Gedenk-Kundgebung für die Mordopfer rechter Gewalt in Berlin 15h // Vivantes Klinikum Neukölln // Rudower Straße 48 (U7 Britz Süd)
Am 05.April 2012 wurde der 22jährige Burak B. nachts von einem unbekannten Täter durch mehrere gezielte Schüsse ermordet. Seine beiden Begleiter überlebten schwer verletzt. Bis heute kämpfen Angehörige und Unterstützer_innen um eine Aufklärung des Mordes und darum, dass rassistische Motive in den Fokus der Ermittlungen genommen werden.
Berlin ist seit der ‘Wiedervereinigung’ die Hauptstadt rassistischer Gewalt in Deutschland. Seit 1991 wurden allein hier 12 Menschen durch Neonazis und Rassisten_innen getötet. Viele dieser Taten sind offiziell entweder nicht als Akte rechter Gewalt anerkannt oder werden in der Öffentlichkeit ausgeschwiegen.
Rassistische Gewalt darf nicht unaufgeklärt bleiben und dem Vergessen anheim fallen!
Für ein würdiges Gedenken an die Opfer rechter Gewalt – für einen Kampf gegen die Täter_innen.
Siempre Antifascista – Remembering Means Fighting!
Veranstalter_innen: Siempre Antifascista Bündnis Berlin
Berlin (12 Todesopfer rechter Gewalt)
Klaus-Dieter Reichert, 24 Jahre
Am 11. Dezember 1990 wurde er in
seiner Wohnung in Berlin-Lichtenberg von drei Skinheads, die beauftragt
waren bei ihm Schulden einzutreiben, zusammengeschlagen. In Panik
sprang er aus dem Fenster, fiel zehn Stockwerke tief und starb.
Mete Ekşi, 19 Jahre
Am 27. Oktober 1991 wird der 19-jährige Mete
Ekşi in Berlin am Kurfürstendamm bei einer Schlägerei zwischen deutschen
und türkischen Jugendlichen so schwer am Kopf verletzt, dass er am 13.
November 1991 an den Folgen der Attacke stirbt. Der Auseinandersetzung
vorausgegangen war eine Beleidigung von Seiten der drei deutschen
Jugendlichen. Einer der drei Brüder S. ruft der türkischen Gruppe
entgegen „gefälligst Deutsch und nicht Türkisch zu reden“.
Nguyen Van Tu, 24 Jahre (staatlich anerkannt)
Am 24. April 1992
wollte er zwei vietnamesischen Freunden helfen, die in Berlin-Marzahn
von einer Gruppe rechter Jugendlicher verprügelt wurden. Er wollte die
Jugendlichen zur Rede stellen und wurde jedoch von einem von ihnen mit
einem Messer erstochen.
Günter Heinrich Hermann Schwannecke, 58 Jahre, Obdachloser
Am
29. August 1992 wurden er und ein weiterer Obdachloser auf einer
Parkbank in Berlin-Charlottenburg von einem Mitglied des Ku-Klux-Klan
mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen. Er erlag am 5. September
1992 seinen Verletzungen.
Silvio Meier, 27 Jahre, Drucker (staatlich anerkannt)
Er gehörte
zu einer Gruppe von vier Linken, die am 21. November 1992 in Berlin in
eine Auseinandersetzung mit fünf Neonazis gerieten, als jene einen von
ihnen aufforderten, den Aufnäher “Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein”
abzunehmen. Zwei der Begleiter Silvio Meiers wurden schwer verletzt, er
selbst mit Messerstichen in die Lunge getötet.
Beate Fischer, 32 Jahre, Prostituierte
Am 23. Juli 1994 wurde
sie von drei Skinheads getötet und vor die Mülltonnen eines Hauses in
Berlin-Reinickendorf gelegt. Sie war den Tätern zunächst freiwillig
gefolgt, wollte nach einer Misshandlung jedoch gehen. Daraufhin wurde
sie mehrfach vergewaltigt und anschließend erwürgt.
Jan W., 45 Jahre, Bauarbeiter
Am 26. Juli 1994 wurde der Pole
von einer Gruppe junger Deutscher in die Berliner Spree getrieben,
gewaltsam daran gehindert ans Ufer zurückzuschwimmen und ertrank.
Olaf Schmidke
Nach einem Streit unter vier Rechtsextremen
stachen zwei von ihnen ihre Kameraden am 17. April 1997 in
Berlin-Treptow nieder. Die Täter sowie die Opfer gehörten der
rechtsextremen Szene in Berlin und dem angrenzenden Umland an.
Chris Danneil
Nach einem Streit unter vier Rechtsextremen
stachen zwei von ihnen ihre Kameraden am 17. April 1997 in
Berlin-Treptow nieder. Die Täter sowie die Opfer gehörten der
rechtsextremen Szene in Berlin und dem angrenzenden Umland an.
Kurt Schneider, 38 Jahre, Sozialhilfeempfänger
In der Nacht zum 6. Oktober 1999 wurde er von vier Skinheads in Berlin-Lichtenberg zu Tode gequält.
Dieter Eich, Sozialhilfeempfänger
Am 25. Mai 2000 wurde er von
vier rechten Jugendlichen, die “einen Asi klatschen” wollten, in seiner
Wohnung in Berlin-Pankow zusammengeschlagen und erstochen.
Ingo B., 36 Jahre
Am 6. November 2001 wurde der Herzkranke in einer Berliner Wohnung von drei angetrunkenen Rechtsextremisten getreten, geschlagen und gewürgt, da sie angeblich 40 DM Schulden eintreiben wollten. Er starb daraufhin an einem Herzinfarkt.
Und der Anlass für unsere Kundgebung in Neukölln:
WER HAT BURAK B. ERMORDET? Wir fordern Aufklärung! Gerechtigkeit! Transparenz! Solidarität!
ARI – Antirassistische Initiative Berlin – August 2012
Wer hat Burak B. ermordet?
Am 5. April um ein Uhr nachts wurde Burak B. ermordet. Ein unbekannter Täter näherte sich einer Gruppe von migrantischen Jugendlichen, die zu diesem Zeitpunkt an einer Bushaltestelle gegenüber dem Krankenhaus Neukölln saßen. Der Täter gab aus einer Handfeuerwaffe gezielte Schüsse auf die Gruppe ab. Er tötete den 22-jährigen Burak B. und verletzte Alex A. (16) und Jamal A. (17) lebensgefährlich. Zwei weitere Jugendliche blieben unverletzt. Der Täter war der Jugendgruppe nicht bekannt. Er wird von den Überlebenden des Angriffs als ca. 40-60 Jahre alt, ca. 180 cm groß, weiß, mit Kapuzenpulli, beschrieben. Er flüchtete zu Fuß.
Auf Buraks Beerdigung waren 2.000 Menschen, Angehörige und Freunde und zum größten Teil Mitglieder der türkischen sowie muslimischen Community. Am Tatort befindet sich eine informelle Gedenkstelle. Es werden Blumen nieder gelegt und es wird Burak gedacht. Es sind Zeichen von Entsetzen, Solidarität und Mitgefühl. Plakate fordern: “Buraks Mord darf nicht unaufgeklärt bleiben.” “Deutschland, wir wollen Gerechtigkeit.” Angehörige formulieren, dass es “das Schlimmste wäre, dass der Mord einfach vergessen wird.” Sie wollen wissen, was passiert ist und wer es getan hat.
Ein weiterer unaufgeklärter rassistisch-motivierter Mord!?
Vier Monate nach dem Mord hat die Polizei noch immer kein Ermittlungsergebnis vorzuweisen. Auch wenn wir es nicht mit Sicherheit sagen können, gehen wir davon aus, dass Burak B. von Rassisten ermordet wurde. Sensibilisiert durch das Totalversagen einer kritischen Öffentlichkeit bei den NSU-Morden, die einfach die Polizeiversion von Milieu-Morden akzeptiert hat, sind wir nicht bereit hinzunehmen, dass der Mord an Burak B. unaufgeklärt bleibt. Wir dürfen nicht zum Alltag übergehen. Wir müssen an diesen Mord erinnern und seine Aufklärung fordern. Die Erfahrungen der NSU-Ermittlungen zeigen, dass die Arbeit der Polizei misstrauisch begleitet werden muss.
Denn es gibt für den Mord an Burak B. einen größeren gesellschaftlichen Kontext:
-
Neukölln gilt für eine rassistische Öffentlichkeit als Inbegriff von
gescheitertem Multikulti. Deren pathologisch-rassistische
Angstphantasien von aggressiven migrantischen Unterschichten, von
Muslimen und Salafisten, die Deutschland bedrohen, fokussieren
insbesondere auf Neukölln.
- Regelmäßig werden Moscheen in Berlin
angegriffen. Die Sehitlik-Moschee am Columbiadamm war in diesem Jahr
schon vier mal Ziel eines rassistischen Anschlags.
- Faschistische
Drohbriefe werden seit Anfang Februar an muslimische und jüdische
Gemeinden, türkische Geschäftsleute und migrantische Vereine und
Privatpersonen verschickt. Unterschrieben sind sie von einer sogenannten
“Reichsbewegung”. Diese bedrohen Muslime und Schwarze, Roma und alle
Migrant_innen und setzten ihnen eine Frist Deutschland zu verlassen. Sie
kündigen Gewalttaten an.
- Der Hintergrund der unaufgeklärten
NSU-Morde besteht weiter. Das antifaschistische Pressearchiv Apabiz
ordnet mehr als 120 namentlich bekannte Neonazis dem NSU-Umfeld zu.
Völlig unklar ist, ob weitere Zellen existieren. Es muss mit einer
Fortsetzung der Mordserie oder Nachfolgetätern gerechnet werden. Es
existiert eine rassistische, antimuslimische Internetszene, die den Mord
an Burak B. verächtlich und hasserfüllt kommentiert. Sie erklärt Burak
B., seine Angehörige und die Trauergemeinde in einer
Täter-Opfer-Verkehrung zu einer Bedrohung.
Dieser rassistische gesellschaftliche Hintergrund erfordert, dass
die Polizei gezielt im rassistischen/ faschistischen Umfeld ermittelt.
„Ermittlungen in alle Richtungen“ verschleiern nur und schützen
letztendlich die Täter.
Bundesweit, in Berlin und insbesondere auch
in Neukölln sind gewaltbereite neonazistische Gruppen (polizei)bekannt,
die sich durch rassistische Übergriffe und Angriffe auf Andersdenkende
hervorgetan haben. Des weiteren radikalisiert sich die
antimuslimisch-rassistische „Reichsbewegung“ mit Gewaltaufrufen im
Internet. Diese Gruppen und Einzelpersonen aus ihrem Umfeld kommen als
Täter in Betracht. Auch in Bezug auf den norwegischen antimuslimischen
Terroristen Breivik besteht die Gefahr von Nachfolgetätern.
Darüber
nicht zu sprechen, bedeutet die Mörder gewähren zu lassen! Vor diesen
Bedrohungen die Augen zu verschließen, deckt die Täter und gefährdet
weitere Menschen.
Wir fordern, die Gefahr für Migrant_innen, für Nicht-Weiße und für People of Color in Berlin wahr und ernst zu nehmen. Das bedeutet, ihre Befürchtungen und Hinweise aufzugreifen und zu folgen. Wir fordern eine kritische Öffentlichkeit auf, sich solidarisch zu zeigen.
Was kann das im Einzelnen heißen?
1. Aufklärung fordern. Transparenz der Ermittlungsbehörden fordern. Öffentlichkeit zum Mord und zur Bedrohungssituation muss hergestellt werden: Warum gibt es keine öffentliche Lageeinschätzung des Verfassungsschutzes zu möglichen Täterkreisen, sowie zu den rassistischen Diskussionen über diesen Mord in einschlägigen Foren? Wird der mögliche politische bzw. rassistische Hintergrund der Tat bei den polizeilichen Ermittlungen in Betracht gezogen und warum ermittelt dann nicht die Staatsschutzabteilung? Muss nicht ein bundesweiter Hintergrund in Erwägung gezogen werden? Warum übernimmt nicht die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen?
2. Eine öffentliche, politische Reaktion ist nötig: Wie gehen wir
alle damit um, dass in unserer Stadt rassistische Morde stattfinden. Von
mindestens 182 rassistischen bzw. rechten Morden in Deutschland seit
1990 haben 12 in Berlin stattgefunden. Wo ist unsere Empörung, wo ist
unser Aufstehen dagegen? Silvio Meier wurde am 21. November 1992 in
Friedrichshain ermordet, Dieter Eich am 25. Mai 2000 Berlin-Buch. Dies
sind 2 Personen, an die gesellschaftliche Gruppen erinnern. Sind die
weiteren Opfer vergessen? Haben wir als antirassistische Gruppe und
Angehörige der weißen Gesellschaft die weiteren Opfer vergessen?
Sollte
es nicht auch große Gedenkveranstaltungen z.B. für Mahmud Azhar,
ermordet am 7.1.1990 in Berlin-Dahlem, Mete Eksi (ermordet am
13.11.1991, Berlin-Charlottenburg), Nguyen Van Tu (ermordet am
24.04.1992, Berlin-Marzahn), Jan W. (ermordet am 26.07.1994, Berlin),
Attila Murat Aydin (ermordet am 13.06.2003, Berlin-Köpenick), Cha Dong
N. (ermordet am 06.08.2008, Berlin-Marzahn) geben?
Nach
Presseberichten sind in Berlin drei weitere Morde an Menschen
„türkischer“ bzw. „jugoslawischer“ Herkunft aus den Jahren 2000, 2004
und 2006 nicht aufgeklärt. Wie können wir den Druck erhöhen, damit die
Ermittlungsverfahren vor dem Hintergrund der NSU-Morde wieder
aufgenommen werden? Wir fordern gezielte Ermittlungen in Richtung
rassistischer Hintergründe.
3. Solidarität mit der Familie von Burak B. Solidarität mit Alex A. und Jamal A., den zwei lebensgefährlich verletzten Jugendlichen. Solidarität mit den rassistisch bedrohten Communities. Wir als ein Teil der Öffentlichkeit müssen zeigen, dass wir die rassistische Bedrohung von migrantischen Communities, People of Color und schwarzen Deutschen wahrnehmen und aufs Schärfste bekämpfen.
4. Keine Stille im Land! Schweigen bestätigt die Nazis. Es gibt eine neue Form des rechten und rassistischen Terrors in Deutschland. Es werden keine Bekennerschreiben benötigt. Die Terroristen greifen gezielt Einzelpersonen oder Gruppen aus unserer Gesellschaft nach rassistischen Kriterien heraus und isolieren sie vom Rest. Die Mehrheit der Gesellschaft schweigt. Nazis führen einen „Rassenkrieg“ und brauchen dafür keine Solidarisierung mit ihren Untaten. Es reicht das Schweigen und Ignoranz der Mehrheit, während die Minderheit bedroht und angegriffen wird. Diese Strategie darf nicht aufgehen.
Kein Schweigen im Land!
Burak B. darf nicht vergessen werden!
Solidarität mit der Familie von Burak B., mit Alex A. und mit Jamal A.!
Kampf dem Rassismus!
Am 20. Todestag von Gerhard Kaindl wird in Berlin-Neukölln auf offener Straße scheinbar wahhlos auf eine Gruppe Mitgranten geschossen. 100 Tage nach der Tat, bei der ein 21-jähriger starb und zwei weitere Jugendliche schwer verletzt werden, gibt es laut Polizei "kein Motiv" und keinen Täter.
Der FAP-Funktionär Gerhard Kaindl war am 4. April 1992 in Neukölln im Zuge einer Aktion kurdischer Antifas ums Leben gekommen.
Quelle: http://www.bild.de/regional/berlin/mord/neukoellner-opfer-burak-25353426.bild.html