Alte Herren, neue Fronten

Festakt der Deutschen Burschenschaft 2011 in Eisenach
Erstveröffentlicht: 
19.10.2011

Burschenschaften


Nächster Akt im Streit darüber, wie rechts Burschenschaften sein wollen

 

Es war der Griff zum äußersten Mittel: Fünf sogenannte »Alte Herren« haben in einem offenen Brief an sämtliche Burschenschaften im Dachverband »Deutsche Burschenschaft« gegen die Praktiken des Zentralorgans Burschenschaftliche Blätter (BBl) protestiert. Zuvor hatten sie sich unter anderem von einem nationalistischen »volkstumbezogenen Vaterlandsbegriff« distanziert, und zwar in einem Leserbrief an die BBl. Eine Veröffentlichung sei mit fadenscheiniger Begründung abgelehnt worden. »Damit wird den Autoren ein zeitnaher Zugang zu den BBl als Plattform der aktuellen innerverbandlichen Diskussion vollständig verwehrt«, klagen sie nun offen.

 

Norbert Weidner, der Chefredakteur der Blätter, entgegnet: Aus vielen Zuschriften nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen gehöre zu den originären Aufgaben der »Schriftleitung«. Ein Anspruch auf Abdruck bestehe grundsätzlich nicht, darauf werde auch im Impressum verwiesen. In der aktuellen BBl-Ausgabe bezeichnet Weidner jene Verbandsbrüder, die in der Vergangenheit Informationen an die bürgerliche Presse weitergeleitet hatten, als »Heckenschützen«.

 

Nun drang auch der offene Brief nach außen, womit der Streit um die ideologische Vorherrschaft innerhalb der Szene an Schärfe gewinnt. Zuletzt hatte ein für den letzten Verbandstag vorgesehener Antrag Aufsehen erregt, dem zufolge nur noch Söhne deutschstämmiger Eltern aufgenommen werden sollten. Dieser kam aus den Reihen der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn. Nach Protesten anderer Burschenschaften verzichteten die Raczeks vorerst auf ihren Antrag – und auch gleich auf einen zweiten, nämlich einen Burschenschafter auszuschließen, weil seine Eltern aus China stammen. »Schriftleiter« Weidner, der eine Karriere in der Wiking-Jugend, der Skinhead-Szene und der 1995 verbotenen »Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei« hinter sich hat, sitzt im Vorstand der Raczeks.

 

Die Unterzeichner des umstrittenen Leserbriefes gehören ebenfalls den Raczeks an. Abstammung und Rasse sollten keine Aufnahmekriterien sein, schreiben sie. Ein volkstumbezogener Vaterlandsbegriff wirke heute ausgrenzend, stattdessen sollte die Nation als »demokratische Willensgemeinschaft« begriffen werden. Als »heutige Burschenschafter« wünschen sich die fünf Alten Herren »ordentliche, selbstbewusste, eloquente, der Gemeinschaft zugewandte junge Männer... Die innere Einstellung macht allein den Burschenschaftler aus, nicht die äußere Erscheinung.« Insofern könne vielleicht der Chinesischstämmige, den die Raczeks hatten ausschließen wollen, aufgrund seines Verhaltens sogar als Vorbild gelten – im Gegensatz zu anderen Verbandsbrüdern mit medialen Ausrutschern, »über die man besser den Mantel des Schweigens breitet«.

 

Zum Inhalt ihres Briefs äußern wollen sich die fünf gegenüber der ZEIT nicht. Offenbar haben sie tatsächlich die Absicht, den Streit intern auszutragen. In ihrem Leserbrief nämlich stellen sie die entscheidende Frage an ihre Verbandsbrüder: »Wäre es nicht eine attraktive Aufgabe für die Burschenschaft, die übermächtig beschworene Schicksalsgemeinschaft etwas kleiner zu schreiben und sich den jungen leistungsbereiten Neudeutschen als Gegengewicht zu den Multikultifetischisten anzubieten?«

 

Sätze, die nicht gerade nach linksradikalem Gedankengut klingen – auch nicht im konservativen Kontext. Ob sie ausreichen, um eine zunehmend nach rechts abdriftende Deutsche Burschenschaft auf Kurs zu bringen, ist fraglich. Ebenso bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form Weidner und seine Glaubensgenossen sich an den Unterzeichnern rächen werden.