Protestcamp gegen Raketentests: Friedensaktivisten bei Aktionen 
gegen schwedisches »Bombodrom« festgenommen. Ein Gespräch mit Monty 
Schädel.
Seit dem vergangenen Wochenende findet nahe der 
nordschwedischen Stadt Lulea ein Protestcamp von etwa 170 Kriegsgegnern 
aus mehreren Ländern statt. In der Nähe befindet sich auch ein 
militärisches Raketentestgelände. Was ist der konkrete Anlaß?
Wir protestieren dagegen, daß hier Waffen von direkt an Kriegshandlungen
 beteiligten Staaten getestet werden – und zugleich gegen die 
Beteiligung des schwedischen Militärs am Krieg in Afghanistan und 
Libyen. Das militärische Sperrgelände befindet sich im Norden Schwedens:
 Ein riesiges Areal, vergleichbar dem deutschen »Bombodrom« in 
Brandenburg, das nach jahrelangen Protesten geschlossen wurde. Während 
dort Bomben getestet werden sollten, testen hier Rüstungsfirmen aus 
NATO-Staaten Raketen auf ihre Funktionsfähigkeit und wie sie im 
Kriegsgeschehen eingesetzt werden können. Beteiligt sind Firmen aus den 
USA, Großbritannien, Israel, Kanada sowie beispielsweise der Europäische
 Konzern EADS mit Zentralen bei München und Paris. Unsere Aktionen 
stehen unter dem Motto: »Der Krieg beginnt hier – laßt ihn uns hier 
stoppen«. Die internationalen Antimilitaristen wollen darauf hinweisen, 
daß Schweden keineswegs neutral ist, obgleich es einen 
militärbündnisfreien Status hat. Deshalb haben wir am Dienstag vor der 
Grenze zum Militärübungsplatz ein »Die-in« inszeniert: Wir haben das 
Sterben simuliert und uns zu eingespielten Geräuschen eines 
Militärangriffs auf den Boden fallen lassen. Später haben sich 
Aktivisten auf das eingezäunte Sperrgebiet begeben, um das Gelände mit 
pinkfarbenen Peace-Zeichen zu markieren.
 
Ist das denn gelungen?
Ja. Vor allem für die schwedischen Kriegsgegner ist es von Bedeutung, 
daß dies hier im dünn besiedelten Norden des Landes gelungen ist – wo 
doch die Rüstungskonzerne offenbar der Auffassung waren, hier 
unbehelligt von Protesten durch die schwedische Bevölkerung ihren 
Kriegsgeschäften nachgehen zu können. Man muß sich das so vorstellen: 
Kilometerweit führt hier eine einzige Straße durch den Wald, kein Mensch
 ist weit und breit zu sehen.
 
Dabei hat die schwedische Polizei 28 internationale Aktivisten 
festgenommen – derzeit sitzen noch zehn von ihnen im Gefängnis. Wie 
lange dürfen die nach schwedischem Gesetz dort festgehalten werden?
Zum Einsatz selber: Die Polizei hat keine größeren Einheiten vor Ort und
 sich insofern höflich und zurückhaltend benommmen. Während jedoch am 
Dienstag festgenommene schwedische Kriegsgegner nach Feststellung ihrer 
Personalien wieder freigelassen wurden, sitzen ausländische 
Demonstranten immer noch im Gefängnis in Lulea. Sie werden unter anderem
 des Betretens und Fotografierens militärischer Anlagen beschuldigt. Das
 schwedische Rechtssystem läßt zu, daß Gefangene erst nach bis zu drei 
Tagen dem Richter zur Anhörung zugeführt werden, solange sind sie mit 
staatsanwaltlichem Bescheid festgesetzt. Deshalb sind wir am Mittwoch 
mit 50 Aktivisten vor das Gefängnis gezogen – und werden keine Ruhe 
geben, bis sie frei sind.
 
Am Protest beteiligen sich die schwedischen »Ofog«-Aktivisten, 
was auf Deutsch »Unfug« heißt. Wie stark ist der lokale Protest gegen 
das Militärgelände?
Die Bewegung ist noch relativ jung. Ihr Protest steht noch am Anfang. 
Zudem gilt hier, ähnlich wie bei anderen Militärübungsplätzen, das 
schlagende Argument, daß die Rüstungsindustrie einer der wenigen 
Arbeitgeber in einer strukturschwachen Gegend ist. Vielleicht ist eine 
vergleichbare Entwicklung wie beim »Bombodrom« zu erwarten, das ja auch 
erst nach 17 Jahren Widerstand dicht gemacht wurde. Zur Zeit gibt es 
eine breite internationale Unterstützung, unter anderem aus Asien, 
Südkorea, USA, Kanada, Venezuela, Kolumbien und europäischen Ländern.
 
Wie reagieren die Einwohner der nahe gelegenen Stadt Lulea auf die Aktivitäten?
Lokale Medien berichten; die Bevölkerung reagiert ebenso unaufgeregt auf
 unsere Proteste wie auf die Tatsache, daß hier Kriegshandlungen 
vorbereitet werden. Daran kann man sehen, daß die antimilitaristische 
Bewegung hier noch weitgehend unbekannt ist.
 Monty Schädel ist Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft
 – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und zur Zeit in Schweden