„In dem Genehmigungsverfahren wird ein Plan aufgestellt der eigentlich nie eingehalten wird“ - So ein Vertreter vom Gewerbeaufsichtsamt.
Noch weitaus vor der Verhandlung standen vier Aktivist_innen vor den Eingang des Verwaltungsgerichtes in Lüneburg. Sie hielten Transparente mit den Aufschriften „Tiere Frei statt Quälerei“ und „Gegen Käfige und Knäste – Freiheit für Mensch und Tier“, malten Parolen wie, „Freiheit für alle Tiere“ und „Rothkötters Schlachtfabriken stoppen“ mit Kreide auf den Bürger_innensteig vor den Eingang und verteilten Flyer. Kurze Zeit später tauchte ein „Ansturm“ von Journalist_innen auf, die zunächst nur die Aktivist_innen wahrnahmen, sich aber größtenteils nachdem sie die Transparente abfotografiert und -gefilmt hatten, auf Vertreter_innen des „Nabus“ (Naturschutzbund Deutschland e.V., der gegen die Bebauungspläne der Schlachtfabrik klagt) und der „Bürgerinitiative Wietze¹“ „stürzten“.
10.45 Uhr startete die Verhandlung im
Saal II am Ort der Wahrheitsfindung.
Zunächst wurde festgestellt, dass die Beklagten, zwei Vertreter der Gewerbeaufsichtsamt und ein Anwalt des Konzerns Rothkötter sowie die Kläger, zwei Vertreter des Nabus anwesend waren.
Anschließend wurde von Seiten des
Richters die Schlachtfabrik in Wietze vorgestellt, mit trockener und
emotionsloser Stimme berichtete er von Ankunft der Hühner, der
Betäubung dieser mit Gas, dem Abschneiden der Köpfe, entfedern,
zerstückeln, verpacken und dem Abtransport der Leichenteile.
Danach ging es um die wichtige Frage, ob die Klage des Nabus berechtigt und alle Fristen gewahrt wurden. Der Übergang zum eigentlichen Gegenstand des Verfahrens: Lärm, Emissionsprognosen, Keimbelastung, mangelhaften Brandschutz – und ob der Bebauungsplan überhaupt wirksam ist, war fließend. Hierbei wurde festgestellt das der Schlachthof gegen wesentliche Auflagen der Genehmigung verstößt, da z.B. lediglich 4 statt 20 Schornsteine errichtet wurden. Dies führe laut dem Emissionsgutachter des Bunds für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Knut Haverkamp, zu einer Erhöhung von Emissionen.
Darauf
antwortete ein Vertreter der Gewerbeaufsichtsamt: „Anlagen dieser
Größenordnung würden doch nie nach Plan gebaut, Man habe immer
einen Dummy, der sich im Laufe des Ausbaus verändere.“
Dies sei jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens beurteilte der Richter, dagegen müsste extra geklagt werden. Ebenso das Austreten von Multiresistenten Keimen, die von den Rothkötters Anwalt als „umherschweifende Geister“ bezeichnet wurden.
Nach ca. zwei Stunden wurde die
Verhandlung abgeschlossen. In zwei Wochen will das Gericht das Urteil
verkünden.
Aus meiner Sicht zeigte diese
Verhandlung wiedereinmal das Gesicht dieses Rechtssystem. Da werden
in einer Fabrik Millionen von Hühnern ermordet, um mit Teilen ihrer
toten Körper Geld zu verdienen und das einzige wogegen Mensch klagen
kann ist, dass dieser Mord nicht ordnungsgemäß von Statten geht.
Zudem werden berechtigte Ängste von Menschen vor Kranheitserregern,
die eine Gefährdung ihres Lebens bedeuten, ignoriert und von
Menschen, die weit weg von diesen Problemen leben, ein Jahr nach
Inbetriebnahme der Fabrik beurteilt.
Aus Herrschaftskritischer Sicht fehlte mir allerdings an diesen Tag an Vermittlung von Rechtskritischen Inhalten gegenüber der Presse und den restlichen Zuschauer_innen, würde sich doch mit ein bisschen Vorbereitung die Bühne eines solchen Schauspiels hervorragend dafür eignen.
Mehr Infos zur Kampagne gegen die
größte „Geflügel“Schlachtfabrik findest du unter:
antiindustryfarm.blogsport.de
Presseartikel zum Prozess:
NDR: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/niedersachsen_1800/ndsmag10195.html
TAZ: http://www.taz.de/Verhandlung-ueber-Schlachthof-in-Wietze/!96355/
¹Die ausschließlich Männliche Form ist eine Selbstbezeichnung der Initiative und wird deshalb hier so übernommen