Ein weiteres mal: Marg bar yomhuriye eslami! Es schien fast so als hätte sich die pathische Indolenz der Gattung Mensch den Iranerinnen und Iranern eingebrannt wie die Stigmata der Folter und des alltäglichen Terrors unter der Herrschaft der islamischen Despotie, als die repressiv erzwungene Todesstille am 3. Oktober 2012 abrupt ein Ende nahm. (1) „Nein zu Syrien (zum Assad-Regime), nein zum Libanon (zur Hezbollah), unser Leben für den Iran“, riefen die Menschen, die wie aus dem nichts zu tausenden auf die Straßen Teherans gingen.
Es blieb bei diesem einen Tag, dann übernahm wieder das Regime die Straße. Zwei Wochen später marschierten die Pasdaran, die Blutsäufer Khomeinis, zu einem dreitägigen Manöver in Teheran auf. Dem Pasdaran-General Mohsen Kazemeini folgend, demonstrierten abschließend 180 Pasdaran-Divisionen auf dem Teheraner Palestine Square. Sie geiferten im fast schon gewohnten Ton von Israel – und drohten jeder auch nur so schwachen Stimme, die sich ihnen widersetzt, einem jeden Regimekritiker, mit Folter und Mord – nicht nur im Iran.
Wir fragen uns, warum sich der „Iranian-Israeli Circle“ so sicher ist, dass die Krise im Iran ein Resultat „ökonomischer Kriegsführung“ äußerer Mächte ist? (2) Wenn doch so viele Menschen im Iran es wagen kundzutun, dass die Krise eben keine von außen lancierte Konspiration gegen die nationale Souveränität ist. „Nein zu Syrien, nein zum Libanon, unser Leben für den Iran“ – diese Parole stellt unter Beweis, dass die Menschen im Iran ahnen, dass die repressiv erzwungene Homogenität nach innen und der antiisraelische Furor nach außen (so z.B. der Export der Hezbollah in den Libanon und das Beharren auf die iranisch-syrische „Achse des Widerstandes“) sich komplementieren. Das Eine eskaliert im anderen. Erinnert sei etwa an den 19. September 2009, dem erfolgreich gekonterten al-Quds-Tag, an dem das Regime traditionell das Ende Israels herbeibrüllt. „Tod Israel“ dröhnte es aus den extra installierten Lautsprecheranlagen des Regimes – doch an jenem Tag schlug es dem ihm entgegen: „Tod den russischen und chinesischen Kollaborateuren des Regimes“, „Putin, Chávez, Nasrallah, ihr seid die Feinde des Irans“ und „Nicht Gaza (die Hamas), nicht der Libanon (die Hezbollah), unser Leben für den Iran“.
Hatte noch Ayatollah Chomeini einen Tag nach dem ersten al-Quds-Marsch im Jahr 1979 die Hezbollah als die Lösung für den Streit unter den Muslimen, als die islamische Assoziation der „Unterdrückten“ ausgerufen, wurden nun unter Jubelgesänge der Beistehenden die meterhohen Banner der in den Libanon exportierten Killerbande entzweigerissen. Das hatten sich die Reformkhomeinisten Mehdi Karroubi, Mir-Hossein Mousavi und Mohammad Khatami anders gedacht. Und wie es scheint, denkt es sich auch der „Iranian-Israeli Circle“ anders.
Natürlich hat das Sanktionsregime die Krise verschärft und zum Währungszerfall beigetragen. Aber warum sollten die Menschen im Iran dem offenkundigen Schwachsinn der Propaganda verfallen, dass die Krise eine von außen gesteuerte wäre, wie das Regime fest behauptet? Dass in vielen Betrieben im Iran seit Wochen gestreikt wird, ist an keiner Stelle auch nur in den leisesten Tönen erwähnenswert. Ist es Zufall, dass der so energisch aktivistische „Iranian-Israeli Circle“ noch kein einziges Mal vor der iranischen Botschaft demonstriert hat? Wäre zumindest eine Geste der Unterstützung der sozialen und politischen Kämpfe im Iran nicht das naheliegendste? Die erste Aktion, mit der die in Berlin ansässige Gruppe namens „Iranian-Israeli Circle against war, sanctions, occupation & state-oppression“ Aufmerksamkeit erhaschte, war eine Demonstration in Berlin-Kreuzberg am 5. Mai 2012. (3) In dem Aufruf wird nicht nur systematisch das khomeinistische Regime relativiert und verharmlost, sondern im gewohnten Ton von einer „Hetzkampagne beider Regierungen“ (gemeint ist hier Israel und der Iran) schwadroniert, die von „brennenden politischen Problemen [in den eigenen Ländern, A.d.V.] abzulenken“ versuchen. Dass die historische Aufgabe der iranischen Opposition, nämlich der Sturz des Regimes und damit auch die Verhinderung der islamischen Bombe, schon immer mehr war als eine nur inneriranische Angelegenheit, das müssen sie, als Souveränitätsfetischisten, verdrängen und verleugnen. Und so wie der Souveräntitäsfetischismus unweigerlich mit dem Antisemitismus verschränkt ist, tummelten sich auch auf der Demonstration am 5. Mai 2012 zahlreiche Antizionisten, die im Gestus des selbstlosen „Bewährungshelfers“ (W. Pohrt) ihren Hass auf den jüdischen Staat loswerden. Selbstverständlich mit dem pedantischen Verweis darauf, irgendwie doch ein Freund Israels zu sein. Mit dieser Vorwegnahme ist eine vermeintliche „Israel-Kritik“, die sicherlich alles andere als eine Kritik, sondern viel mehr als Meinung über Israel zu bezeichnen ist, aber keineswegs entschärft, allenfalls abgegrenzt zu notorischen Israelhassern die um ihre Gesinnung keinen Hehl machen. „Wiedergutmachung an Überlebenden – nicht in Form von U-Booten!“ forderte beispielsweise die sich beteiligende antizionistische „Jüdische Stimme“: Lästig ist ihnen Israel als der jüdische Staat, der doch die notwendige Konsequenz aus der deutschen Barbarei ist, und so neiden sie ihm noch die wenige – sich eher aus vergangenheitspolitischen Gründen denn aus wirklicher Solidarität speisende – praktische Unterstützung, die der deutsche Staat Israel gegenüber leistet. (4)
Die Sanktionen gegen den Iran würden die Opposition lähmen – als erzwänge nicht die brutale Repression die Todesstille bereits vollends. Wir nehmen die Stellungnahmen und Einschätzungen des „Iranian-Israeli Circle“ einmal ernst. Es wird schlicht gelogen: „Die Sanktionen, von denen behauptet wird, sie seien gegen die iranische Regierung gerichtet, treffen in Wirklichkeit meist die einfache Bevölkerung. Sie haben sich auch nachteilig ausgewirkt auf die iranische Protestbewegung, die im Jahr 2009 begonnen hatte.“ Haben sich nicht die auch von Deutschland gelieferten Repressionstechnologien (siehe Siemens-Nokia und andere) auf die Revoltierenden im Iran sehr viel mehr „nachteilig ausgewirkt“, als die deutlich später forcierten Sanktionen gegen die Pasdaran und andere Institutionen der khomeinistischen Despotie? Ihre Forderung nach einem Ende des Sanktionsregimes differenziert nicht zwischen Repressionstechnologien, Dual Use-Produkten oder eben Weizen und ist somit im Interesse von Siemens und anderen deutschen Todeshändlern. Dass der Einsatz für den freien Markt äußerst einseitig ist, zeigt sich darin, dass auch Aktivisten der BDS-Kampagne in der Gruppe aktiv sind. (5)
In den Forderungen wird es dann aberwitzig: „Wir fordern: Eine
öffentliche Debatte in Deutschland, Israel und im Iran: es ist Zeit,
diese Probleme nicht mehr zu ignorieren und sich der schrecklichen
Realität zu stellen.“ Eine öffentliche Debatte im Iran? Unter einem
Regime, das das Internet abriegelt, Satellitenschüssel demontiert, jede
Kritik brutalst verfolgt? Wenn die Menschen im Iran sich erheben, dann
unter Bedrohung ihres Lebens, nicht in irgendeiner „öffentliche
Debatte“ zu Tee und Keksen mit den Schergen des Regimes.
Die Forcierung des khomeinistischen Regimes, sein Gewaltpotenzial nuklear zu potenzieren, wird vom „Iranian-Israeli Circle“ als „nuklearer Hype“ abgetan, der auch von Israel instrumentalisiert werde. Der „Hype“ um die Atombombe ist dabei nicht nur für den Staat Israel, dem seit Anbeginn der khomeinistischen Despotie mit Vernichtung gedroht wird, eine Lebensfrage, sondern auch für die freiheitsliebenden Menschen im Iran. Dass es im libanesischen Beirut um die 100.000 Getreue waren, die im Furor um die Schmähung Mohammeds durch eine Viertelstunde youtube-Trash hinter dem Antlitz Khomeini aufmarschierten, in Teheran oder anderswo im Iran es aber nie so aussah, als hätten sich noch viele andere Menschen als die Kleriker aus der nächstgelegenen theologischen Fakultät eingefunden, verrät das Dilemma des khomeinistischen Souveräns. Ihm fehlt es an loyalem Brüllvieh im Iran. Dieses Missverhältnis potenziert den Zwang der khomeinistischen Despotie zur imperialen Vehemenz ihrer Agitation, zur Rekrutierung von Brüllvieh anderswo als im Iran. Ihre natürlichen Ressourcen sind dabei am schwinden, das Material der Shiah reduziert sich auf einige wenige Exklaven im Libanon, Irak und anderswo. Doch je weniger die khomeinistische Despotie der islamische Souverän sein kann, der den konfessionellen Streit aufhebt und die al-Umma al- islamiya konstituiert, sie ersteren noch ausreizt und den Zorn der Sunniten provoziert, je weniger sie die Krise exorzieren kann, sie die iranische Ökonomie viel mehr zu einem reinen Insidergeschäft herunterbricht, umso mehr verstärkt sie den Dschihad gegen Israel. Mit der Nuklearisierung ihres Gewaltpotenzials schließlich würde die Simulation islamischer Souveränität so weit real werden, wie die khomeinistische Despotie von nun an über Leben und Tod auch anderswo als im Iran, Libanon und Syrien verfügen würde. Eine Despotie, die ihrem Selbstverständnis nach nur als provisorisches Management fungiert bis zu der universalen Machtentfaltung des verschwundenen zwölften Imams und die jede Belustigung über diesen von Staats wegen organisierten Okkultismus mit dem Tode zu bestrafen droht, würde den Iran zuerst in atomaren Staub verwandeln bevor sie sich einer Säkularisierung beugt.
Das Geraune von der nationalen Souveränität, das im neuesten Aufruf der Gruppe durchkommt, ist so bösartig, weil beides unter khomeinistischer Despotie heißt, dem Individuum einzubrennen, das es, wie es in einer häufigen Märtyrerparole besungen wird, „nur ein Staubkorn des Vaterlandes“ sei: nichts als Material zu Herrschaftszwecken. Nationale Formierung heißt im Iran noch immer Krieg gegen jede Differenz und nicht zuletzt gegen Israel, diese von den Khomeinisten als „Krebsgeschwür“ und ähnlichem gebranntmarkte „Anti-Nation“. Für uns gibt es keine andere Wahl als die Revolution gegen die khomeinistische Despotie, also das, was im Iran brutalst erstickt worden ist (nicht durch das Sanktionsregime, sondern durch die kalte Hand der Khomeinisten in Evin und anderswo). Gleichsam müssen wir uns eingestehen, dass Israel sich nicht auf die Hoffnung revolutionärer Erhebung verlassen kann, Israel also gezwungen ist, militärische Aktionen gegen die für die Nuklearisierung der Despotie relevanten Anlagen sich vorzubehalten. Wir wiederholen: Israel muss auf den worst case gefasst sein, es kann nicht regungslos zu sehen, wie ein Regime seine Shahab 3 mit der Heilsparole „Tod Israel“ beschriftet und zugleich sich aufmacht, sich in die Bereitschaft zu versetzen, auf diese atomare Sprengköpfen zu konfektionieren. Eine Kampagne „Iran loves Israel, Israel loves Iran“ hätte nur dann antimilitaristischen Charakter, wenn sie um den Unterschied – der einer um das Ganze ist – zwischen der khomeinistischen Despotie und Israel wüsste, nämlich dass die antisemitische Projektion konstitutiv ist für das „Islamische Erwachen“, dass die repressiv erzwungene Homogenität nach innen (die Morde an sexuellen Dissidenten, Regimekritikern und anderen) und der antiisraelische Furor nach außen (der Export der Hezbollah in den Libanon, die Shoah-Leugnung …) sich komplementieren, in dem einen eskaliert das andere. Die Menschen im Iran, die „Nein zu Gaza (Hamas), nein zum Libanon (zur Hezbollah), unser Leben für den Iran“ rufen, wissen das, tun wir das unserige, dass sie sich wieder erheben. Wir fragen uns, will man diese Erhebung noch, wenn man, wie im Aufruf, die „Unterstützung von Aufständischen“ ankreidet?
Die Gerüchte unter Exil-Iranern, die Gruppe „Iranian-Israeli Circle“ sei ein Sidekick der „Campaign Against Sanctions and Military Intervention in Iran“ (kurz: CASMII), einer regimegesteuerten Lobbyorganisaton, deren Initiator Abbas Edalat sich selbst eine kosmetische Kritik an der Islamischen Republik verbietet, sind an dieser Stelle nicht ausschlaggebend für unseren Protest gegen die Demonstration des „Iranian-Israeli Circle“. Sei’s drum, das ideologische Brimborium der Gruppe läuft so oder so auf das gleich hinaus: sie arbeitet dem iranischen Regime zu, verlängert die blutig erzwungene Friedhofsstille der iranischen Opposition und die Lebensdauer eines Regimes, welches regelmäßig seine Vernichtungsabsichten gegenüber Israel bekundet.
Ein paar Einzelne Freunde der Revolte im Iran und der streikenden Flüchtlinge in Berlin
Anmerkungen:
1. Eindrücke vom 3. Oktober 2012 in Teheran: http://youtu.be/Y2sxKi7WBxI
2. http://www.israelis-iranians-against-war.blogspot.de/
3. http://israelis-iranians-against-war.blogspot.de/2012/04/demo-samstag-55...
4. Die Deutschen konnten bekanntlich den Juden Auschwitz nie
verzeihen und spielen sich seither als sehnsüchtige und selbstlose
Bewährungshelfer auf, um den Juden mittels unerlässlicher „Kritik“ den
„richtigen Weg“ zu weisen. Es ist das uneigennützige Bedürfnis des
deutschen Antisemiten.
5. BDS steht für Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen Israel.