[B-Nk] Blockade stoppt Nazi-Aufmarsch in Rudow

Blockade gegen den Naziaufmarsch

Mehr als 600 Menschen protestieren gegen NPD-Demonstration in Rudow. Nach wenigen hundert Metern wird der Aufmarsch von einer Sitzblockade gestoppt. Nach mehr als einer Stunde erzwungener Wartezeit, drehen die knapp 70 Nazis schließlich um, nach einem kurzen Schlenker durch Nebenstraßen lösen sie ihre Demo noch vor dem Erreichen des U-Bahnhof Rudows in der Walthersdorfer Chaussee auf. Auf der Fahrt zu einer zweiten Kundgebung in Lichtenberg greift die Gruppe um Sebastian Schmidtke auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Neukölln Linke an.

 

Beflügelt durch eine von Neuköllner CDU initiierten „Bürgerversammlung“ versucht die NPD derzeit mit einer rassistischen Kampagne vorhandene Ressentiments gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft im südlichen Ortsteil Rudow für sich nutzbar zu machen. Neben der Verteilung von Flugblättern versucht die NPD in den letzten zwei Wochen auch mit drei unangekündigten Kleinkundgebungen am U-Bahnhof Rudow die Stimmung anzuheizen, auf Grund der Schützenhilfe der Geheimhaltungstaktik der Berliner Polizei konnte nur die letzte dieser Kundgebungen am vergangenen Mittwoch mit spontanen Protesten begleitet werden. Seit etwa zwei Wochen wurde im Internet für eine Demonstration am 24.11. geworben. In der Hoffnung Gegenprotesten zu entgehen und gleichzeitig die Antifa-Mobilisierung zu spalten, war der Termin bewusst auf den Tag der jährlichen Silvio-Meier Demo gelegt worden. Früh zeichnete sich ab, dass dieser Plan nicht aufgehen würde. Neuköllner Antifaschist_innen begannen umgehend mit der Gegenmobilisierung, der sich im weiteren Verlauf auch Parteien und Zivilgesellschaft anschlossen. Rund um den Auftaktort der NPD am U-Bahnhof Rudow wurden mehrere Gegenkundgebungen angemeldet und die Route des Nazi-Aufmarsches öffentlich gemacht.

Bereits um kurz nach zwölf hatten sich rund um die Rudower Spinne mehrere hundert Gegendemonstrant_innen versammelt. Um kurz vor 13 Uhr traf als Erstes der ehemalige Neuköllner Bezirksverordnete der NPD Jan Sturm ein. Er musste jedoch noch einige Minuten mit einer Wurst am „Ketchup“-Imbiss überbrücken, bis ein weiteres Grüppchen um den Neuköllner Kreisvorsitzenden und Versammlungsleiter des Tages Sebastian Thom sowie die beiden Neuköllner NPD´ler Julian Beyer und Jill Glaser aus dem U-Bahnhof zu ihm stießen. Eine halbe Stunde später trafen schließlich eskortiert von der Polizei etwa vierzig Neonazis ein, die sich zuvor am S-Bahnhof Schöneweide getroffen hatten. In der Gruppe befanden sich neben ehemaligen Mitgliedern der verbotenen Kameradschaft „Frontbann 24“ wie Dennis Kittler und Roman Kische auch der Lichtenberger „NW-Berlin“-Aktivist Oliver Oeltze. Im Schlepptau der Gruppe kam auch der Lautsprecher Wagen der NPD vor Ort an. Am Steuer des gemieteten VW-Transporters saß Mike Turau, neben ihm auf dem Beifahrersitz hatte der NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke Platz genommen. Der Lichtenberger Christian Bentz begann so gleich damit Journalisten und Gegendemonstranten abzufotografieren. Damit war jedoch recht schnell Schluss, als die Polizei seine Kamera beschlagnahmte. Dem Vernehmen nach soll er Zivilbeamte der Polizei unerlaubt abgelichtet haben. Seine Funktion wurde im Anschluss von David Gudra übernommen.

Schließlich eröffnete Sebastian Thom mit der Verlesung der Auflage die Auftaktkundgebung. Als erster Redner nutze Sebastian Schmidtke, der im Folgenden auch die Moderation übernahm, seinen Beitrag um gegen „luxussanierte Asylantenheime“ und „ausländische Imbisse“ zu hetzen. In einem zweiten Beitrag mokierte sich Maria Fank, Berliner Landesvorsitzende des „Ring Nationaler Frauen (RNF)“ darüber, dass „die Antifa“ statt sich auf ihre Demonstration am Nachmittag in Friedrichshain zu beschränken, schon am Vormittag gegen die NPD-Demo protestiere. Sie schloss mit der höhnischen Frage in Richtung der Gegendemonstrant_innen: „Wo ist Silvio?“. Ihre Worte verhallten, wie die von ihrem Lebensgefährten Schmidtke zuvor, jedoch auf der weiträumig abgesperrten Rudower Spinne auch dank der beidseitigen Beschallung durch die Gegenkundgebungen von den immer wieder adressierten Anwohner_innen weitestgehend ungehört.

Im Anschluss setze sich der Zug über den Neudecker Weg in Bewegung. Nach nur 600 Metern kam die Demo jedoch an der Ecke Selgenauer Weg wieder zum Stehen. Der stellvertretende Brandenburger NPD-Vorsitzende und Mitglied im Bundesvorstand der Partei Ronny Zasowk erhielt hier die Gelegenheit sich über die Regelung der Flüchtlingsunterbringung in Brandenburg zu beklagen. Er war nicht der einzige Anwesende aus dem Nachbarbundesland, auch Neonazis aus Teltow-Fläming und Oberhavel nahmen an der Demo teil und übernahmen als Ordner teilweise auch organisatorische Aufgaben. Nachdem ein erster Blockadeversuch noch unsanft geräumt wurde, konnten die Nazis ihren geplanten Weg nicht mehr fortsetzen. Grund war eine Sitzblockade von etwa 300 Menschen im Selgenauer Weg. Mehr als eine Stunde standen sich die Nazis die Beine in den Bauch. Immer wieder gelang es Gruppen von Gegendemonstrant_innen zum Aufmarsch vorzudringen und ihren Protest zu äußern. Als einer Gruppe von 40 Antifaschist_innen aus Richtung Norden der Durchbruch auf den Neudecker Weg direkt vor die stehende Nazi-Demo gelang, antwortete die Polizei mit Pfefferspray. Anwesende berichten, die 550 eingesetzten Beamten auch aus Hessen, Bayern und Brandenburg, seien vielerorts brutal gegen Gegendemonstrant_innen vorgegangen, dabei kamen neben Pfefferspray und Schlagstöcken auch Hunde zum Einsatz. Insgesamt 15 Antifaschist_innen wurden festgenommen.

Nachdem Thom und Schmidtke die Blockade gemeinsam mit der Polizei in Augenschein genommen hatten, verkündete Letzterer schließlich man habe sich auf eine Alternativroute geeinigt. Diese Alternativroute entpuppte sich als ein Minischlenker durch die Deutschthaler Straße und den Eichenauer Weg. Kurz nach dem Einbiegen in die Walthersdorfer Chaussee löste die NPD, aus Trotz darüber das ihnen die Polizei nicht die Nutzung beider Richtungsfahrbahnen gestatten wollte, ihre Demo noch einige hundert Meter vor der Rudower Spinne auf.

Viele Gegendemonstrant_innen fuhren spätestens jetzt nach Friedrichshain, um sich der Silvio-Meier Demo anzuschließen. Mehr als 5000 Menschen nahmen an der trotz Polizeiübergriffen stimmungsvollen Demo von Friedrichshain nach Lichtenberg teil.

Gab man sich in Rudow noch größte Mühe sich als Verteidiger_innen des dörflichen Idylls und Lautsprecher des „gesunden Volksempfindens“ zu inszenieren, zeigte sich der ausgeprägte Hang zur Gewalt der Berliner Neonaziszene bereits wieder auf der Fahrt von Rudow Richtung Friedrichshain. Etwa 30 Teilnehmer_innen der NPD Demonstration hatten sich im Anschluss ebenfalls auf den Weg zu einer zweiten von ihnen angemeldeten Gegenkundgebung gegen die Silvio-Meier Demo in der Nähe des vom mit der Berliner NPD in wichtigen Positionen personenidentischen Netzwerkes „NW-Berlin“ genutzten Ladengeschäfts in der Lichtenberger Lückstraße gemacht. Auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Neukölln griff die Gruppe einige verstreute Linke an. Eine Augenzeugin schilderte den Ablauf des Angriffes wie folgt: Die Gruppe der Nazis betrat den Bahnsteig ohne Polizeibegleitung. Sofort als sie die zahlenmäßig unterlegenen Linken entdeckten, gingen sie zum Angriff über und rannten schreiend auf die Antifaschist_innen zu. Nach einem Tumult, schlug der NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke mit einem Regenschirm auf einen der Linken ein und drückte ihn am Hals auf den Boden. Erst einige Sekunden später kamen Zivilpolizisten hinzu, denen es schließlich mit Mühe gelang die Nazis in die Ringbahn zu schieben. Es muss von Glück gesprochen, dass keiner der Angegriffenen ernsthaft verletzt wurde. In der Angreifergruppe befanden sich neben Sebastian Schmidtke auch Jan Sturm, Marco Oemus und Christian Bentz.

Die Nazis konnten ihren Weg nach Lichtenberg offenbar unbehelligt fortsetzen. Dort hielten nach einem Bericht des apabiz 27 von ihnen an der Ecke Lückstraße/Wönnischstraße eine Kundgebung ab. Dort riefen sie Parolen wie „Einer muss der Erste sein – Fuck Silvio Meier“. Das gezeigte Transparent mit der Aufschrift „Vom nationalen Widerstand zum nationalen Angriff“, war bereits im Oktober 2009 bei einer Demo des „NW-Berlin“ in Friedrichshain verwendet worden, in dessen Verlauf mehreren Engagierte namentlich mit Gewalt gedroht wurde. Die Tatsache, dass sowohl der Anmelder als auch der durchführende Personenkreis der NPD-Demo in Rudow und der Kundgebung in Lichtenberg identisch ist, verweist ein Mal mehr darauf, dass die Wahl zwischen dem Label NPD und „NW-Berlin“ durch die Berliner Neonaziszene bei ihren Aktionen lediglich eine Frage von strategischen Überlegungen ist.

Weitere Bilder gibt es bei flickr: 1, 2, 3, 4, 5. und bei demotix.

antifa-neukoelln.net