Roma droht wieder die Abschiebung

Erstveröffentlicht: 
21.05.2012

Zwei Familien mussten Freiburg verlassen, laut dem "Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung" droht vielen weiteren ähnliches.

 

Einige Monate hatten sie Ruhe – Mitte April ist die Lage für einen Teil der rund 600 Roma, die derzeit nach Zahlen der Ausländerbehörde in Freiburg leben, aber wieder unsicher geworden: Die grün-rote Landesregierung hat ihren vorübergehend verhängten Abschiebestopp aufgehoben. Nun gilt für Roma aus dem Kosovo eine Einzelfallregelung. Seitdem fanden zwei Abschiebungen von Roma-Familien statt – nach Mazedonien und Serbien. Das "Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung" protestiert mit einer Online-Petition und fordert ein Bleiberecht für alle Roma.

Die Informationen sind spärlich. Selbst die städtische Ausländerbehörde erfährt über Abschiebungen aus Freiburg nur, wenn sie beim dafür zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe nachhakt, sagt Edith Lamersdorf, die Pressesprecherin der Stadtverwaltung.

Fest steht: Ein junger Mann aus der Flüchtlingsunterkunft an der Hammerschmiedstraße im Stadtteil Waldsee (nahe dem Möslestadion) wurde nach Serbien abgeschoben, Eltern und Geschwister fuhren ihm nach – auch sie hätten ohnehin ausreisen müssen. Eine weitere Familie mit 13 und 20 Jahren alten Kindern aus der Unterkunft an der Bissierstraße (Betzenhausen) wurde nach Mazedonien abgeschoben. Die Abschiebungen und viele Gerüchte sorgen für Angst unter den Freiburger Roma. Rund die Hälfte sind nicht über die Bleiberechtsregelung abgesichert, schätzt Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach. Er wünscht sich eine schnelle Verfestigung ihres unsicheren Duldungs-Aufenthaltsstaus’ und setzt Hoffnung in die Einzelfallregelung: "Diejenigen, die seit Jahren hier leben und deren Integration sich verfestigt, sollten bleiben können."

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Doch was heißt Integration – und welche konkreten Kriterien gelten bei der Einzelfallprüfung? Vom Regierungspräsidium Karlsruhe und dem Innenministerium Baden-Württemberg in Stuttgart kommen nur vage Antworten, laut dem "Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung" gibt es einen internen Kriterienkatalog, der nicht öffentlich gemacht wird. Entscheidungsspielräume würden "zugunsten der Ausländer genutzt", sagt Kim Dunklau-Fox von der Pressestelle des Innenministeriums. Prognosen, wie viele Roma künftig abgeschoben werden, seien nicht möglich. Das Freiburger Forum dagegen nennt klare Zahlen: 20 Familien – insgesamt 91 Menschen – seien in Freiburg in nächster Zeit von Abschiebungen nach Ex-Jugoslawien bedroht, sagt Forumsmitglied Walter Schlecht.

Die Initiative habe Kontakte in alle Flüchtlingsunterkünfte und erfahre, wer vom Regierungspräsidium zur Ausreise aufgefordert werde. Statt der Einzelfallprüfungen fordert das Forum einen Abschiebestopp für alle Roma. Wenn auf "gute Integration" hin überprüft werde, würden Familien genau "durchleuchtet", Kinder mit guten Schulnoten und Eltern mit mehreren – in der Regel schlecht bezahlten – Jobs hätten als "Leistungsträger" bessere Chancen als andere, die weniger erfolgreich sein könnten. Zudem gelte die Einzelfallprüfung nur für Roma aus dem Kosovo, nicht für diejenigen aus Mazedonien und Serbien. Es sollte unerheblich sein, woher Roma-Flüchtlinge stammen, findet auch Ulrich von Kirchbach. Eine Notwendigkeit für die Stadt – die mit Resolutionen des Gemeinderats in den vergangenen Jahren für ein Bleiberecht eintrat – aktiv zu werden, sieht er nicht. Ganz im Gegensatz zum "Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung", das sich mit einer bis Mitte Juni laufenden Online-Unterschriften-Petition an Oberbürgermeister Dieter Salomon und den Gemeinderat wendet.