10 Jahre Friedensverhandlungen von Caguán

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Heute am 21. Februar 2012 ist der Jahrestag der Beendigung der Friedensverhandlungen von Caguán in Kolumbien zwischen der Regierung und den FARC-EP.Mehrmals in den zurückliegenden Monaten machten die Aufständischen über einen weiteren Friedensprozess von sich reden. Gleichzeitig werden die Verhandlungen von Caguán in den staatlichen Medien als ein schwarzes Kapitel in der Geschichte Kolumbiens abgestempelt, eine Lösung für den jahrzehntelangen Bürgerkrieg jedoch nicht präsentiert.

 

Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben, demzufolge ist die aktuelle Berichterstattung über das zehnjährige Jubiläum des Scheiterns der Friedensverhandlungen von Caguán geprägt von Unwahrheiten und staatlicher Propaganda. Auch wenn der Friedensprozess, der im Jahr 1998 initiiert, und im Jahr 1999 begonnen wurde, letztendlich am 21. Februar 2002 scheiterte, so bleibt er doch vielen in Kolumbien und in der Welt als ein Prozess in Erinnerung, der in einem damaligen repressiven System transparent verschiedene Aspekte eines Landes betrachtete, dass sich seit mehreren Jahrzehnten in einem Bürgerkrieg befand. Zum ersten Mal in der Geschichte gab es Verfahren, öffentliche Diskussionen und Ergebnisse, die von der Bevölkerung, von politischen und sozialen Bewegungen, zur Kenntnis genommen wurden und die als mehrheitliche Entscheidungen betrachtet wurden. Der Prozess von Caguán war ein Friedensprozess, der vom ganzen Land und für das ganze Land gemacht worden ist.

 

Jahre später ist dieser Friedensprozess den Medien nur noch als ein einziges Fiasko in Erinnerung, während Prozesse wie die Geheimverhandlungen der Regierung Uribe mit den Paramilitärs trotz der nicht erfolgten Demobilisierung als Erfolgsmodell verkauft werden. Dieses Bekenntnis der Regierung und die Anerkennung der faschistischen Paramilitärs als einen politischen Partner ist das eigentliche Fiasko. Die Zahl der Paramilitärs steigt seit Jahren kontinuierlich an, die Finanziers und Anstifter kommen mit Straffreiheit davon und „demobilisierte“ neu Rekrutierte werden mit eigenem Boden von der Regierung belohnt.

 

Bei all der berechtigten Kritik an einigen Punkten der Friedensverhandlungen in Caguán, so war der Prozess für alle transparent gestaltet und es der Anfang für einen zugegeben schwierigen Weg hin zu einem dauerhaften Frieden in Kolumbien. Doch die selbsternannten Sieger über die Aufständischen, die die FARC-EP bisher immer noch nicht besiegen konnten, wollen bis heute partout nicht zurück an den Verhandlungstisch.


Damals wie heute erlaubt die kolumbianische Regierung und ihr repressiver Militärapparat die Möglichkeit einer legalen politischen Opposition gegen das System nicht, weshalb sich diese in der Guerilla weiter manifestiert. Man versucht, den Kampf der FARC-EP, in dem alle, die auf irgendeine Weise, vom legalen Kampf bis zum Aufstand, Aktionen für den notwendigen Wechsel durchführen, als Drogenhändler und/oder als Terroristen bezeichnet werden. Friedensverhandlungen werden weiter abgelehnt bzw. an unwirkliche Bedingungen geknüpft. Während die FARC-EP im zurückliegenden Jahrzehnt mehrmals Kriegsgefangene freigelassen haben, kam von den Regierungen keine Geste des guten Willens. Die Lösung des Konflikts soll damals wie heute mit militärischen Mitteln erfolgen. Doch solange keine wirklichen Garantien für die Opposition gegeben werden können, so lange in Kolumbien politisch tätige Oppositionelle verfolgt und ermordet werden, so lange werden die FARC-EP ihre Waffen nicht abgeben.  

 

Caguán hat sich damals gelohnt und muss sich auch heute wieder lohnen. Für den Frieden und für die Veränderung!

 

 

 

Kurze zeitliche Darstellung der Friedensverhandlungen von Caguán:


1.       Am 7. Januar 1999 beginnt die offizielle Zeremonie für den Beginn der Verhandlungen zwischen der Regierung Pastrana und den FARC-EP in der Stadt San Vicente del Caguán (Region Caquetá). 

2.       Am 19. Januar werden die Verhandlungen zum ersten Mal aufs Eis gelegt, da sich im ganzen Land eine Welle des paramilitärischen Terrors ausbreitet. In den ersten Tagen werden mehrere Hundert Personen ermordet. Die FARC-EP machen die AUC (Paramilitärs) dafür verantwortlich und beschuldigen die Regierung, nichts gegen die Gewalt zu unternehmen.

3.       Am 27. Januar übermittelt der Sprecher der FARC-EP, Raúl Reyes, dass die Gespräche weiterlaufen. Erste Themen sind das Finden einer politischen Lösung für den Konflikt, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und Agrarpolitik.

4.       Februar 1999: Die entmilitarisierte Zone, die Bedingung der Guerilla für die Verhandlungen war, wird mehrmals in Abkommen durch den Präsidenten verlängert. Die FARC-EP genehmigen Besuche von Familienmitgliedern und kündigen die spätere Freilassung von Kriegsgefangenen an.

5.       Am 20. April werden die Gespräche wieder offiziell aufgenommen und eine Agenda für die Verhandlungen präsentiert.

6.       Präsident Pastrana fliegt am 2. Mai in die entmilitarisierte Zone und trifft den Anführer der Organisation FARC-EP, Manuel Marulanda. Das Abkommen von „Caquetania“ wird unterzeichnet, dass den Friedensprozess regelt.

7.       Im Mai wird durch die Regierung und den FARC-EP eine weitere Agenda für ein neues Kolumbien präsentiert. Es folgen weitere Verlängerungen für die entmilitarisierte, also befreite Zone.

8.       Hohe Offiziere stellen sich im Juni öffentlich dem Präsidenten, dem Friedensprozess und der entmilitarisierten Zone entgegen.

9.       Am 29. und 30. Juni 1999 nehmen internationale Beobachter und Repräsentanten aus 27 verschiedenen Staaten an den thematischen Tischen von Los Pozos teil. Die thematischen Tische werden eingerichtet, um strategische Themen (Drogen, Umwelt, Politik) neben dem eigentlichen Friedensprozess diskutieren zu können, aber um diese in jenen integrieren zu können.

10.   Im Dezember 1999 verkünden die FARC-EP einen einseitigen Waffenstillstand als humanitäre Geste.

11.   Am 29. Januar 2000 werden die Gespräche nach mehrmaligen Unterbrechungen wieder aufgenommen.

12.   Februar 2000: Vertreter der FARC-EP reisen durch verschiedene europäische Länder um über den Friedensprozess zu berichten, aber um auch über die Militarisierung des Landes zu berichten, der seitens der Regierung mit dem Plan Colombia fortgetrieben wird.

13.   Auch die Paramilitärs wollen als politische Partner anerkannt werden und fordern die Teilhabe an Verhandlungen mit der Regierung.

14.   Es kommt zu personellen Wechseln bei den Gesprächspartnern der Regierung.

15.   Am 29. April wird das Movimiento Bolivariano als politischer Arm der FARC-EP gegründet.

16.   Am 16. Mai wird eine Person in der Region Boyacá entführt und ihr eine scharfe Bombe um den Hals gelegt. Die FARC-EP werden wie so häufig dafür beschuldigt, doch es stellt sich später heraus, dass Paramilitärs dafür verantwortlich waren. Die abgebrochenen Verhandlungen und die entmilitarisierte Zone werden bis Dezember 2000 verlängert.

17.   September 2000: Diskussionen um die Freilassung von Kriegsgefangenen und einen gemeinsamen Waffenstillstand. Die paramilitärische Gewalt nimmt zu und wird als Indiz angesehen, dass das Militär, welches nun offiziell nicht aktiv sein darf, andere Kanäle für militärische und terroristische Aktivitäten sucht. Die Verhandlungen werden im September erneut auf Eis gelegt.

18.   Am 8. und 9. Februar 2001 treffen sich Manuel Marulanda und Pastrana in Los Pozos um über einen Gefangenenaustausch, den Plan Colombia und den Kampf gegen die Paramilitärs zu reden.

19.   Im Juli beginnen die FARC-EP mit einer Reihe von militärischer Aktionen und Entführungen, um politischen Druck gegenüber der Regierung aufzubauen. Bisher wurden nur wenige Punkte der Regierung erfüllt, die in Los Pozos besprochen wurden. Auch haben die FARC-EP mehrmals Gefangene freigelassen, während die Regierung keinen Austausch vornehmen will.

20.   Oktober 2001: Die Regierung erhöht Militärkontrollen an der Grenze zur entmilitarisierten Zone und macht regelmäßige Überflüge für Überwachungen.

21.   Am 7. Oktober 2001 verkünden die FARC-EP aus Protest gegen die Militärrepression nicht mehr an den Verhandlungstisch zurückkehren zu wollen.

22.   24. Dezember 2001: Der Verhandlungsgesprächsführer der Regierung reist in die Zone und trifft sich mit den Sprechern der FARC-EP. Später verkündet er, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden sollen.

23.   Januar 2002: Die Regierung hat während des Friedensprozesses die Zeit genutzt, um das Militär aufzurüsten, welches vor den Verhandlungen schwere Niederlagen gegen die FARC-EP einstecken musste. Die Regierung lässt erkennen, dass der Prozess nicht mehr wichtig sei und wichtige Punkte wie der Kampf gegen den Paramilitarismus führen zu einer schweren Krise in den Verhandlungen.

24.   Ein Vertreter der UNO versucht die beiden Partner an einen Tisch zu bringen.

25.   Zwischen dem 17. und dem 20. Januar 2002 versuchen Pastrana und die FARC-EP einen zeitnahen Waffenstillstand zu erreichen.

26.   Februar: Ingrid Betancourt, scharfe Kritikerin gegenüber den FARC-EP, und andere Politiker versuchen ein politisches Forum in der entmilitarisierten Zone zu etablieren, nach dem Angriff der Regierung auf die Zone Ende Februar wird sie dort von der Guerilla gefangengenommen.

27.   19. Februar 2002: Gespräche über einen neuen Waffenstillstand und die entmilitarisierte Zone.

28.   Militärische Aktionen auf beiden Seiten. Der Friedensprozess soll zum Scheitern gebracht werden.

29.   Am 20. Februar entführen die FARC-EP ein Flugzeug um erneut politischen Druck aufzubauen. Präsident Pastrana, im Volk mittlerweile unbeliebt, doch seine Ziele mit dem Plan Colombia hat er erreicht, verkündet das endgültige Scheitern der Friedensverhandlungen.

30.   Am 21. Februar 2002 beginnt mit mehr als 13.000 Soldaten die Rückeroberung der entmilitarisierten Zone. Sechs Tage später sind die Städte und Hauptgemeinden der Zone, die so groß wie die Schweiz ist, erobert. Es beginnt eine jahrelange Kriminalisierung der Bewohner.

 


Themenkatalog für die Verhandlungen:

 

1. Politische Verhandlungslösung des bewaffneten Konfliktes;

2. Schutz der Menschenrechte als Verantwortung des Staates: Grundrechte, ökonomische,

soziale, kulturelle und ökologische Rechte sowie internationale Verträge über die Menschenrechte;

3. Authentische Agrarpolitik: Demokratisierung der Kreditvergabe; Verteilung brachliegenden Landes, Wiedererlangung und Verteilung des Landes welches vom Drogenhandel oder

durch unrechtmäßige Bereicherung erworben wurde, Wiederbelebung der landwirtschaftlichen

Produktion, umfassende Neuordnung der Parzellen und Territorien, Substituierung und alternative

Entwicklung;

4. Ausbeutung und Schutz natürlicher Ressourcen: natürliche Ressourcen und ihre Verteilung thematisieren, internationale Verträge und Umweltschutz auf der Basis einer nachhaltigen Entwicklung;

5. Wirtschafts- und Sozialstruktur: Revision des Wirtschaftsmodells neoliberaler Politik, Politik der Einkommensumverteilung, Erweiterung interner und externer Märkte, Wiederbelebung der Produktion in kleinen, mittleren und großen Privatunternehmen, Unterstützung von solidarischen Wirtschaftsformen und Kooperativen, soziale Beteiligung bei der Planung von staatlichen und halbstaatlichen Vorhaben, Investitionen in Sozialpolitik, Erziehung und wissenschaftliche Forschung und Entwicklung;

6. Justizreform, Kampf gegen Korruption und Drogenhandel: Neuordnung Justizsystem, Kontrollorgane, Instrumente im Kampf gegen die Korruption, Drogenhandel

7. Politische Reformen zur Erweiterung der Demokratie: Reform der Parteien und politischen

Bewegungen, Reformen im Wahlrecht, Garantien für die politische Opposition und für Minderheiten, mehr Bürgerbeteiligung;

8. Staatsreform: Reform des Kongresses, Verwaltungsreform für eine größere Effizienz der

öffentlichen Verwaltung, Dezentralisierung und Stärkung der lokalen Macht und Lokalpolitik, öffentliche Dienstleistungen, strategische Sektoren;

9. Abkommen über das Humanitäre Völkerrecht: Beendigung der Beteiligung von Kindern am

Konflikt, Antipersonenminen, Respektierung der Zivilbevölkerung, Geltung internationaler

Normen;

10. Streitkräfte: Verteidigung der Souveränität, Schutz der Menschenrechte, Kampf gegen die paramilitärischen Gruppen, internationale Verträge;

11. Internationale Reaktionen: Recht auf Selbstbestimmung und Nicht-Intervention anderer Staaten, regionale Integration Lateinamerikas und externe Verschuldung, internationale Verträge und Abkommen des Staates;

12. Formalisierung der Abkommen: demokratische Instrumente zur Legitimation