Husum: Ausnahmsweise mal Meinungsfreiheit?

Plakat - militarismus-jetzt-stoppen

Im Vorfeld eines antimilitaristischen Protestcamps vor der Fliegerhorstkaserne in Husum verbot das Ornungsamt der Stadt Husum zunächst das Anbringen von Plakaten, die auf die Versammlung aufmerksam machen sollten. Erst nach Protest gab die Behörde letztlich doch ihre Zustimmung. Dabei fällt das örtliche Ordnungsamt mit sonderbaren germanistischen Interpretationen der deutschen Sprache und einem bedenkenswerten Verständnis von Meinungsfreiheit und Bürgerengagement auf.

 

Am Wochenende vom 9.8.-12.8.2012 wird in Husum gezeltet: Vor der örtlichen Kaserne aus Protest gegen das Militär und die als Auslandseinsätze verharmlosten Kriegsbeteiligungen. Deshalb stellte die Orga-Gruppe beim örtlichen Ordnungsamt einen Antrag, um mit Plakaten ähnlich den Parteien im Wahlkampf auf die viertägige Demonstration aufmerksam zu machen.

 

Nach der Antragstellung bekam Jan Hansen eine Mitteilung von Ordnungsamt. Sein Antrag, mit Plakaten auf Stellwänden an Laternenmasten auf das in Husum vom 9.8. bis 12.8. stattfindende Protestcamp „Militarismus jetzt stoppen“ aufmerksam zu machen, werde leider abgelehnt. Die Stadt habe eine Satzung für die Sondernutzung von Straßen, und dort sei Plakatieren für Demonstrationen nicht vorgesehen. Er könne sich ja an einen kommerziellen Anbieter wenden oder mit Grundstückseignern verhandeln. „Ich dachte, mich trifft der Schlag. Noch bei der Anti-Acta-Demo im Herbst war das alles kein Problem!“

 

Jan Hansen habe daraufhin zum Telefon gegriffen, und den zuständigen Sachbearbeiter angerufen. „Es wurde behauptet, die Satzung der Stadt beinhalte einen „ausschließlichen Katalog“ von Anlässen für die plakatiert werden dürfe, und Demonstrationen fielen nicht darunter.“ Tatsächlich enthält die entsprechende Satzung einen Katalog von Plakatier-Anlässen. Doch unter dem Abschnitt 2 der Anlage 2 zu §3 steht dort auch: „Politische Großveranstaltungen (z.B. Landesparteitage)“. Im Telefonat konfrontiert Hansen den Mitarbeiter am Telefon mit diesem Abschnitt. „Ich musste mich darüber belehren lassen, dass die Wendung „Zum Beispiel“ eine Ausschließlichkeit implizieren würde“. Auf die vorherigen positiven Entscheidungen bezüglich des Plakatierens für Demonstrtionen angesprochen, erhielt ich die Info, dass es sich um einen Fehler anderer Mitarbeiter gehandelt habe.

 

„Selbstverständlich habe ich sofort einen Widerspruch geschrieben, meinen Anwalt kontaktiert und übers Wochenende eine Pressemitteilung vorbereitet!“ sagt Hansen. Doch soweit kommt es gar nicht. „Gerade, als ich am Montag mit der anstehenden Aktion beginnen wollte, kam die Nachricht, das das Plakatieren doch erlaubt sei“. In Anbetracht der Tatsache, dass Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung Verfassungsgüter seien, handle es sich nun laut Ordnungsamt um einen „Grenzfall“, und das Plakatieren sei „ausnahmsweise“ erlaubt. „Wenn ich es nicht selbst erlebt hätte, würde ich es nicht glauben: In Husum geht der vorauseilende Gehorsam der Behörden gegenüber den Interessen des Militärs soweit, dass die Verantwortlichen bereit sind, ohne weiteres elementare Grundrechte einzuschränken!“ wundert sich Hansen. Von der Verwaltung der Stadt Husum war leider trotz Anfrage keine Stellungnahme zu bekommen.

 

Stein des Anstoßes ist ein Protestcamp gegen Auslandseinsätze und Militär vom 9.8. bis 12.8. vor der Husumer Fliegerhorstkaserne. Geschätzte 40 Jugendliche haben ein buntes Veranstaltungsprogramm mit Workshops, Straßentheater, Fahrraddemo und Vorträgen erarbeitet, um auf den ihrer Meinung nach in der Stadt vorherrschenden Militarismus aufmerksam zu machen.

 

„Das von Husum aus in aller Welt kriegführende Militär beeinflusst und dominiert hier in der Stadt auch weite Teile des zivilen Lebens“ sagt Jan Hansen, einer der Organisatoren des Protestcamps „Militarismus jetzt stoppen“. So seien weite Teile des gesellschaftlichen Lebens von einer militärischen Logik durchdrungen. So sei es z.B. normaler Weise kein Problem, in der Stadt für Demonstrationen und politische Veranstaltungen Plakate aufzuhängen. „Aber ausgerechnet bei einer antimilitaristischen Veranstaltung wird das Plakatieren vom Ordnungsamt der Stadt behindert“ führt Mitorganisator Jan Hansen ein Beispiel für die Politik der Stadt an. Zudem bezahle die Bundeswehr den Neujahresempfang der Stadt, die Bürgervorsteherin ließe sich beim Truppenbesuch mit Stahlhelm am Maschinengewehr fotografieren und bei Gelöbnissen übernehme mit Billigung der Stadt die Militärpolizei auf dem Marktplatz die Regie.. „Zwischen Militär und der Stadt passt in Husum kein Blatt.“ schließt Hansen seine Analyse.

 

Doch noch etwas anderes sei laut Hansen jenseits des konkreten Falls problematisch: „Der Schlüsselsatz der Anlage 2 ist der vorletzte.“ Dort stünde, falls eine Werbung gewünscht werde, die über den genannten Umfang hinausgehe, sei von Seiten der Stadt auf das Werbeunternehmen zu verweisen, dem vertraglich das Werberecht in Husum eingeräumt wurde. Dies sei laut Hansen ein klassischer Fall in der neoliberalen Postdemokratisierung. „Formal bleiben demokratische Rechte wie Meinungsfreiheit erhalten, de facto ist dieses Recht, mittels Plakaten Einfluss auf den öffentlichen Diskurs zu nehmen, längst privatisiert und eine kostenpflichtige Dienstleistung geworden.“

 

 

Aufruf Camp:

http://husuma.nirgendwo.info/2012/06/11/protestcamp-militarismus-jetzt-s...

 

Programm Camp:

http://husuma.nirgendwo.info/2012/07/08/veranstaltungsprogramm-auf-dem-p...

 

Die Satzung für die Sondernutzung von öffentlichen Plätzen und Straßen der Stadt Husum:

http://husuma.nirgendwo.info/files/Sondernutzung-husum.pdf

 

Hintergründe über die Verabschiedung der Satzung der Stadt Husum 2007:

http://husuma.nirgendwo.info/2007/08/18/husum-randgruppen-unerwunscht/

 

Verdacht des Wahlbetruges durch Mitarbeiter des Ordnungsamtes Husum 2010:

http://husuma.nirgendwo.info/2010/02/06/die-merkwurdige-wahlnacht-von-hu...