Die Rechten und der kleine Rest

Die Rechten und der kleine Rest
Erstveröffentlicht: 
25.11.2012

Treffen der Deutschen Burschenschaft

 

Beim Sondertreffen der Deutschen Burschenschaft in Stuttgart triumphieren die Extremen. Mit keiner einzigen Forderung können sich die gemäßigten Burschen durchsetzen.

 

Von Felix Helbig

 

Stuttgart – Der eine tritt mit gesenktem Blick auf den Bürgersteig vor der Sängerhalle in Stuttgart, er ist nur ein paar Straßen gefahren vom Verbindungshaus der Burschenschaft Hilaritas. Ein paar Hoffnungen habe man ja doch noch gehabt, sagt er. Der andere ist weit gereist, ihm schwillt auf dem Bürgersteig die Brust. Mit jedem Satz, den er spricht, mehr.

Der eine ist Michael Schmidt, für ihn hatte dieses Sondertreffen der Deutschen Burschenschaft (DB) ein Heimspiel werden sollen. In Stuttgart hat sich vor einiger Zeit die Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ) gegründet, sie versteht sich als liberaler Flügel im deutschtümelnden Dachverband, von Stuttgart aus hatten die darin versammelten zwei Dutzend gemäßigten Bünde den Vormarsch der Rechtsextremen aufhalten wollen.

„Im Kampf mit der Gesellschaft“

Immerhin, sagt ihr Sprecher Schmidt am Samstagabend auf dem Bürgersteig, das Treffen habe große Klarheit gebracht. Es gebe zwei grundlegend verschiedene Positionen zum Staat in der Deutschen Burschenschaft, die einen wollten aus der Gesellschaft heraus wirken, „die anderen sehen sich selbst im Kampf mit der Gesellschaft“. Schmidt verschränkt die Arme, man habe sich nicht durchsetzen können, sagt er, das sei offensichtlich.

 

Der andere ist Walter Tributsch, der Pressereferent der Deutschen Burschenschaft. Tributsch, ein rundlicher Mann im grauen Anzug, ist Mitglied der strammrechten Wiener Burschenschaft Teutonia, er wirkt wie befreit auf dem Bürgersteig. Die Atmosphäre in der Halle sei harmonisch, sagt er, eine Spaltung des Dachverbands sei vom Tisch. Man habe das Treffen sogar beinahe vorzeitig zu einem guten Ende bringen können. Auf der anderen Straßenseite stehen Polizisten, sie tragen gelbe Westen, die sie als Beamte des Anti-Konflikt-Teams ausweisen. Aber wahrscheinlich hätten sie nichts ausrichten können in der Sängerhalle Untertürkheim. Zu unversöhnlich stehen sich die einen und die anderen gegenüber.

Fast 600 Abgesandte von etwa 100 Burschenschaften waren nach Stuttgart gekommen, um bei dem Sondertreffen jenen Streit im Dachverband beizulegen, der beim traditionellen Burschentag in Eisenach im Frühjahr eskaliert war. Mit großer Mehrheit hatten die Vertreter von etwa 10.000 Burschenschaftern dort ihren Schriftführer Norbert Weidner wiedergewählt, obwohl dieser kurz zuvor den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter und seine Hinrichtung als „rein juristisch“ gerechtfertigt bezeichnet hatte. Dazu hatte es Auseinandersetzung um einen sogenannten „Ariernachweis“ bei der Aufnahme in Burschenschaften gegeben. So hatte die Mannheimer Burschenschaft ein Mitglied aufgenommen – deutscher Staatsbürger, alle Aufnahmekriterien erfüllt, aber Sohn chinesischer Eltern. Den Rechten war er nicht Deutsch genug.

Vor dem Sondertreffen in Stuttgart schien das Ende des gemeinsamen Verbands nah, von Spaltung war die Rede.

Bis zu 20 Burschenschaften treten aus

Auf dem Bürgersteig vor der Sängerhalle, der eine Grenze markiert zwischen burschenschaftlichem Gebiet und gewöhnlichem Stuttgarter Samstagsleben, kann Michael Schmidt seine Frustration nicht verbergen. Er habe ja beinahe befürchtet, dass es so kommen würde, sagt er. Nun rechne er damit, dass weitere 10 bis 20 Burschenschaften aus dem Dachverband austreten würden. Natürlich sei das „nicht wirklich eine Spaltung“. Mehr ein Rest, der nun gehe.

 

Mit keiner ihrer Forderungen haben sich die gemäßigten Burschen durchsetzen können. Zwar wurde Weidner überraschend doch noch abgewählt, anscheinend ein letzter Triumph über die strammen Rechten. Doch an seine Stelle wählte das Plenum Michael Paulwitz von der Heidelberger Burschenschaft Normannia, der zugleich Beisitzer im baden-württembergischen Landesverband der Republikaner ist. Außerdem verhinderte eine Mehrheit, dass die Deutsche Burschenschaft künftig direkt einzelne Burschenschafter bestrafen kann, die das Ansehen des Verbandes beschädigen.

Auch der Versuch der gemäßigten Burschen, die Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Organisationen für unvereinbar mit dem Dasein als Burschenschafter zu erklären, scheiterte: Beschlossen wurde ein Kompromiss, nach dem die Mitgliedschaft in nationalsozialistischen Gruppierungen unvereinbar ist. Rechtsextreme wie in der Gießener Burschenschaft Dresdensia-Rugia, die schon vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, müssen demnach keinen Ausschluss fürchten. Etliche Ausschlussanträge, sagt Walter Tributsch, seien demnach nicht verfassungskonform und deshalb gar nicht behandelt worden, so auch der der Dresdensia-Rugia.

Anschläge der Linken verurteilt

An der Bordsteinkante verurteilt Tributsch, einmal in Fahrt, dann noch die Anschläge von „verfassungsfeindlichen Linksextremisten“ auf Burschenschafter. In der Nacht zu Freitag waren an der Sängerhalle von Unbekannten die Scheiben eingeworfen worden. Der Stuttgarter Polizeisprecher Stefan Keilbach, der beim Anti-Konflikt-Team auf der anderen Straßenseite steht, spricht von „Sachbeschädigung“. Später wird er mit zwei Hundertschaften die Straße vor der Sängerhalle abriegeln und den Burschen vorübergehend das Verlassen der Halle untersagen. Etwas mehr als 100 Antifa-Aktivisten demonstrieren gegen den Burschentag, ein Farbbeutel fliegt.

Hinter der Absperrung steht Timur Fink, er hat die Gegendemonstration angemeldet. Das mit den einen und den anderen, den Liberaleren und den Konservativen in der Burschenschaft, das sei nur ein Trick, sagt er. „In Wahrheit sind die Liberalen die Konservativen. Alle anderen sind Rechtsextremisten.“