Seit Jahren nutzen Ultrarechte den 11. November für Propaganda-Zwecke und begegnen dabei immer wieder einem entschlossenen antifaschistischen Widerstand dagegen. Die antifaschistische Koalition der "Verständigung des 11. Novembers", welche ein breites Spektrum von NGOs und informeller Gruppen aus dem ganzen Land einnimmt, organisierte ein weiteres Mal antifaschistischen Protest. Während letztes Jahr versucht wurde den Marsch tausender Nationalist_innen zu blockieren, nahm der Protest dieses Jahr die Form einer Demonstration an.
Hintergrund:
Der polnische Unabhängigkeitstag ist ein Nationalfeiertag, der am 11. November gefeiert wird. Anlass ist die Wiedererlangung der Unanbängigkeit des Staates, nachdem dieser 123 Jahre lang durch Preußen, Österreich-Ungarn und Russland geteilt war. Seit 1937 fanden die Feierlichkeiten zum ersten Mal statt. Als Datum wurde der 11. November festgelegt, da an diesem Tag im Jahr 1918 die sogenannte Zweite Polnische Republik begann, als Józef Piłsudski die Funktion des Regentschaftsrats übernahm. Józef Piłsudski stellt für viele Menschen in Polen ein Held dar, der oft als Sinnbild für einen starken, polnischen Staat gesehen wird. In der Tat war dieser ein Befürworter eines autoritären Staates, hatte sich im Mai 1926 an die Macht geputscht und wurde durch das sogenannte "Sanacja- Regime" (Sanacja = Gesundung, Genesung) eine Gallionsfigur für polnische Patriot_innen und Nationalist_innen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Termin des Nationalfeiertags auf den 22. Juli, nach dem Tage der Veröffentlichung des Manifestes des kommunistischen Lubliner Komitees am 22. Juli 1944, verlegt, doch 1989 auf das ursprüngliche Datum zurückverlegt, nachdem sich Polen aus der zerfallenden Sowietunion herausgelöst hatte.
Der Unabhängigkeitstag wird in Polen sehr groß zelibriert. Das größte Ereignis findet in Warschau statt bei dem sich alljährlich Tausende zum "Unabhängigkeits-Marsch" einfinden um in einem Fahnenmeer die nationale Einheit zu feiern. Unter den vielen "üblichen" Patriot_innen, Vertreter_innen der Kirche und Familien finden sich immer wieder ultrarechte Gruppen wieder, rechte Hooligans und autonome Nationalist_innen. Dabei kommt es immer wieder zum exzessiven Abbrennen von Pyrotechnik, martialischem Auftreten, Angriffen auf Antifaschist_innen und Polizist_innen, denen vorgeworfen wird die Nation zu verraten und "die wahren Faschist_innen, nämlich aus Deutschland kommende Kommunist_innen" zu beschützen.
Antifaschistischer Protest dieses Jahr:
Nachdem letztes Jahr eine Blockade des "Unabhängigkeits-Marsches" versucht wurde, wurde dieses Jahr zu einer großen Antifa-Demo mobilisiert.
So trafen sich gegen 12:00 einige Hundert am "Denkmal der Helden des Ghettos", in der Nähe zum Museum der Geschichte polnischer Jüd_innen. Gegen 13 Uhr lief die sich geformte Demonstration los, mit etwa 600 Menschen. Kaum losgelaufen wurde die Demo von der Polizei angehalten, die aufgrund des "Unabhängigkeitsmarsches" eine Änderung der Route durchsetzen wollte. Dies wurde durch die Organisator_innen jedoch erfolgreich verweigert.
Am Rande der Demonstration, die auf etwa 1000 Menschen angewuchs, waren immer wieder Gruppen von Nationalist_innen, zwischen zig und hunderten, wahrzunehmen, die zunächst kaum von der Polizei beachtet wurden. Etwas später zerstreuten Beamt_innen einige Nationalist_innen und wurden von ihnen daraufhin mit Böllern und Pyrotechnik angegriffen.
Neben antifaschistischen Parolen gab es gegen 14 Uhr die ersten Redebeiträge. Den immer wieder erkennbaren Teilnehmer_innen des "Unabhängigkeitsmarsches" wurden antifaschistische Parolen entgegengerufen. Vor dem "Klub Hybrydy" angekommen, thematisierten ein paar Redebeiträge die Hip-Hop-Szene. So wurde in dem Club ein Mensch der der Hip-Hop-Szene angehörte von Faschist_innen umgebracht, weil ihnen die "fremde Musik" nicht gefiel.
Gegen 15:40 wurden Informationen laut, das sich einige hundert Nationalist_innen am Hauptbahnhof Ausschreitungen mit der Polizei lieferten und Böller, Pyrotechnik, warfen, sowie Einssatzfahrzeuge angriffen. Der Mob soll sehr aggressiv sein und die Polizei verschloss die Zugänge zwischen den Demonstrationen.
Im weiteren Verlauf der antifaschistischen Demonstration gab es weitere Redebeiträge über Angriffe polnischer Nationalist_innen, unter anderem während der EM 2012, oder dem Messerangriff auf den Antifaschisten Maciek.
Gegen 17 Uhr löste sich die Demonstration auf und die Polizei ging dazu über sich nun ganz den Ausschreitungen mit den Nationalist_innen des "Unabhängigkeitsmarsches" zu widmen, was ihnen deutliche Probleme bereitete.
Versuch eines Fazits:
Eine antifaschistische Demontration auf der sich ebenfalls (doch ein paar wenige) Polen-Fahnen verirrten, die durch ein Spalier umschlossen eine Route abläuft, an denen die Seitenstraßen von Polizist_innen versperrt sind. Immer wieder aggressive Nationalist_innen, die versuchten Antifaschist_innen anzugreifen und sich dann doch damit begnügten sich Ausschreitungen mit der Polizei zu liefern, massenweise Pyrotechnik zu verbrennen und ihren dumm-stolzen Nationalismus in die Atmosphäre zu johlen.
Viel geht nicht am antifaschistischen Protest gegen die Unabhängigkeits-Feierlichkeiten, aber wenigstens gibt es Initiativen, Gruppen und Menschen die nicht mund- und kritiklos das Nationalgefühl, den Patriotismus und den Polnischen Staat abfeiern. Sich teilweise mit der Gefahr für die eigene Unversehrtheit auf die Straßen begeben um diese nicht den Nationalist_innen und Faschist_innen zu überlassen. Schön, dass es euch gibt!
Nie wieder Faschismus!
Weitere Infos (in polnischer Sprache): http://pl.indymedia.org/pl/2012/11/56195.shtml
kurzes Video von der Demonstration: http://m.flickr.com/#/photos/szczym/8175678481/
Fotos: http://pl.indymedia.org/pl/2012/11/56211.shtml
http://pl.indymedia.org/pl/2012/11/56216.shtml
http://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/sets/72157631982862419/