Cochem: Prozess gegen Friedensaktivisten eingestellt

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Das Gerichtsverfahren gegen zwei Atombombengegner wegen angeblichen Hausfriedensbruches wurde heute am Amtsgericht Cochem gegen die Auflage von 60 Sozialstunden überraschend eingestellt. Hintergrund dieses Gerichtsprozesses war eine „Go In“-Aktion im August 2009 bei der der Fliegerhorst der Luftwaffe in Büchel/Eifel im Rahmen einer öffentlich angekündigten Aktion inspiziert werden sollte. „Es ist doch ein Irrsinn, dass dort Atombomben sind, obwohl die große Mehrheit der Menschen diese ablehnt“ klagte einer der Aktivisten vor dem Gericht an.

 

Auf dem Kasernengelände in Büchel lagern 20 US-Atombomben, die von Bundeswehrpiloten mit Tornado-Kampfjets ins Ziel geflogen werden sollen. Am Abend des 7.August 2009 befestigten Friedensaktivist_innen am Zaun der Kaserne in Anwesenheit der Presse ein Transparent mit der Aufschrift „KEINE URANWAFFEN“. Daraufhin betraten drei FriedensaktivistInnen das Militärgelände, um die im Vorfeld angekündigte zivile Inspektion der in Büchel gelagerten Massenvernichtungswaffen als ersten Schritt zur Abrüstung vorzunehmen. Dort wurden die deeskalierend auftretenden FriedensaktivistInnen sogleich von einer Feldjägerstreife festgenommen. Sie erläuterten den Feldjägern ihre Kritik an militärischer „Konfliktlösung“ und riefen die Soldaten dazu auf, im Ernstfall einen völkerrechtswidrigen Befehl zum Atombombenabwurf zu verweigern.

 

Eine Gegnerin der Atombomben kommentierte die Anklage vor Gericht mit den Worten, dass „wohl eine öffentlichkeitswirksame Kritik an diesen menschenverachtenden Waffen in diesem Staat nicht vorgesehen ist. “ Da die zwei Angeklagten dies nicht hinnehmen wollten, widersprachen sie den Strafbefehlen in Höhe von 50 Tagessätzen. Darüber hinaus stellt sich die Frage ob Gesetze die theoretisch Protest und Widerstand legalisieren wie z.B. das Versammlungsrecht der Rechtfertigende Notstand (§34StGB) lediglich eine Alibifunktion erfüllen, um Herrschaft zu verschleiern und der Bevölkerung das Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung zu vermitteln.

 

Das Spektakel begann dabei schon vor dem Gericht, wo die Angeklagten durch Großpuppen unterstützt wurden. Weitere UnterstützerInnen schrieben mit Kreide Atomwaffen- und justizkritische Sprüche vor das Gericht und erklärten sich durch Transparenten solidarisch. Doch damit nicht genug: Das Publikum mischte sich auch immer wieder kritisch in den Prozess ein. Nach dem Verlesen der Anklageschrift erkundigte sich der Staatsanwalt, ob er auf das Verlesen der zweiten Anklageschrift verzichten könne, da diese bis auf den Namen wortgleich mit der ersten sei. Darauf ertönte aus dem Publikum: „Können auf die Anklage nicht ganz verzichten?“ Außerdem nutzten die beiden Angeklagten u.a. die Einlassungen, um ihre grundsätzliche Kritik an Militär und im besonderen an Atomwaffen zum Ausdruck zu bringen. Dabei sollte eine Kritik an der Justiz nicht fehlen: Grundsätzlich diene Recht der Aufrechterhaltung der Privilegien von Eliten und ihrer Durchsetzung gegen Widerstand. Dem konnte selbst der Richter nicht widersprechen: „Ich darf das nicht diskutieren. Und ich will das auch nicht diskutieren!“

 

Nach etwa einer halben Stunde Verhandlung kündigte sich die Wendung an. Der Anwalt eines der Angeklagten betonte, dass die Angeklagten aus ehrenwerten Motiven mit dem Gesetz in Konflikt geraten seien, dass es ihnen nicht um eine Bereicherung gegangen sei. Die Angeklagten hätten vielmehr in einer sehr symbolischen Art und Weise auf ein gesellschaftliches Problem aufmerksam gemacht. Dem konnte sich der Richter anschließen, und schlug eine Einstellung wegen „geringer Schuld“ vor, zumal die Tat zwei Jahre zurückliege. Und da die Angeklagten als Studenten nur ein geringes Einkommen hätten, seien 60 Arbeitsstunden angebrachter als eine Geldzahlung als Einstellungsauflage. Dem konnte sich der Staatsanwalt auch anschließen. „Es scheint dem Protest in den letzten Jahren gelungen zu sein, das Thema der in der Eifel gelagerten Atomwaffen so weit ins öffentliche Bewusstsein zu rufen, dass stumpfes Verurteilen den Eliten nicht mehr als geeignetes Mittel erscheint, ihre Interessen abzusichern!“ kommentierte dies ein Prozessbeobachter.

 

Nach dem Prozess meinten aber zwei Waffenträger in Uniform, dass sie noch unbedingt drei Aktivistinnen zum Putzen des Gerichts verdonnern müssten. Damit wollten sie wohl durch das Umsetzen hetero-normativer Standards Herrschaft sichern, indem einer der Polizeibeamten zwei Aktivistinnen an ihren Rucksäcken herumzog und die „Mädschen“ zum Putzen zwingen wollte. Diese Ablenkung der Staatsdiener wurde genutzt, um ein weiteres Soli-Transparent gut sichtbar am Gericht anzubringen: „Ätsch, Repression kann zu politischen Engagement führen!“ kommentierte dies eine ProzessbeobachterIn.

 

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