Wenn's mit der Streetgang von nebenan Stress gibt

Erstveröffentlicht: 
09.02.2012

Nicht nur in Wedding eskalierte ein Konflikt mit kriminellen Jugendlichen, auch in Kreuzberg gab es vor Kurzem einen solchen Fall

Die »Scherer 8« ist ein linkes Hausprojekt in Wedding. Es bietet Platz für rund 50 Bewohner, Kino, Volxküche und einen Infoladen. Seit Tagen steht das Projekt im Fokus lokaler Medien. Offenbar gibt es einen Konflikt zwischen den alternativen Bewohnern und einer benachbarten migrantischen Straßengang, den »Streetfighters«. In jüngerer Vergangenheit eskalierte der Streit immer mehr: Mit dem vorläufigen Höhepunkt, dass am vergangenen Wochenende rund 30 mit Baseballschlägern bewaffnete Jugendliche mutmaßlich der Fighters das Haus gestürmt haben und Scheiben einschlugen. Am Tag darauf wurden dann auch noch zwei Musiker verletzt, die einen Auftritt in der »Scherer 8« hatten.

 

Die zum Überfall der Jugendlichen alarmierte Polizei, die einen anonymen Notruf erhalten hatte, traf vor Ort jedoch niemanden der Angreifer mehr an. Die Bewohner des Hauses selbst haben nun erst einmal, auch wegen der brodelnden Gerüchteküche im Internet, eine Art Nachrichtensperre verhängt und alle regelmäßigen Termine für diese Woche in dem Projekt abgesagt. Außerdem kündigen sie eine Erklärung zu den Vorfällen für die nächsten Tage an. Bis dahin heißt es: »Es gab einige Falschmeldungen und kritisch zu wertende Kommentare, von denen wir uns ausdrücklich distanzieren.« Gemeint sind mit diesem Statement Spekulationen im Internet über eine angebliche »Schutzgelderpressung« durch die »Streetfighters«. Zudem wurde öffentlich behauptet, dass sich die Hausbewohner nicht wehren würden, weil sie nicht als »ausländerfeindlich« gelten wollen.

 

Ein Einzelfall ist der bei der Berliner Polizei schon länger bekannte Konflikt um die Weddinger »Streetfighters« indes nicht. Auch an anderer Stelle in der Stadt gibt es Probleme. »Bei uns ging es um Lufthoheit«, sagt Robert Lukic*. Darum, wer Respekt zu zeigen hat und wem die Straße gehört. Der Betreiber eines alternativen Kreuzberger Lokals möchte seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen, weil es bei ihm in der Straße inzwischen wieder ruhiger geworden ist. Das soll auch so bleiben. Doch die Diskussion über die Weddinger »Streetfighters« erinnert ihn fatal an den Stress, den er und seine Angestellten über Jahre in ihrem Kiez hatten.

 

Zu Beginn ging es »nur« um »Freigetränke«. Später wurde auch mal nach »Schutzgeld« gefragt, was aber wohl eher der Spontanität eines der Gangmitglieder geschuldet war, das dringend Geld benötigte, erzählt Lukic. Im Nachhinein bereut er allerdings, dem seiner Meinung nach »Machtfantasien« geschuldeten Treiben nicht eher Einhalt geboten zu haben. Schließlich war seine Bar nicht die einzige, die bedroht und schikaniert wurde: Ähnlich erging es auch einem benachbarten Bekleidungsgeschäft und einer Kneipe für Homosexuelle. Die Eskalation setzte sich dann so weit fort, dass die Kreuzberger Jugendgang schon mal die gesamte Bar besetzte und Gläser runterwarf. »Nur um zu zeigen, wem der Block gehört und wer die Regeln macht«, sagt Lukic. Mehrere Male wurden auch die Scheiben der Lokalität mit Steinen eingeschmissen - einmal beobachtete ein Gemüsehändler frühmorgens die Täter, er wurde anschließend mit einem Messer bedroht, nichts zu sagen.

Doch es blieb nicht nur bei Drohungen: »Ein Mitarbeiter wurde körperlich angegriffen, weil ihm der Kragen geplatzt war.« Danach, sagt Lukic, war klar, dass wir die Polizei einschalten müssen. Die Ermittlungen waren umfangreich, das Wissen der Polizei über die Probleme, aber auch die Strukturen und Köpfe der Jugendbande erstaunlich groß. Nur: Bisher hatte sich niemand getraut, offiziell Anzeige zu stellen.

 

Obwohl bis heute niemand geschnappt wurde, hörte der tägliche Terror schlagartig auf: Es gab ein Interesse älterer Gangmitglieder, dass es in der Nachbarschaft ruhig ist, vermutet Lukic. Denn nur dann lassen sich die »eigentlichen Geschäfte« abwickeln. »Dieser Mechanismus hat uns aus der Klemme geholfen.« *Name geändert