Am 27. Mai urteilte der Richter Zhanna Khvoynitskaya über die weißrussischen Anarchisten Ihar Alinevich, Mikalaj Dziadok, Aliaksandar Frantskievich, Maxim Vetkin und Yeveni Slivonchik. Die jungen Männer waren zahlreicher politischer Aktionen beschuldigt unter denen sich auch ein Angriff auf die russische Botschaft in Minsk vom August 2010 befand.
Ihar Alinevich wurde beschuldigt die russische Botschaft und die Belarusbank („Mutwillige Zerstörung von Eigentum, Gesetz 218 Paragraph 3 des weißrussischen Strafgesetzbuchs), das Untersuchungsgefängnis in Minsk (Gesetz 218 Paragraph 2) und ein Casino in Minsk angegriffen zu haben, genauso wie an einer nichtgenehmigten Demonstration vor dem Militärhauptgebäude teilgenommen zu haben (letztere beiden Anschuldigungen fallen unter Gesetz 339 Paragraph 2 des weißrussischen Gesetzbuches „schwerer Hooliganismus“). Die Staatsanwaltschaft forderte neun Jahre unter verschärften Haftbedingungen. Letztlich wurde er zu acht Jahren unter verschärften Haftbedingungen verurteilt1.
Mikalaj Dziadok wurde wegen der Aktionen gegen ein Casino, das Militärhauptgebäude und einer „Yellow Union“ 2, die vom Staat kontrolliert wird auf Grund „schweren Hooliganismus“ zu viereinhalb Jahren unter verschärften Haftbedingungen verurteilt nachdem die Staatsanwaltschaft sechs unter gleichen Bedingungen gefordert hatte.
Aliaksandr Frantskievich wurde wegen der Aktion gegen die „Yellow Union“, dem Angriff auf das Militärhauptgebäude und einem auf eine Polizeistation in Soligorsk, die alle als „schwerer Hooliganismus“ eingestuft wurden und einem Hackerangriff auf die Stadthomepage von Novopolotsk („elektronische Sabotage“, „illegaler Zugang zu elektronischen Informationen“, „Entwicklung, Nutzung oder Verbreitung von bösartiger Software“ Gesetz 349 Paragraph 2, Gesetz 351 Paragraph 2, Gesetz 354 des weißrussischen Gesetzbuches) angeklagt. Die Staatsanwaltschaft forderte fünf Jahre Haft, verurteilt wurde er zu drei Jahren unter verschärften Bedingungen. Screenshots der Aktion finden sich hier.
Maxim Vetkin wurde wegen dem Angriff auf die BelarusBank und die Russische Botschaft in Minsk verurteilt. Er hat mit den Ermittlungsbehörden kooperiert und gegen die anderen ausgesagt. Er wurde, der Forderung der Staatsanwaltschaft folgend, zu vier Jahren Haft in einem Gefängnis ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen verurteilt. Vorübergehend wurde er freigelassen.
Yevgeni Silivonchik wurde zu eineinhalb Jahren Gefängnis mit Freigang auf Grund des Angriffs in Soligorsk verurteilt. Auch er hat mit den Ermittlungsbehörden kooperiert und die anderen belastet.
Die Beschuldigten haben für 100 Millionen weißrussische Rubel (um die 20.000 Dollar) aufzukommen, die bei der Beschädigung der jeweiligen Institutionen entstanden sind.
Alinevich, Dziadok and Frantskievich bestreiten ihre Beteiligung an den Aktionen, abgesehen der an dem Militärhauptgebäude. Sie ziehen in Erwägung gegen ihre Urteile Berufung einzulegen, doch könnte es in einem darauffolgenden Verfahren zu noch härteren Strafen kommen. Der Straßburger Gerichtshof stellt für Menschen in Weißrussland keine Option dar, da Weißrussland kein Teil des Europarats ist.
Valentina Alinevich, Ihars Mutter, sagte “Gestern wurden die Kinder von jemand anderes festgenommen und wir dachten, das sei nicht unser Problem. Heute verhaften sie unsere Kinder. Morgen verhaften sie die Kinder von jemand anderem. Leute, seid euch dessen bewusst! Lasst das nicht geschehen!“ Des Weiteren verwies sie auf die Rolle Russlands im Falle Ihars: „Russland hat das Kidnappen einer Person auf seinem Gebiet akzeptiert. Das ist eine ungeheure Verletzung der Menschenrechte, die da in Zusammenarbeit mit den russischen Behörden passiert ist.“ Am 28. November 2010 wurde Ihar Alinevich in Moskau von Agenten einer unbekannten Sondereinsatzgruppe gekidnapped und illegal über die Grenze in das Untersuchungsgefängnis des weißrussischen KGBs in Minsk verschleppt.
Aliaksandr Dziadok, der Vater Mikalajs und erfahrener Anwalt, der auch als Richter gearbeitet hat, gab folgende Erklärung an die Presse: „Es kam innerhalb des Gerichtsverfahrens zu zahlreichen Verstößen. Auch die Anklagepunkte konnten nicht bewiesen werden. Das Urteil ist ungerecht und illegal. Ein objektives, gesetzestreues Gericht hätte alle Anklagepunkte gegen die Beschuldigten fallen gelassen.“ Aliaksandr Dziadok zog Parallelen zwischen den nun beendeten Verfahren gegen Anarchisten und denen gegen die Verhafteten vom 19. Dezember 2010 (Gerichtsverfahren gegen diejenigen, die gegen die gefälschten Präsidentschaftswahlen Ende letzten Jahres protestierten, was internationale Aufmerksamkeit erregt hatte.)
Anarchist Black Cross Weißrussland bezeichnet die Verurteilungen als politisch motiviert und die Anschuldigungen als nicht erwiesen. Abgesehen davon können alle Aktionen für welche die Beschuldigten verurteilt wurden als gewaltfrei bezeichnet werden da in deren Zuge kein Lebewesen verletzt wurde. Die meisten der Aktionen waren lediglich symbolisch und der materielle Schaden zudem gering.
Berichte über jeden Verhandlungstag finden sich auf dem weißrussischen indymedia, sowie auch unter www.avtonom.org/en/freebelarus.
Die Dokumentation “Defying the law” über die Ermittlungen und Gerichtsverfahren gegen Anarchisten in Weißrussland findet sich hier. Eine Version mit englischen Untertiteln folgt in den nächsten Tagen.
Anarchist Black Cross Belarus
übersetzt von www.autistici.org/abc-belarus
Anarchist Black Cross Berlin