Mit dem Barabend wollen wir an die Proklamation der Antifaschistischen Aktion vor 80 Jahren erinnern. Wir, die sich nicht zuletzt durch Namen und Logo deutlich auf diese Organisierung beziehen, halten es für wichtig uns mit diesem Kampf, der sich immer gegen mehr richtete, als die bloße Abwehr der Bedrohung durch Faschist_innen, historisch zu befassen. Vor dem Hintergrund dessen, dass die Antifaschistische Aktion maßgeblich von der – spätestens seit 1928 vollständig stalinisierten – KPD initiiert wurde, kann unsere Bezugnahme auf sie als heutige Antifaschist_innen und antistalinistische Kommunist_innen jedoch immer nur eine kritische sein.
Auch wenn mensch hinterher immer schlauer ist und die Beurteilung einer historischen Situation im Nachhinein eine ganz andere Ausgangslage qua zur Verfügung stehender Kenntnisse hat, wollen wir hier einige Anmerkungen zu schwerwiegenden taktischen Fehlern der Kommunistischen Internationale (KomIntern) und der KPD im Kampf gegen den Faschismus in den 1930er Jahren anbringen, um die Tragik der Situation, in der die Antifaschistische Aktion gegründet wurde, zu verdeutlichen:
Im Leitartikel des Zentralorgans der KPD „Die Rote Fahne“ heißt es am 1. Mai 1929:
„Auf das Wellental zwischen zwei Wellen der Revolution, auf die Flaute,
die sich den ersten stürmischen Kampfjahren der Nachkriegszeit anschloß,
folgt ein neuer revolutionärer Aufstieg. Schon die ersten Signale
verkünden den grollenden Donner des künftigen proletarischen Oktobers.“
Und noch im Oktober 1932 konstatierte das Exekutivkomitee der KomIntern,
dass „der Sieg der proletarischen Revolution in Deutschland“ kurz
bevorstehe. Dies war eine gewaltige Fehleinschätzung der historischen
Tendenz, der Kräfteverhältnisse und der politischen Lage der Weimarer
Republik. Der Grund einer solchen Analyse ist wohl in dem von der
KomIntern vertretenen deterministischen Materialismus zu suchen, nachdem
das wachsende Missverhältnis von Produktivkräften und
Produktionsverhältnissen quasi automatisch die kommunistische
Weltrevolution herbeiführen müsse. Die Weltwirtschaftskrise von 1929
konnte von ihr vor diesem Hintergrund nur als ein deutliches Zeichen der
Verschärfung dieses Widerspruchs gelesen werden.
Dass eine solche Krise aber nicht automatisch mit einer progressiven
Bewusstseinsbildung und der Einsicht in die eigene Klassenlage der
ausgebeuteten Klassen einhergeht, wurde dabei nicht gesehen. Doch ohne
eine solche Bewusstseinsbildung können aus einer kapitalistischen
Verwertungskrise auch problemlos rassistische und antisemitische
Denkstrukturen hervorgehen. Eine Krise stellt somit ein gewaltiges
Potential für faschistische und reaktionäre Bewegungen dar.
Die KPD vertrat damals – ganz in der Linie der KomIntern – aber
weitestgehend eine Agententheorie des Faschismus. Sie besagt, dass die
Faschist_innen nichts als bezahlte Agent_innen des Kapitals seien, ihre
ganze Essenz wurde vom damaligen Sekretär der KomIntern Georgi Dimitroff
formuliert (die sogenannte Dimitroffformel): „Der Faschismus an der
Macht, Genossen, ist, […] die offene, terroristische Diktatur der
reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischsten
Elemente des Finanzkapitals.“
Auch wenn die soziale Funktion des Faschismus eine das
Kapitalverhältniss stützende ist, wurde mit dieser Theorie der Blick auf
die Eigendynamik faschistischer Bewegungen und ihrer Anziehungskraft
vor allem auf die kleinbürgerlichen Massen, vollständig versperrt.
Stattdessen versuchte die KPD sogar mit dem von ihrem Vorsitzenden Ernst
Thälmann proklamierten Programm der „nationalen und sozialen Befreiung
des deutschen Volkes“ diese mit reaktionären Mitteln und Ideologien zu
agitieren.
Ein weiteres Theorem der KomIntern, das zu erheblichen Taktikfehlern
führte und einen frühzeitigen, geschlossenen Kampf aller
antifaschistischen Kräfte gegen den Faschismus verhinderte, war die von
ihr vertretene Sozialfaschismusthese. Ihr zufolge handle es sich bei der
Sozialdemokratie und dem Faschismus um „Zwillingsbrüder“ (Stalin). So
seien also beide in gleichem Maße zu bekämpfen, da eben beide das
Proletariat an die kapitalistische Gesellschaftsstruktur bänden und sich
somit „objektiv“ in der gleichen Funktion erschöpften: nämlich einer
konterrevolutionären. So ist es nicht verwunderlich, dass die
Sozialdemokrat_innen wenig Lust hatten mit den Kommnunist_innen gegen
den Faschismus zu kämpfen, auch wenn es an der Basis durchaus
Kooperationen gab.
Hier muss natürlich auch erwähnt werden, dass die SPD in der Tat auch
schon damals eher eine reaktionäre, denn eine progressive Kraft war.
Erinnert sei hier nur an die Linie: Zustimmung der Kriegskredite –
Bluthund Noske – Berliner Blutmai 1929 unter dem sozialdemokratischen
Polizeipräsidenten Zörgiebel – Tolerierung Brünings. Dennoch verstand
sie sich aber als antifaschistisch und die von ihr gestützte
bürgerlich-demokratische Herrschaft war ein Unterschied ums Ganze zur
nationalsozialistischen Herrschaft.
Falsch sind diese Einschätzungen und daraus resultierenden Taktiken vor
allem deshalb, weil die Weimarer Republik sich spätestens seit der
Anwendung des Paragraphen 48 der Weimarer Reichsverfassung durch
Hindenburg und des dadurch möglich gewordenen Präsidialkabinetts Brüning
im März 1930, das eine faktische Entmachtung des Parlaments bedeutete,
auf einem sichtbaren und offenen Weg zur Autoritarisierung befand und
damit bereits in eine gefährliche Nähe zum Faschismus geriet. Hinzu kam
ab 1929 eine durch die Weltwirtschaftskrise möglich gewordene
Kapitaloffensive, die aus dem Abbau der Sozialpolitik, dem Angriff auf
die Löhne, dem radikalen Abbau der Besitzsteuern, der Erhöhung der
indirekten Steuern bestand, was einen zusätzlichen Nährboden für
faschistische Tendenzen innerhalb des Kleinbürgertums bildete.
Hier sei noch kurz darauf hingewiesen, dass es durchaus Kommunist_innen außerhalb der KPD gab, die diese Entwicklungen sahen und versuchten auf einen ent- und geschlossenen Kampf gegen den Faschismus hinzuwirken. Als Beispiel unter vielen sei hier nur die Kommunistische Partei – Opposition um August Thalheimer und Heinrich Brandler genannt, die ab Ende der 1920er Jahren davon ausgingen, dass es zur offenen und vollständigen faschistischen Diktatur kommen werde, wenn die Arbeiter_innenklasse nicht entscheidend in den Kampf eingreife.
Die
Antifaschistische Aktion kam tragischerweise viel zu spät, ein
entschlossenes Eingreifen aller Antifaschist_innen gegen den Faschismus
wäre bereits viel früher dringend notwendig gewesen. Gut ein halbes Jahr
nach der Gründung der historischen Antifa gelang es den Nazis bereits –
durch die Machtübertragung an Hitler – ihre, von breiten Teilen der
damaligen deutschen Bevölkerung gestützte, Terrorherrschaft zu
installieren. Ihr erstes Opfer war die Arbeiter_innenbewegung, die
komplett zerschlagen wurde. Diesem ersten Verbrechen sollten noch viele
weitere, noch nie in der Menschheitsgeschichte da gewesene, folgen. Der
Vernichtungskrieg und die Shoa brachten mit der Ermordung von Millionen
von Menschen unvergleichliches Leid und Schrecken nach Europa.
Als Nachgeborene kann der Bezug auf die Antifaschistische Aktion von
1932 für uns deshalb nur bedeuten, an diese Verbrechen zu erinnern und
mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen ein Erstarken
jeglicher Formen des Faschismus und seiner Wurzeln zu kämpfen.
Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!
Kampf dem Faschismus! Kampf dem Kapital!
Hier sei aus Gründen der historischen Dokumentation noch das auf der Konferenz vom 10 Juli beschloßene Kampfgelöbnis der Antifaschistischen Aktion dokumentiert:
Ein Feind, eine Front, ein Kampf!
Das Kampfgelöbnis der Antifaschistischen Aktion
Der Kampfkongress gegen Faschismus beschloss auf seiner Tagung das nachfolgende Gelöbnis zum Kampfesschwur der Antifaschistischen Aktion zu erheben:
Wir geloben mit Leib und Leben, mit unserer ganzen Kraft, einzustehen für den antifaschistischen Massenkampf:
gegen die faschistischen Todfeinde des werktätigen Volkes,
gegen die Aufrichtung der faschistischen Diktatur.
gegen den faschistischen Mordterror,
gegen Notverordnungen, Verbote, Unterdrückungsmaßnahmen,
gegen Lohnraub, Gehaltsraub, Unterstützungsraub,
gegen Tributsklaverei und imperialistische Kriegspolitik,
gegen das kapitalistische System von Hunger und Knechtschaft!
Mit aller Kraft gegen den Faschismus!
Es lebe die Antifaschistische Aktion!
Wir geloben nicht zu ruhen und zu rasten, sondern in Betrieb und Stempelstellen, in Stadt und Land alle Kraft einzusetzen:
für die gemeinsame rote Einheitsfront,
für die Freiheit der Arbeiterklasse,
für die Verteidigung der Kommunistischen Partei und aller proletarischen Organisationen,
für die Verteidigung der Sowjetunion,
für den roten Massenselbstschutz,
für Streiks und Kampfaktionen,
für den politischen Massenstreik gegen die faschistischen Machthaber.
für eine Arbeiter- und Bauernregierung,
für ein freies, sozialistisches Deutschland!
Alles für den Sozialismus!
Es lebe die Antifaschistische Aktion!
Ein Feind – eine Front – ein Kampf!
Her zu uns! Wir sind die Antifaschisten der Tat!
Wir geloben es mit unserem Kampfruf:
„Rot Front“!
PS: Angesichts der massiven objektiven und subjektiven Probleme, vor denen der Kampf für Freiheit und Emanzipation noch heute steht, ist ein gerütteltes Maß an Selbstironie durchaus am Platz – in diesem Sinne darf am 10.07. auch zu traditionsreichem Liedgut geträllert werden.
http://campusantifa.blogsport.de/2012/06/28/ein-feind-eine-front-ein-kam...