Partei-Ausschluss beantragt - FDP-Mitglied war früher Neonazi

Erstveröffentlicht: 
14.04.2012

Von Lisa Inhoffen und Rita Klein

 

BONN. Ein Bericht auf Spiegel online hat die Bonner FDP aufgeschreckt. Eines ihrer Mitglieder, ein hoher Funktionär der "Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn" und der Deutschen Burschenschaft, einem der ältesten Dachverbände der deutschen Verbindungsszene, soll den evangelischen Theologen und von den Nazis getöteten Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als "Landesverräter" verunglimpft haben.

Der Burschenschaftler, der in einem Leserbrief an die Mitgliederzeitung der Raczeks gegen Bonhoeffer hetzte, ist Norbert Weidner, einst NRW-Landesgeschäftsführer der 1995 verbotenen neonazistischen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP). Der nordrheinwestfälische FDP-Generalsekretär Joachim Stamp hat umgehend den Parteiausschluss des Mannes beim Kreisverband Bonn beantragt.

Stamp, der in Bonn im Wahlkreis 30 (Südliches Bonn/Godesberg/Hardtberg) für den Landtag kandidiert, zeigte sich "zutiefst betroffen" über Weidners Hetzkampagne. "Mein Großvater war selbst evangelischer Theologe und im Dritten Reich mehrfach inhaftiert", sagte er, "das ist unerträglich, was er da von sich gegeben hat."

Weder Stamp noch Kreisverbandschef Werner Hümmrich, der im Urlaub an der Ostsee von der Geschichte erfuhr, kennen Weidner persönlich. "Das ist eine Karteileiche", sagte Hümmrich. Auch FDP-Schatzmeister Frank Thomas kennt Weidner nicht. Der sei durch Zuzug Anfang 2009 Mitglied beim Bonner Kreisverband mit derzeit 600 Mitgliedern geworden.

Thomas' weitere Recherchen ergaben, dass der Mann 2001 in die FDP eingetreten ist. Wo, das konnte Thomas gestern nicht feststellen. Er weiß nur, dass der in Lessenich gemeldete Weidner bereits seit zwei Jahren keinen Mitgliedsbeitrag mehr gezahlt habe und deshalb auch schon abgemahnt worden sei. "Das allein ist ein Grund für einen Ausschluss", ist er überzeugt.

Parteiausschluss soll am Montag beschlossen werden

Am Montag will der Bonner FDP-Vorstand auf seiner regulären Sitzung den Parteiausschluss Weidners beschließen. Sollte der 1972 geborene Weidner Widerspruch einlegen, landet die Angelegenheit beim Landesverband auf dem Tisch. Stamp. "Wir werden uns in Zukunft mit jedem neuen Aufnahmeantrag akribischer als bisher befassen müssen."

Norbert Weidner ist in Bonn kein Unbekannter, auch bei der Justiz nicht: Bereits mit 15 Jahren landete der Sohn aus gutbürgerlichem Hause bei der rechtsextremen "Wiking-Jugend", wurde zu einem der führenden Köpfe der militanten Neonazi-Szene im Köln/Bonner Raum und machte später als Funktionär der FAP von sich reden. 1995, kurz nach dem Verbot der FAP, verließ er die militante Neonazi-Szene . Die Bonner Polizei blieb skeptisch. Weidner studierte, trat 1999 der Burschenschaft der Raczeks bei. Und wenig später offenbar der FDP.

Während er in der Bonner FDP offenbar keine Rolle spielt, bekleidet Weidner bei den Raczeks, die seit 1954 ihr Domizil in der Bonner Südstadt haben, und beim Dachverband wichtige Ämter: So hat er nicht nur als einfacher Leserbriefschreiber Bonhoeffer verunglimpft, vielmehr ist Weidner Chefredakteur der "Burschenschaftlichen Blätter" und somit auch Meinungsmacher.

Mit ihren Überzeugungen gerieten die Raczeks schon im vergangenen Jahr heftig in die Kritik, auch innerhalb der Verbindungsszene. Als nämlich bekannt wurde, dass sie zum bevorstehenden Burschentag einen Antrag auf Ausschluss einer anderen Verbindung stellen wollten. Grund: Diese hatte zuvor einen Studenten mit chinesischen Wurzeln aufgenommen.

 Für die Raczeks "nicht hinnehmbar, dass in Zeiten fortschreitender Überfremdung, Menschen, die nicht vom deutschen Stamm sind", in Burschenschaften aufgenommen würden. Sie forderten einen Nachweis für die deutsche Abstammung. Infolge der öffentlichen Kritik wurde der Antrag zurückgenommen.

Zu einer Stellungsnahme war bei den Radczeks am Freitag niemand bereit. Eine telefonische Anfrage des GA wurde abgebrochen, bevor überhaupt eine Frage gestellt werden konnte.

Die Raczeks

Die Raczeks über sich selbst: "Gegründet 1817 in Breslau aus dem Erlebnis der Befreiungskriege, gehärtet unter den Hammerschlägen kleinstaatlicher Reaktion, sieghaft auf den Barrikaden der 48er Revolution, setzen wir heute, nach dem Verlust unserer ostdeutschen Heimat, unsere politische und erzieherische Tätigkeit an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn fort." GA-Informationen zufolge haben sich die Raczeks mit ihrem Kurs innerhalb der Bonner Verbindungsszene mittlerweile nahezu komplett isoliert. So haben Verbindungen den Raczeks inzwischen das Verhältnis offiziell aufgekündigt.