Kinderkriegsspiel-Fotos setzen Bundeswehr unter Druck

Sturm- und Maschinengewehr: Zwei kleine Jungen beim Tag der offenen Tür der Karfreit-Kaserne im Juli 2009 - das Foto wurde vom linksautonomen Bündnis "Rabatz" veröffentlicht, die Authentizität konnte nicht überprüft werden
Erstveröffentlicht: 
07.06.2011

Kriegsspiele für Kinder bei der Bundeswehr? Offiziell ist das verboten, aber was an einem Tag der offenen Tür in einer Kaserne in Bad Reichenhall passierte, ist offenbar kein Einzelfall: Auch im oberbayerischen Brannenburg hantierten Kinder mit Schusswaffen.

 

Hamburg - Die zwei kleinen Jungen liegen unter einem Tarnnetz, vor ihnen ein Haufen Sandsäcke: Der eine Knirps kauert hinter einem Sturmgewehr, der andere kniet hinter einem Maschinengewehr. So hat es sich offenbar am 11. Juli 2009 am Tag der offenen Tür der Karfreit-Kaserne im oberbayerischen Brannenburg abgespielt - das linksautonome oberbayerisch-österreichische Bündnis "Rabatz" hat an diesem Dienstag entsprechende Fotos veröffentlicht.

 

"Rabatz"-Aktivist Michael Kurz sagte, er habe die Aufnahmen damals gemacht. "Die Fotos sind ein Beleg dafür, dass es keine Ausnahme ist, wenn Kinder bei Tagen der offenen Tür der Bundeswehr Waffen in die Hände bekommen", sagte der 28-jährige Student. Die Authentizität der Bilder konnte nicht geprüft werden.

An Einzelheiten des Tages der offenen Tür in Brannenburg kann sich Kurz nicht mehr erinnern. Es hätten aber mehrere Kinder Kontakt mit Waffen gehabt. In der Karfreit-Kaserne waren Gebirgspioniere stationiert. Der Standort wurde im Rahmen der Bundeswehrreform im vergangenen Jahr aufgelöst, die Gebirgspioniere sind nach Ingolstadt umgezogen.

 

Kriegsspiele für Kinder bei der Bundeswehr - die jüngsten Bilder kommen für die Truppe zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Erst vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass Kinder Ende Mai bei einer Öffentlichkeitsveranstaltung der Gebirgsjäger in Bad Reichenhall unter Anleitung von Soldaten mit Zielerfassungssystemen von echten Panzerfäusten auf kleine Holzhäuser zielen konnten. Auf dem Gelände der General-Konrad-Kaserne war dafür eigens eine Miniaturstadt aufgebaut worden, sogar ein Ortsschild gab es: "Klein-Mitrovica". Die Gebirgsjäger waren im Rahmen ihres KFOR-Einsatzes auch für die kosovarische Stadt Mitrovica zuständig.

 

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Traunstein Vorermittlungen wegen des Vorfalls in Bad Reichenhall eingeleitet. Einem Bericht des "Münchner Merkur" zufolge geht es um den Verdacht der Volksverhetzung und des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.

 

Auch die Bundeswehr hat Ermittlungen eingeleitet. Die 10. Panzerdivision prüfe, ob gegen Vorschriften verstoßen worden sei, sagte Oberstleutnant Siegfried Houben, Sprecher vom Presse- und Informationszentrum des Heeres, SPIEGEL ONLINE. Es gebe bei Öffentlichkeitsveranstaltungen der Bundeswehr eine klare Regelung, "dass Jugendliche und Kinder unter 18 Jahren der Zugang zu Waffen verwehrt werden soll".

 

Politiker von SPD, Grünen und der Linken hatten den Vorfall in Bad Reichenhall scharf kritisiert. Der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour sagte den WAZ-Zeitungen: "Es ist eine Katastrophe, welches Bild von der Bundeswehr hier gezeichnet wird." Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD, hatte erklärt, dass ein solches Kriegsspiel in der Kaserne "in keiner Weise akzeptabel" sei. Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke sagte: "Die Bundeswehr schlägt bei ihrer Nachwuchswerbung nicht nur die Grenzen des guten Geschmacks, sondern sie tritt auch die Kinderrechte mit Füßen."

 

Gebirgsjäger waren in der Vergangenheit immer wieder in Skandale verwickelt. So wurden etwa 2006 Bilder von einer Leichenschändung in Afghanistan bekannt: Soldaten aus Mittenwald hatten mit Schädeln von Toten posiert. Im vergangenen Jahr wurde öffentlich, dass Rekruten bei den Gebirgsjägern in Mittenwald unter anderem rohe Schweineleber essen mussten - als Mutprobe.