[HN] Großaufgebote der Polizei sorgen für Aufsehen

Erstveröffentlicht: 
18.10.2011

Heilbronn - Alleine 25 Polizeiwagen stehen am Samstagnachmittag im Bereich des Heilbronner Schwimmbads Soleo. Auf Motorrädern haben sich Beamte an den Kreuzungen postiert. Quer auf der Straße Einsatzkräfte mit weißen Schutzhelmen. Insgesamt waren in der Innenstadt bis zum Bahnhofsvorplatz rund 250 Beamte im Einsatz. Sie kamen zum Großteil aus Göppingen und Böblingen. Grund für das Aufgebot: Die Heilbronner Kurden hatten eine Demonstration unter dem Motto "Freiheit für Öcalan" angemeldet.

"Was das wohl wieder kostet?", fragt ein Passant, der am Bahnhof an der Kundgebung in der Roßkampfstraße vorbeiläuft und die Beamtenschar rund um die 250 Personen große Gruppe der Kurden sieht

 

Ungewissheiten

Erst am Samstag zuvor waren vom Hauptbahnhof bis in die Innenstadt 450 Polizisten bei einer Demonstration der linksextremen Antifa mit etwa 120 Teilnehmern im Einsatz.

In der Kneipe Hartmann"s in der Bahnhofsvorstadt war diesen Samstag deutlich weniger los als sonst. Inhaberin Jasmin Kirr-Stein sagt: "Ich habe Verständnis für Demonstrationen, aber vielleicht sollte man sie nicht immer in die Bahnhofsvorstadt legen." Jessica Eßlinger wohnt in der Roßkampfstraße. Sie hat sich am Samstag darüber geärgert, dass sie von der Polizei nicht zu ihrer Wohnung durchgelassen wurde. "Ich musste 20 Minuten mit drei Kindern im Auto warten."

Ob so viel Polizeipräsenz notwendig ist? "Ja", sagt Polizeisprecher Harald Schumacher und erklärt: "Wenn im Vorfeld gesicherte Erkenntnisse fehlen, müssen wir vom Schlimmsten ausgehen." Dafür wappne man sich. "Wie viel Teilnehmer sind genau zu erwarten, kommen Demonstranten von auswärts hinzu?", nennt Schumacher Ungewissheiten. Demonstrationen von Kurden, Antifa oder Rechten böten Konfliktkonstellationen, weil man befürchten müsse, dass sich andere oder gegnerische Gruppen dazugesellen und es dann zur Eskalation kommt. "Um gegnerische Gruppen voneinander zu trennen, braucht man viel Personal", sagt Schumacher. Die Kosten für den Einsatz am Samstag kommen auf 28 500 Euro, geht man von einem dreistündigen Einsatz bei einer Pauschale von 38 Euro pro Beamten pro Stunde aus.

"Der 20. November 2010 ist uns noch sehr präsent", erklärt der Polizeisprecher. Die damalige Kurden-Demo in Heilbronn eskalierte, nachdem sich dem Protestzug linksextreme Gruppen angeschlossen hatten. Es flogen Böller, gab Verletzte und 82 Platzverweise. Rund 600 Beamte waren im Einsatz. "Damals hätte es kein Mann weniger sein dürfen", sagt Polizeisprecher Harald Schumacher.

Rüdiger Muth vom Heilbronner Ordnungsamt hat das Gefühl, dass die Menschen seit Stuttgart 21 das Versammlungrecht neu entdeckt haben. "Wir verzeichnen mehr Demonstrationen", sagt er. Das Versammlungrecht sei ein Grundrecht, das in Deutschland sehr hohes Ansehen genießt. "Eine Demo präventiv zu verbieten, ist so gut wie unmöglich", sagt Muth. Man wäge von Seiten der Behörde Sicherheitsrisiken sowie Beeinträchtigungen beim Einzelhandel oder dem Verkehr ab und stelle dann Auflagen.

 

Verständnis

Stadtinitiative-Vorsitzender Thomas Gauß findet es zwar "nicht schön, wenn die Innenstadt häufig zu Protestzwecken genutzt wird", hat aber Verständnis für das Grundrecht. Mit den Routen ist er zufrieden. "Sie waren einzelhandelsfreundlich gewählt."

Hintergrund: Einsatzstärken bei Demos

Wie viele Polizeibeamte zu einer Demo hinzugezogen werden, hängt vom Gefahrenpotenzial ab, das die Polizei über ihre Recherchen und aus Erfahrung der jeweiligen Demo zuordnet. Das Personal beantragt das Sachgebiet Einsatz in Zusammenarbeit mit dem Polizeiführer. Eine Demonstration muss mindestens 48 Stunden vorher bei den Behörden angemeldet werden. Wenn eine Demonstration eskaliert, haben die Ordnungsbehörden das Recht, sie aufzulösen. Der Polizeieinsatz bei der Kurden-Demo im November 2010 kostete etwa 260 000 Euro. Die Demo der Rechten am 1. Mai kostete rund zwei Millionen Euro. fur