
Agitationsfeld zu machen.
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