Sondertreffen in Stuttgart
Die Spaltung der Deutschen Burschenschaft ist besiegelt. Auf dem Sondertreffen in Stuttgart hat der rechtsextreme Flügel fast alle Forderungen der gemäßigten Bünde abgeschmettert. Ein kleiner Triumph reicht ihnen nicht - viele von ihnen werden dem Dachverband nun den Rücken kehren.
Ein Burschentag in seiner Heimatstadt Stuttgart - eigentlich müsste Michael Schmidt in Feststimmung sein. Doch von Euphorie ist beim Sprecher der liberaleren Burschenschaften wenig zu spüren, im Gegenteil. Nach dem Sondertreffen der Deutschen Burschenschaft (DB) muss Schmidt unangenehme Fragen beantworten, was alles falsch gelaufen ist aus Sicht der Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ). Jener Zusammenschluss von 25 gemäßigten Bünden, dem auch Schmidts Stuttgarter Hilaritas angehört, die dem rechtsextremen Treiben im Dachverband Einhalt gebieten wollen.
Schmidt verschränkt die Arme, sein melancholischer Blick unterstreicht, wie bitter sein Fazit ausfällt. Immerhin: "Die Tagung hat große Klarheit gebracht." Nur leider nicht in die Richtung, die Schmidt vorschwebte. "Es gibt zwei unterschiedliche Positionen zum Staat in der Deutschen Burschenschaft. Erstere wollen aus der Gesellschaft heraus wirken. Zweitere sehen sich selbst im Kampf mit der Gesellschaft", sagt Schmidt. Für ihn sei klar, dass "Extremismus in Burschenschaften nichts zu suchen hat". Nur durchgesetzt haben sich leider die anderen.
Kaum einer der etwa 500 Abgesandten aus den rund 100 Mitgliedsbünden des Dachverbands war gern angereist. Und ihre Befürchtungen haben sich bewahrheitet: Die Deutsche Burschenschaft steht vor der Spaltung. Schmidt rechnet damit, dass in den kommenden Wochen und Monaten etwa weitere zehn bis zwanzig Burschenschaften ihren Austritt aus dem Dachverband erklären werden - allesamt Vertreter des gemäßigten national-liberalen Flügels. Sie würden dem Beispiel vieler Bünde folgen, die diesen Schritt bereits in den vergangenen Monaten und Jahren vollzogen haben. Der Rechtsrutsch der Deutschen Burschenschaft wäre perfekt.
Der strammrechte Pressereferent wirkt befreit
Daran ändert auch der einzige Triumph der Liberaleren nichts. Norbert Weidner, rechtsextremer Chefredakteur der "Burschenschaftlichen Blätter", wurde vom Plenum mit 100 zu 70 Stimmen abgewählt. "Es gab eine Vielfalt von Begründungen dafür", sagte Walter Tributsch, Pressereferent der Deutschen Burschenschaft. "80 Prozent davon waren eher formaler Natur. Viele waren wohl der Meinung, dass es der Deutschen Burschenschaft gut tun würde, wenn der Streit ausgelagert wird."
Tributsch ist Mitglied in der strammrechten Wiener Teutonia, und dass der völkische Flügel kaum Mühe damit hatte, die Angriffe der gemäßigten Bünde abzuschmettern, ist auch ihm an der Körpersprache anzumerken. Immer wieder tritt er in Verhandlungspausen vor das Gitter am Eingang zur "Sängerhalle Untertürkheim" zu den Journalisten. Bei seinen Statements wirkt er befreit, geduldig beantwortet er jede Frage. "Es war eine sehr harmonische Atmosphäre", beteuert Tributsch. "Eine Spaltung der Deutschen Burschenschaft ist erst einmal vom Tisch."
Michael Schmidt sieht das anders. "Mir ist ja klar, dass er das alles gut verkaufen muss. Ich halte das aber für eine euphemistische Sicht auf das, was gelaufen ist", kommentiert er Tributschs Wertung. Bis vor einem halben Jahr war Schmidt selbst noch Pressereferent des Verbandes, legte aber wie alle anderen national-liberalen Funktionäre auf dem diesjährigen Eisenacher Skandal-Burschentag sein Amt nieder. "Wenn sie unter einer Spaltung die Aufteilung in zwei gleich große Hälften verstehen, dann kommt es sicherlich nicht dazu. Aber eine Aufteilung im Verhältnis 80 zu 20 ist durchaus realistisch", sagt Schmidt.
Zwei Hundertschaften riegeln die Straße ab
Der völkische Flügel der DB versuchte nicht einmal, den Liberaleren eine Brücke zu bauen. So verhinderte die Mehrheit des Plenums, dass die Deutsche Burschenschaft künftig einzelne Burschenschafter direkt bestrafen kann, die das Ansehen des Verbandes beschädigen. Außerdem scheiterten die liberaleren Burschenschaften damit, die Mitgliedschaft in verfassungsfeindliche Vereinigungen als unvereinbar mit dem Wirken in einer Burschenschaft anzusehen. Ein Kompromissvorschlag fand die Mehrheit: Demnach gilt die Unvereinbarkeit für "nationalsozialistische" Vereinigungen - nicht aber für viele rechtsextreme Vereinigungen, die ebenfalls im Verfassungsschutzbericht auftauchen.
Rund um den Tagungsort herrscht am Samstag Feindseligkeit. Drei Gegendemonstrationen sind zugelassen, zwei Hundertschaften der Polizei riegeln die Straße vor der Sängerhalle auf beiden Seiten ab. Zeitweise untersagen die Sicherheitskräfte den Burschenschaftern, den Sängersaal zu verlassen. Von den Fenstern des Hauses aus hören sie die Parolen der etwa 100 bis 150 Antifa-Aktivisten: "Lieber ein Geschwür am After als ein deutscher Burschenschafter". Es kommt zu kleineren Scharmützeln mit der Polizei, ein Farbbeutel fliegt. "Na du stolzer Deutscher, bist Du so beschissen stolz auf dieses Land?", giftet eine junge Frau in Richtung eines Burschenschafters.
Am Ende singen die Burschenschafter ihr Verbandslied und treten aus dem Saal. Was zurückbleibt, ist von großer Symbolik: Spanplatten decken die Scheiben ab, die in der Nacht von Donnerstag auf Freitag von linken Aktivisten mit Pflastersteinen eingeworfen wurden. Die Scherben sind noch zu sehen, sie liegen überall. Und die Platten sind kaum mehr als ein schlechtes Provisorium.
Fotostrecke: Burschentag in Stuttgart: Außen Gegner, innen Feinde