Demo gegen den alltäglichen Rassismus in unseren Köpfen
Der Internationale Tag der Menschenrechte hat offenbar selbst in der linken Berliner Szene trotz der Nazimorde und der wieder aktuellen NPD-Verbotsdebatte eine beschämend geringe Resonanz. Wie sonst ist zu erklären, daß auf der von über 50 Organisationen und Initiativen getragenen und vom Berliner Migrationsrat veranstalteten Anti-Rassismus-Demo in den Mittagsstunden am Marx-Engels-Forum nur 800 - 1000 und bei der Abschiebeknast-Demo in Grünau am späten Nachmittag nur 400 - 500 Menschen eingefunden haben?! Am Wetter kann es nicht gelegen haben, denn es war mit etwa 5° und einer leichten Brise zwar ziemlich frisch aber Sonne und Wolken ließen eher an Spätherbst als an den baldigen Winter denken.
Als ich gegen 11 Uhr an der Kreuzung Karl-Liebknecht-Straße / Spandauer Damm eintraf, war dort vor lauter Polizei-Wannen und den leider üblichen Polizeiposten zunächst mal nix von einer Demo zu sehen. Die Polizeiposten standen aber nur frierend herum und nahmen nach meinen Beobachtungen auch keine Filzkontrollen "verdächtiger" Personen vor. Ob's daran lag, daß sie entsprechende Order hatten oder weil es keine "verdächtige" Personen gab, sei mal dahingestellt. Jedenfalls später während des Demonstrationszuges in Richtung Brandenburger Tor hielt sich die in ihrer Massivität wieder mal völlig überzogene Polizeipräsenz weitgehend im Hintergrund. Es kam auch zu keinen Zwischenfällen, weder seitens der Polizei und schon gar nicht aus den Reihen der DemonstrantInnen.
Wie auch immer, sehr bald entdeckte ich dann kurz vor der Karl-Liebknecht-Brücke eine rote DIDF-Fahne mit gelbem Logo und drumherum die ersten Demo-TeilnehmerInnen. So nach und nach wurden wir dann deutlich mehr als nur die anfänglichen ca. 300 Personen. Aus Gesprächen entnahm ich, daß einige Leute zuerst vergeblich am Alexanderplatz gesucht hatten, weil's so in einigen Medien gemeldet war. Wohltuend war, daß bis auf ein, zwei Flaggen der PDL keine politischen Parteien die Demo mit ihren Fahnen vereinnahmen wollten. Antifa-, DIDF- und selbst rote Flaggen sind zwar politisch links einzuordnen aber haben keinen Bezug auf Parteien. Trotzdem bat die Demoleitung später alle Fahnenträger, sich hinter den Lauti einzureihen. Nicht nur ich fand das eigentlich schade, denn Front- und Seitentranspis entfalten doch gerade durch gleichzeitige vielfältige Flaggenpräsenz ihre kraftvolle Wirkung. Ein Fahnenträger mit seiner roten Flagge ließ sich auch durch mehrere Lauti-Durchsagen nicht beirren und blieb im vorderen Drittel hinter dem Fronttranspi - bis zum Schluß übrigens.
Um an die Morde der NSU-Terrorgruppe zu mahnen, stellte sich eine Gruppe mit weißen T-Shirts, auf denen die Mordopfer abgebildet waren, einige Meter vor das Fronttranspi und bald darauf startete die Demo, die T-Shirt-Gruppe immer vorweg. Viele aussagekräftige Transparente und betroffen machende Plakate sollten vor allem den PassantInnen unsere Botschaft erklären, sie zum Nachdenken anregen und sie aufrütteln. Das ist nach meinen Beobachtungen weitgehend gelungen, nur eine junge Frau sah ich an der Kreuzung Unter den Linden / Glinkastraße, die bei unserem Anblick verständnislos den Kopf schüttelte. Die meisten anderen schienen ernsthaft interessiert oder waren zumindest nicht ablehnend, auch wenn nicht alle die Flugis entgegen nehmen wollten.
Auf mich machte das Plakat mit der Überschrift "Die schwer durchdringbare Parallelwelt der Deutschen schützt die Killer" (Foto 25 + 26) den nachhaltigsten Eindruck. Denn es zeigt schonungslos den alltäglich stattfindenden Rassismus in unserer Gesellschaft auf. Hier vor allem muß nach meiner Überzeugung der Hebel angesetzt werden, ein Umdenken - sei es noch so mühevoll - muß in unserer Gesellschaft erfolgen. Foto 26 prangert die wichtigsten Mißstände an! Ein Verbot der NPD allein reicht nicht, solange in unseren Köpfen, in unserer Sprache und unserem alltäglichen Handeln noch weiterhin diskriminierende Begriffe wie Gastarbeiter, Ausländer, Sozialschmarotzer herumgeistern und von Schlimmerem noch immer die leider alltägliche Rede ist.
Es gab auf Zwischenkundgebungen Redebeiträge in mehreren Sprachen, die diesen latenten Rassismus thematisierten. Es wurden auch die Namen von über 180 von rechten Gewalttäter ermordeten Menschen verlesen. Geradezu typisch für den alltäglich praktizierten Rasssimus (nicht nur) in der BRD ist dabei, daß die deutschen Behörden nur etwa 40 Mordopfer gezählt haben wollen. Böse Zungen behaupten ja schon immer, daß die BRD in Wirklichkeit nichts als eine demokratisch getarnte Brutstätte faschistischer Umtriebe ist. Denn längst ist Allgemeinwissen, daß Adenauer an alle wichtigen Schaltstellen überzeugte Alt-Nazis, selbst wenn sie noch so schlimme Menschenrechtsverbrechen begangen hatten, platziert hat. So konnten sich mit Wohlwollen des Finanzkapitals bei CDU/CSU/FDP und Teilen der SPD der dumpfe Antikommunismus, Linkenhaß und anderes faschistoides Gedankengut bis heute in Militär, Justiz, Polizei und Geheimdiensten etc. pp nicht nur halten sondern (schein)demokratisch verbrämt weiterentwickeln. Zum Beispiel wurde der überzeugte Alt-Nazi Theodor Maunz, der in den 30er Jahren das Naziregime juristisch zu legalisieren versuchte, in der Adenauer-BRD hochgeachteter (statt geächteter) Mitverfasser des BRD-Grundgesetzkommentars zur Presse- und Meinungsfreiheit. So ganz nebenbei war er auch juristischer Berater des berüchtigten Gerhard Frey und dessen Nationalzeitung - - - mittlerweile sind "WIR" übrigens dabei, die EU zur endgültig demokratiebefreiten großdeutschen Merkozy-EU zu formen - alternativlos, versteht sich.
Bezüglich der Demo wäre noch zu erwähnen, daß nur wenige kämpferische Parolen skandiert wurden, eine davon war, "Ob Ost ob West, nieder mit der Nazipest". Aber vielleicht wollte ja die Demoleitung den Schwerpunkt bewußt vor allem auf eher mahnendes Aufrütteln hauptsächlich durch Argumente auf Transpis und Plakate legen. Schade, daß nur relativ wenige Linksorientierte sich zum Mittun aufraffen konnten. Die Veranstalter hofften auf mindestens 3.000 Menschen. Dabei hätte gerade die Berliner PDL nach ihrem Wahldesaster sehr viel mehr Menschen als die, die sowieso immer auf Demos dabei sind, aktivieren müssen. In anderen Städten sind teilweise mehrere Tausend Menschen gegen Rassismus auf die Straße gegangen. Offenbar hat der Tag der Menschenrechte innerhalb der Berliner GenossInnen keine besondere Priorität und Wahlen stehen auch nicht unmittelbar an - tja ... ... ...
Alle 52 Fotoimpressionen der Anti-Rassismus-Demo sind unter http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/22/28547631#28547631 eingestellt. Sämtliche Demo-Fotos dürfen für nichtkommerzielle Zwecke bei namentlicher Nennung des Knipsers und Angabe der Quelle gerne heruntergeladen, gespeichert und weiterverbreitet werden.
Bernd Kudanek alias bjk
http://freies-politikforum.carookee.com