Nachbereitung zu den Protesten gegen den Naziaufmarsch am 1. Mai in Mannheim

Proteste gegen den Naziaufmarsch am 1. Mai in Mannheim - 1
Info | Ticker

Über 3000 Menschen haben am 1. Mai in Mannheim einen von der NPD unter dem Motto „Wir arbeiten – Brüssel kassiert“ angemeldeten Naziaufmarsch blockiert. In Speyer liefen gut 250 Nazis unter dem Motto „Zeitarbeit ist moderne Sklaverei – Soziale Ausbeutung stoppen!“ durch die Weststadt. Im Folgenden sollen die Gegenproteste am 1. Mai nachbereitet werden. Eine Nachbereitung zu den Naziaktivitäten ist bereits gesondert erfolgt.



 

Mobilisierung im Vorfeld des 1. Mai


Etwa einen Monat vorher wurde bekannt, dass für den 1. Mai ein Naziaufmarsch in Mannheim geplant ist. Sofort danach begann für uns die Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch auf zwei Ebenen: Zum Einen mobilisierte das breite gesellschaftliche Bündnis „Mannheim gegen Rechts“ gegen den Naziaufmarsch, zum Anderen haben wir eine autonome Mobilisierung zusammen mit Antifa-Gruppen und Einzelpersonen aus der Region angestoßen und Infoveranstaltungen in Darmstadt, Frankfurt und Heidelberg durchgeführt. Die Mobilisierung mit „Mannheim gegen Rechts“ betrachten wir insgesamt als Erfolg, es zeichnete sich früh eine große Beteiligung an den Protesten gegen den Naziaufmarsch ab, es gab einen klaren Konsens für Blockaden und in Neckarau (dem Stadtteil, in dem der Naziaufmarsch stattfinden sollte) gründete sich das Stadtteilbündnis „Neckarau gegen Rechts“. Ebenso freuen wir uns über die zahlreichen Antifas, die am 1. Mai in Mannheim unterwegs waren, hätten uns aber eine größere Beteiligung erhofft. Dass das Mobilisierungspotential aus Baden-Württemberg und den angrenzenden Bundesländer (Rheinland-Pfalz/ Hessen) nicht ausgeschöpft wurde, erklären wir uns vor allem mit den anderen revolutionären 1.Mai-Aktionen in Baden-Württemberg. Wir finden es jedoch richtig, diese trotz dem kurzfristig angemeldeten Naziaufmarsch stattfinden zu lassen und nicht auf eigene Inhalte zu verzichten. Wir freuen uns daher über die zahlreichen Teilnehmer_innen an den revolutionären 1.Mai-Demonstrationen etwa in Karlsruhe und Stuttgart.
 Für Missverständnisse bei der Mobilisierung sorgte das Verbot der Stadt, die den Naziaufmarsch zunächst verboten hatte. Obwohl wir immer wieder darauf hingewiesen hatten, dass der Naziaufmarsch  aller Wahrscheinlichkeit nach gerichtlich erlaubt wird, haben verschiedene Pressemeldungen über Gerichtsurteile niedriger Instanzen („Gericht bestätigt Verbot“) für Verwirrung gesorgt.


Der 1. Mai in Speyer


Während sich in Speyer ein Großteil der bürgerlichen Kräfte darauf beschränkte, fernab der Naziroute ein Fest zu feiern und am Rande der Route „Unmutsbekundungen“ zu äußern, trafen sich am frühen Morgen vor allem lokale Antifas und andere Menschen aus dem linken Spektrum, um die Naziroute zu blockieren. Trotz mehrerer Blockaden gelang es in Speyer aber nicht, die Nazis zu stoppen. Dies lag wohl zum einen an dem fehlenden Konsens für Blockaden in der Stadt, zum anderen daran, dass relativ wenige Antifas aus anderen Städten den Weg nach Speyer antraten, aber auch an der knappen Vorbereitungszeit (die Anmeldung in Speyer wurde erst eine Woche vorher bekannt). Wir als Gruppe hatten uns dafür entschieden, nicht aktiv nach Speyer zu mobilisieren, sondern nur die uns bekannten Infos zu veröffentlichen. Eine aktive Mobilisierung nach Speyer hätte unsere Kapazitäten gesprengt, die durch die Organisation der Gegenproteste in Mannheim schon ausgereizt waren. Zudem gab es keinen Treffpunkt für Blockaden, der hätte beworben werden können. Trotzdem wäre für die Leute vor Ort natürlich eine größere Beteiligung aus anderen Städten hilfreich gewesen. Positiv bewerten wir die gemeinsame Infostruktur für den 1. Mai. Durch sehr hilfreiche Unterstützung aus Speyer konnten wir auch die Infostruktur für den Naziaufmarsch dort abdecken.

DGB-Demonstration und der Weg nach Neckarau


In Mannheim sammelte sich nach einer gemeinsamen Demonstration von DGB und Mannheim gegen Rechts mit einigen Tausend Menschen am Marktplatz der Demonstrationszug nach Neckarau, mit dem Ziel, vor der Ankunft der Nazis deren Route zu blockieren. Bevor es losging, mussten sich die Anwesenden noch eine Rede des DBG-Regionsvorsitzenden und SPD-Bundestagsabgeordneten Stefan Rebmann anhören, der den Nazis nichts besseres als seinen Nationalstolz entgegenzusetzen hatte. Es gebe allen Grund, stolz auf „unser Land“ zu sein, so Rebmann, und das solle man sich von den Nazis nicht kaputtmachen lassen.
 Danach setzte sich ein Demonstrationszug mit mehr als 2000 Menschen nach Neckarau in Bewegung. Die Demo nach Neckarau war für viele aufgrund der langen Strecke, der Hitze und dem schellen Tempo sicherlich ziemlich anstrengend, wir gingen zu diesem Zeitpunkt aber noch davon aus, dass die Nazis gegen 14 Uhr in Mannheim ankommen würden und mussten uns daher beeilen, rechtzeitig an den Blockadepunkten zu sein. Bis einen Tag vor dem ersten Mai waren wir zudem noch davon ausgegangen, dass die Nazis vom Hauptbahnhof aus nach Neckarau laufen, insofern mussten wir bezüglich der deutlich längeren Distanz vom Marktplatz bis nach Neckarau etwas improvisieren.


Ankunft in Neckarau


Die Ankunft in Neckarau verlief etwas unstrukturiert und hätte von uns im Nachhinein betrachtet besser organisiert werden können. Zwar setzte sich frühzeitig ein Großteil der Demo in Bewegung, um die Strecke der Nazis zu blockieren, es gab aber an einigen Stellen Verwirrung darüber, wo man am besten auf die Route gelangt. Hier hätte eine bessere Koordination (etwa durch ein „Fingersystem“) geholfen. Eventuell wäre es so auch möglich gewesen, die Naziroute noch weiter vorne zu blockieren. An der größten und wichtigsten Blockade an der Rheingoldstr. standen zu Beginn nur wenige Polizist_innen, die von einer entschlosseneren „Fingerspitze“ vielleicht auch hätten überwunden werden können. Erst der Marktplatz in Neckarau war zu Beginn von einem größeren Polizeiaufgebot abgesichert.

Blockaden in Neckarau


Frühzeitig wurde in Neckarau eine Blockade auf der geplanten Naziroute (Reingoldstr./ Höhe Wingerstr.) gesichert. Diese Blockade war mit durchschnittlich etwa 1200 Menschen die größte der Blockaden. Durch die Größe der Blockade, aber auch durch die Anwesenheit mehrerer Lokalpolitiker_innen (inkl. dem Oberbürgermeister) war die Blockade nie ernsthaft räumungsbedroht, weil eine Räumung für die Polizei eine nicht kalkulierbare Eskalation bedeutet hätte. An dieser Stelle möchten wir aber auch das Verhalten einiger Berufspolitiker_innen kritisieren, die den Tag damit verbrachten in der ersten Reihe der Blockade zu posieren und die Proteste für sich zu vereinnahmen. Auch so ist es zu erklären, dass in der Presseberichterstattung nach dem 1. Mai das eigentlich organisierende „Mannheim gegen Rechts“-Bündnis nie erwähnt wurde, sondern nur Interviews mit Politiker_innen abgedruckt wurden. Auch das Verhalten einiger Politiker_innen und anderer Personen, die beispielsweise Leute vehement dazu aufforderten, ihre Vermummung abzunehmen, empfinden wir für eine solidarische Bündnispolitik nicht angemessen. 
Neben der Blockade in der Rheingoldstr. entstand eine zweite Blockade in der Friedrichstraße (Höhe Ratsschreibergasse) mit durchschnittlich etwa 300 Personen (mögliche Alternativroute der Nazis) und mehrere kleine Blockaden in den Seitenstraßen rund um den Marktplatz. Diese Blockaden hätten von der Polizei mit den anwesenden Kräften (mehrere BFE-Hundertschaften standen jederzeit bereit) durchaus geräumt werden können, wenn die Einsatzleitung ein solches Konzept verfolgt hätte.
 Durch die verspätete Ankunft der Nazis in Neckarau mussten die Blockaden über lange Zeit gehalten werden. Dies sorgte bei kleineren Blockaden immer wieder dafür, dass diese sich aus „Langeweile“ („Hier ist gar keine Action“) einzelner Teilnehmer_innen aufzulösen drohten. Hier hätten wir uns mehr Durchhaltevermögen gewünscht. Grundsätzlich waren die Blockaden aber von einer guten, solidarischen Stimmung geprägt.

Infostruktur und VoKü


Mit der von uns in Kooperation mit indymedia linksunten organisierten Infotruktur sind wir sehr zufrieden. Besonders der Ticker und der SMS-Verteiler wurden sehr intensiv genutzt, aber auch die Infotelefone standen kaum still. Die Infostruktur hat dabei geholfen, die verschiedenen Blockaden zu halten und immer wieder Menschen an Blockaden zu mobilisieren, die sich aufzulösen drohten. Für Verwirrung sorgte ein Tippfehler in einer Nachricht, die über den Ticker geschickt wurde, in der die Ankunft der Nazis am Mannheimer Hauptbahnhof (statt Bahnhof Neckarau) gemeldet wurde. Diese Verwirrung wurde durch eine entsprechende Richtigstellung aber schnell aufgelöst.
 Bedanken möchten wir uns auch bei dem Freiburger VoKü-Kollektiv „Maulwürfe“ die die Blockaden mit Essen und Wasser versorgt haben und auch am Abend im JUZ die Essensversorgung übernahmen.


Fazit


Insgesamt können wir ein positives Fazit für den 1. Mai ziehen. Über 3000 Gegendemonstrant_innen ist es in Neckarau gelungen, den Naziaufmarsch zu blockieren. Wir freuen uns darüber, dass am 1. Mai so viele Menschen auf der Straße waren um sich den Nazis entgegenzustellen. Positiv anzumerken ist zudem, dass es keine verletzten Gegendemonstrant_innen und vergleichsweise wenig (17) Ingewahrsamnahmen von Personen gab, die alle noch am gleichen Abend wieder freigelassen wurden.
 Auch wenn wir einige Dinge im Nachhinein vielleicht anders organisiert hätten, sind wir auch mit dem Verlauf des Tages zufrieden. In der Nachbereitung in vielen Gesprächen und im Rahmen des offenen Antifa-Treffens am 9. Mai sind wir in dieser Einschätzung bestätigt worden, zu der an uns herangetragenen Kritik haben wir versucht in diesem Artikel Stellung zu beziehen. Während die persönlichen Rückmeldungen an uns grundsätzlich sehr solidarischer Natur waren, haben wir uns über einige Kommentare auf indymedia linksunten geärgert, die dort Unterstellungen und Unwahrheiten verbreitet haben. Wir als Gruppe antworten grundsätzlich nicht auf solche Kommentare und bitten daher alle, die mit uns in Diskussion treten wollen uns per e-mail zu kontaktieren oder auf eines unserer offenen Treffen zu kommen.