Kommentar Burschenschaften
Frauenfeindlich, reaktionär, versoffen und verschwiegen – die örtlichen Verbindungen haben in großen Teilen der Bevölkerung ein Image-Problem. Starke Lackschäden, die derzeit von jenen Verbünden aufpoliert werden, die sich mit ihren Namen auf die Jenaer „Urburschenschaft“ berufen.
Von Matthias Stelzer
Ihr Ringen am rechten Rand auf dem außerordentlichen Burschentag in Stuttgart treibt sogar gestandenen Verbindungsleuten den Schweiß auf die Stirn. Schließlich ist es die dort umstrittene völkische Auslegung von Vaterland und Ehre, die das negative Verbindungsbild in der Stadt prägt.
„Die normalen Verbindungen werden immer mit den Burschenschaften in einen Topf geworfen“, klagt Wilhelm Neusel, ein Sprecher des Arbeitskreises Tübinger Verbindungen (AKTV). Dabei müsste seiner Meinung nach zwischen weltanschaulich offenen Vereinigungen und den Burschenschaften mit ihrem „politischen Prinzip“ unterschieden werden.
Vier Burschenschaften sind in Tübingen aktiv. Legt man an sie als Maß den aktuellen Flügelstreit im Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) an, sind alle formal auf der guten Seite zu finden: Die Germania (am Eingang zur Gartenstraße) und die Derendingia (auf dem Schlossberg) sind dem aktuellen Rechtsruck im Verband schon vor Jahren mit ihrem Austritt aus dem Weg gegangen. Und die beiden Straßburger Burschenschaften Germania (in der Neckarhalde) und Arminia (weiter hinten in der Gartenstraße) haben sich immerhin der Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ) angeschlossen. Diese besetzt im aktuellen Burschenschafter-Streit den Erneuerungs-Flügel. Was im Zweifel heißt, dass sich diese Liberalen im DB lediglich gegen einen „Arier-Nachweis“ bei der Mitgliedergewinnung positionieren und sich nicht länger mit völkischen Großdeutschland-Schreiern gleichmachen wollen.
Und das alleine reicht im politischen Spektrum der Republik immer noch nicht weit über den rechten Rand hinaus. Ein Eindruck, dem die beiden Tübinger Burschenschaften offensichtlich auch nichts entgegensetzen wollen – jedenfalls, wenn das TAGBLATT anruft. „Wir werden nichts sagen“, hieß es gestern bei den Straßburger Arminen. Und den restlichen Tag nahm dann auch bei den Germanen niemand mehr ab.
So wird das nichts mit dem liberalen Antlitz. In einer demokratischen Gesellschaft, in der die Säbel zumindest weitgehend dem geschliffenen Wort weichen mussten, bestätigt das nur das Bild eines männerbündischen und reaktionären Haufens. Aber vielleicht ist es ja dieses Image der Außenseiter am rechten Rand – aus dem die Burschis ihr Selbstbewusstsein ziehen. Wilhelm Neusel und der AKTV täten gut daran, sich noch deutlicher von rechtskonservativen Bünden zu distanzieren. Das würde vielleicht wieder Raum für die Erkenntnis schaffen, dass manche Stammtische auch frauenfeindlich, reaktionär, verschwiegen und vor allem versoffen agieren.